Tendenziell bergab

142. Reisetag. Von Datong nach Yingxian, 84 km bei sonnigem Wetter und etwa 28°C plus einem zusätzlichen 6 km-Schlenker zur hölzernen Pagode von Yingxian

Die Tour begann für mich als neuen Reiseleiter der nächsten Wochen gleich mit einigen Prüfungen. Kaum dass wir losgefahren waren, hatten wir schon den ersten Platten. Da sich unser Begleitfahrzeug auf einer anderen Route aus der Stadt schlängelte, hatten wir ein kleines Ersatzteile- und Werkzeug-Problem. Schließlich konnte Gerhard aber einen Flicken hervorzaubern und wir flickten den Platten. Es dauerte nicht lange und wir hatten den nächsten. Wieder gelang es Gerhard aus den Tiefen seiner Satteltasche noch einen Ersatzschlauch hervorzubringen. Und wir waren noch nicht einmal aus der Stadt heraus. Der dritte Plattfuß konnte uns dann eigentlich nicht mehr schocken. Nur wird der Eine oder Andere morgen eventuell Muskelkater haben wegen des Aufpumpens mit allzu kleinen Luftpumpen.

Die Fahrt verlief insgesamt sehr angenehm, Steigungen waren im Grunde keine vorhanden und die Strecke ging, wie Volker immer gerne zu sagen pflegt, tendenziell bergab. Für mich die perfekte Etappe um mich einzuradeln. Die ersten Kilometer legten wir noch auf einer vierspurigen Landstraße zurück auf der die Autos aber stets in gebührendem Abstand an uns vorbei fuhren und wie in China üblich, die „Vorsicht, ich überhole jetzt“-Hupe betätigten. Später bogen wir auf eine wenig befahrene kleine Nebenstraße ab. Häufig säumten Alleen unseren Weg was das Radeln ganz angenehm machte.

Mittag machten wir in einem winzigen Dorf in dem von etwa drei Häusern eines ein winziges Restaurant war. Es gab nur einen Tisch an dem nicht alle von uns Platz hatten, deshalb mussten drei von uns auf im Nachbarraum auf dem Bettofen, dem Kang, der Familie sitzen und an einem etwa 30 cm hohen Tisch essen. Das war mal eine sehr spezielle und intime Erfahrung. Die Betreiberfamilien hatte noch nie zuvor ausländische Gäste und war entsprechend aufgeregt und neugierig. Nach gefühlt 1000 Fragen und einigen gemeinsamen Fotos, ließ man uns wieder fahren. Am späten Nachmittag erreichten wir dann unseren Zielort Yingxian.

Die Hauptsehenswürdigkeit von Yingxian ist die berühmte Sakyamuni-Pagode im Fogong-Tempel. Da wir angst hatten, dass die Pagode geschlossen sein würde wenn wir erst ins Hotel fahren und dann wieder zurück kämen, fuhren wir direkt dort vorbei. Diese recht beeindruckende Pagode wurde unter den Kitanen (Liao-Dynastie), einem Reitervolk aus dem hohen Norden, das diesen Teil Chinas seinerzeit erobert hatte im Jahre 1056 erbaut. Sie ist die älteste und größte hölzerne Pagode weltweit. Sie hat eine Höhe von über 67 m und einen Durchmesser am Sockel von rund 30 Metern. Von außen sind nur 5 Stockwerke sichtbar, aber eigentlich sind es mit den Zwischengeschossen 9 Stockwerke. Es wurden etwa 3000 Tonnen Rotkiefernholz verbaut. Die Bauweise ist so ausgeklügelt, dass die Pagode in ihrer über 900-jährigen Geschichte bereits mehrere Erdbeben überstanden hat, während die Häuser in der Umgebung fast sämtlich einstürzten. Selbst mehrere heftige Blitzeinschläge hat sie schadlos überstanden. Leider darf man nicht mehr die Pagode besteigen, aber eindrucksvoll ist sie dennoch.