Endlich gehts bergauf!

Von Yuanyang zu den Reisterrassen. 38 km schräg nach rechts oben laut Höhenprofil.

Räder verstaut, Foto gemacht – los geht’s. Wir fahren zur finalen Erholung! Vier Ruhetage liegen vor der Weltreisetruppe in einem idyllischen Feriendomizil oben in den Reisterrassen der Hani. Doch bevor wir den Blick über weit geschwungenen Terrassenfelder genießen können müssen wir erst mal knapp 40 km und 1500 Höhenmeter überwinden. Das gute chinesische Frühstück im Bauch radelt sich’s besonders leicht und wie zum Lohn schlängelt sich die gut geteerte Straße in weiten geschmeidigen Serpentinen den Berg hinauf. Der Nebel hängt noch tief im Tal und ab und an verdeckt zur Freude Hermanns eine Wolke die Sonne. Nach wenigen Kurven begrüßt uns ein chinesischer Betriebsausflug mit Anhang laut johlend und Fähnchen schwingend. Fast hat man den Eindruck Xiao Luo hätte diese kleine Motivationsspritze organisiert.

Ganz klar: Fotos werden geschossen und Jan wird ob seiner Körpergröße bestaunt. Dann löst sich der Wandertag auch schon auf und strömt laut lachend und schwatzend den Berg hinab.

Wir strampeln weiter fleißig bergauf. Jeder radelt sein Tempo. Schweigend. Sinnierend. Schwitzend. Genießend? Alle 5 km winkt Xiao Luo. Lockt mit Keksen und Bananen.

Die Truppe hat sich weit auseinander gezogen. So ist es am Berg.

So kommt es, daß wir alle unterschiedlich ankommen, zum Teil am Hotel vorbeifahren, kriminellerweise die Ticketbude ignorieren, im Hotel-Komplex wirr umher irren. Xiao Leis Fahrzeug mit dem quer darüber befestigten Fahrrad von Imma dient einem Teil als Orientierung.

Irgendwie finden wir uns dann doch alle wieder zusammen, verteilen uns auf die großzügigen Bungalows und entspannen bei Bier und Sonnenschein auf den jeweiligen Terrassen bevor wir uns zu einem frühen Abendessen treffen.


Die Legende geht weiter…

79 km nach Yuanyang

Weil’s so gut war, gehen wir heute gleich wieder im Restaurant zur großen Suppenschüssel frühstücken. Bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein geht es los. Regenjacke und Überschuhe wurden mit Sonnencreme und Sonnenbrille getauscht. Nach all den bergigen Etappen spüren wir die moderaten Anstiege auf den ersten 30 km kaum und quatschen uns gemütlich durch die Landschaft. Es radelt sich leicht dahin. Aber die Sonne brennt unerbittlich und nach 20 Kilometern lechzt es uns nach den saftigen Mandarinen aus dem Begleitfahrzeug. Nur wo ist es? Jetzt erst fällt uns auf, dass wir Xiao Luo und Xiao Luo bei der letzten Umleitung verloren haben. Wie wir später erfahren, hat die Navigations-App die beiden offenbar von der Baustelle in einen Wald, eine steile Auffahrt hinauf und in Schlammloch geschickt. Die beiden Luos sind dabei ganz schön ins schwitzen gekommen, wie sie später beteuern, außerdem wurde ein Beweis-Video von dem Weg gemacht.

Wir haben derweil die Zeit auch optimal genutzt. Hartmut, zwar glücklich, quält sich bei seiner ersten längeren Etappe nach dem Sturz, mit einem platten Reifen den Berg hoch. Oben wartet allerdings schon Imma, die sich sofort auf das Rad stürzt und in Nullkommanichts den Defekt repariert. Hartmut regeneriert sich derweil auf den Kieseln in der Kurve.

Kurze Zeit später hat uns das Begleitfahrzeug wieder eingeholt und wir steuern eine Mittagsmöglichkeit an. Überraschenderweise ist Nudelsuppe im Angebot (Nuhla-Nuhla) und gebratener Reis (Eis). Mir wird eine Schüssel vorgesetzt, die eine Armee gesättigt hätte, was bei Allen (Mitfahrern und Begleitfahrern) für große Erheiterung sorgt. Mit den zusätzlichen zwei Kilo Körpergewicht komme ich dann aber richtig gut den Berg runter, wie Maria neidisch während unserer fast 40 Kilometer langen atemberaubenden Abfahrt feststellen muß.

Obwohl Beat und ich ihn noch nicht angefasst haben, funktioniert der Fahrstuhl im Hotel nicht. Unsere Zimmer liegen im 5. und 6. Stock. Das ist bitter. Allerdings zählt das Erdgeschoss in China als 1. Stock, so daß wir gefühlt nur in den 4. Und 5. Stock steigen müssen. Ein echter Trost. Nachdem also der Fahrstuhl seinen Betrieb eingestellt hat, verabschiedet sich etwa eine halbe Stunde später noch der elektrische Strom, und zwar im ganzen Ort und so kommen wir zu guter Letzt noch zu unserem romantischen Candlelight-Dinner.


Die Legende von der großen Schüssel

Tagesausflug nach Tuanshan

Jetzt ist es soweit, wir sitzen beim Frühstück, es gibt Hefeklöße, Ölgebäck und gefüllte Hefeknödel süß und herzhaft, gegenüber ist eine Bäckerei und die Hälfte der Gruppe schreit nach Nudelsuppe. Also wechseln wir das Restaurant, die Wirtschaft nebenan ist auf Nudeln spezialisiert. Natürlich in überdimensionalen Schüsseln, den größten Schüsseln der ganzen Tour bisher, würd’ ich mal behaupten. Die will natürlich keiner, aber der Wirt ist unerbittlich, es geht kein Weg daran vorbei, wenn wir hier essen wollen, dann aus großen Schüsseln wie die anderen auch, Bitteschön!

Artig wird der Kopf über die Schüssel gehalten und fleißig geschlürft. Danach rollern wir gemütlich durch den Sonnenschein. Eine langnasige Landpartie schwatzt sich über die Landstraße. Entspannte Landschaft (O-Ton Jan), entspannte Leute. Schön nach den anstrengenden Etappen, die hinter uns liegen. Ein glücklicher Hartmut fährt auch wieder mit. Premiere nach seinem Sturz. Und es läuft, bzw. rollt gut. In der Zwischenzeit ist auch wieder Hans, der sich noch zwei Tage länger in Shilin auskuriert hat, zu uns gestoßen. Er lässt es aber langsam angehen und erholt sich im Hotel.

Unser erster Stopp ist eine kleine buddhistisch/daoistische Tempelanlage (Huang Long Si). Kleine Nonnen in safrangelben Kleidern wuseln herum und laden uns ein, die Gebäude zu besichtigen. Überall wird gebaut und gewerkelt. Reinhold hilft kurzerhand mit.

Dann gehts schon weiter. Tuanshan, ein verschlafenes Dörfchen, zwar für den Tourismus geöffnet aber noch bewohnt und bewirtschaftet, duckt seine windschiefen Dächer unter dem brennenden Sonneschein. Wir schlendern durch gewundene Gassen, sehen den Dörflern beim mittäglichen Kartenspiel auf dem Dorfplatz zu.

Weiter geht’s. Am Flüsschen entlang zurück nach Jianshui. Qingzeitliche Brücken säumen unseren Weg. Am beeindruckensten die Chuang Long Brücke. Also Fotostopp, dann werden wir von einer lautstarken chinesischen Reisegruppe vertrieben, die jedes romantische Sinnieren zunichte macht, schwingen uns auf die Räder und lassen den Nachmittag jeder für sich ausklingen.


Durchhalten!

107 km nach Jianshui

Der Himmel ist blau, die Straße ist frei und das Auto voller Bananen. Xiao Luo hatte tatsächlich Schwierigkeiten Obst in den entsprechenden Mengen zu kaufen: Die Marktfrau konnte einfach nicht glauben, dass sie soviel Bananen verbrauchen könne, die werden doch sonst schlecht! Macht man so Geschäfte?

Wir rollen also los und schaffen es tatsächlich Pannenfrei bis zur Mittagspause und sogar bis zum Zielort. Reinold ist und bleibt unangefochtener Spitzenreiter in der Pannenstatistik (was möglicherweise daran liegt, dass er einer derjenigen ist, der jede Strecke mit dem Fahrrad fährt). Hoffentlich ist das Schicksal gnädig und bewahrt ihn vor weiteren Plattfüßen!

Heute haben wir das „Vergnügen“ eine sehr vielfältige Strecke zu fahren. Es geht mal wurde auf und ab. Das heißt auf kleine Straßen über den Berg. Durch den Nadelwelt ab in den Moloch. Zementfabriken säumen plötzlich die Straße. Ein Laster nach dem anderen. Verkehr. Grauer Staub überall: Oben, unten in der Luft. Es knirscht zwischen den Zähnen und die Augen fühlen sich trocken an. Haarspray braucht keiner mehr. Idyllische Plätze für die Pause? Fehlanzeige. Und dann ein paar Kilometer weiter – das weite Land. Wasser und grüne Hügel. Gemüsefelder sorgfältig in die Landschaft parzelliert. Bougainville am Straßenrand. Rosa und blaue Wicken überwuchern alles, was sich nicht wehren kann. Und wieder Verkehr und wieder Staub. So wechselt es sich ab bis zu unserem Endspurt nach Jianshui.


Mit der Sonne dem Wind entgegen

115 km in Richtung Huaning

Zwei längere Radetappen liegen noch vor uns bis zum nächsten Ruhetag. Das klingt entspannt. Zudem ist der Himmel blau, die Sonne scheint, die Räder sind auf Vordermann gebracht. Nichts kann schiefgehen, scheint es.

Zum Frühstück erscheinen wir so früh, dass wir noch den Run auf die gekochten Eier mitbekommen und uns entsprechend eindecken können. Frisch gestärkt und hochmotiviert verlassen wir Isabelle und Hans, der sich noch zwei Tage länger in Shilin auskuriert. Es geht gut voran. Bis sich Reinold mit dem ersten Platten dieses Tages meldet. Er ist jetzt Spitzenreiter in der gruppeninternen Pannenstatistik, Hans, sein stärksten Konkurrent auf diesem Gebiet, fällt ja leider zwischenzeitlich als Mitstreiter aus.

Reinold, dessen Rad wir gestern so gut kontrolliert haben! Na gut, jetzt bekommt es eben noch einen neuen Mantel. Damit auch nichts mehr schiefgehen kann. Denkste! Nach 20 Minuten die nächste Pannenmeldung. Natürlich von Reynold. Ein Plattfuß, was sonst.

Jetzt aber wirklich! Und tatsächlich, der Liechtensteiner und sein Rad benehmen sich von diesem Zeitpunkt an ganz unauffällig. Dafür fällt eine halbe Stunde später Peters Gangschaltung ab und Ingmarie fällt auf, dass sie irgendwo ihren Helm vergessen hat. Langsam mache ich mir Sorgen, ob wir heute noch im Hellen ankommen.

Aber tatsächlich verläuft die Fahrt von jetzt ab reibungslos und wir genießen die kleine Straße, die uns durch Felder, Plantagen und duftende Nadelwälder führt. Schmetterlinge kreuzen unseren Weg. Vogelgezwitscher und das unaufhörliche Sägen der Zikaden begleiten uns. Nach einer phänomenalen Abfahrt landen wir direkt in einer Mandarinen-Plantage, was Xiao Luo sogleich nutzt um unsere Obstvorräte wieder aufzufüllen. Kurz darauf heißt es wieder zur großen Freude von Maria „Nuhla, Nuhla“ (Nudelsuppe). Diesmal aber kein Eis (Reis). So der tägliche Mittagsruf unserer Begleiterin Xiao Luo.

Als wir uns vom Mittagsmal erheben, hat sich unsere Gruppe wieder dezimiert. Imma und Peter lassen einen Abschnitt aus und wollen beim Endspurt wieder einsteigen. Hermann flüchtet vor der Sonne und Ingemarie will schnell in die Stadt, um einen neuen Helm zu erwerben. Die nachmittägliche Strecke ist genauso schön, wie der Abschnitt, der hinter uns liegt. Leider wird aber auch der Gegenwind immer stärker und so wird die kleinste Steigung schon zu Herausforderung. Aber auch heute haben wir es geschafft.

Kleiner Nachtrag: Nachdem unser liechtensteinischer Mitradler Reynold mit seinen 71 Jahren in den letzten sechs Tagen durchschnittlich 1500 Höhenmeter und 90 km täglich absolviert hat, ist ihm eine Auszeichnung sicher. Zu Hause angekommen kann er garantiert mit einer liechtensteinischen Verdienstmedaille, überreicht vom Landesfürsten persönlich, rechnen.


Hermann telefoniert die Landschaft

120 km nach Shilin.

An einem Sonntag im Oktober brechen wir auf. Zu elft starten wir die heutige Etappe. Es geht in Richtung Steinwald (Shilin). Hier begann vor etwa 270 Mill. Jahren eine seichtes Meer abzufließen, gab den Kalkstein frei und lieferte ihn der Erosion aus. Die bizarren Felsnadeln, die so entstanden sind, erstreckt sich heute auf einer Fläche von über 26.000 Hektar.

Doch bevor wir den sogenannten Steinwald bewundern können, müssen wir erstmal 120 km Strecke überwinden. Es geht beständig auf und ab an Mais- und Tabakfeldern, Ginsengplantagen und Gemüsebeeten vorbei. Wir fliegen durch Dörfer, die aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Ziegenherden stehen meckernd am Straßenrand. Esel- und Ochsenkarren tockern über den Asphalt. Allein die Handys die uns aus den Autos entgegengehalten werden und die vielen Strommasten erinnern uns daran, das wir uns im 21. Jh befinden.

Nachdem wir den ländliche Alltag zur Genüge begutachten könnten, wird die Landschaft größer, höher und weiter. Sehr zur Freude von Hermann, der mit Begeisterung 15-sekündige Filmchen mit seinem Smartphone von der Umgebung aufnimmt, nachdem seine Kamera kurz nach der Ankunft in China den Geist aufgegeben hat. Deswegen fährst er bei jeder Pause voraus „um die Landschaft zu telefonieren“.

Nach unserem Mittagsmahl (Reisnudeln und geröstete Ente) reißt der Himmel endgültig auf und wir radeln im schönsten Sonnenschein. Nur Herman nicht, der vor der Sonne in das Begleitfahrzeug flieht. Gar nicht so dumm, ich habe mir heute einen leichten Sonnenbrand eingefangen.

Leicht dezimiert fahren wir nun zu zehnt weiter Richtung Steinwald, bewundern die gigantischen Ausblicke, erwischen einen klitzekleinen Regenschauer und erspähen die ersten Kalksteinfelsen. Kurz nach der Ortseinfahrt sammelt sich unsere Truppe wieder und nachdem wir Beat aus den Fängen einer höchstmotivierten Herbergsmutter befreien konnten, er hatte bereits seinen Pass im ersten Hotel, das er erspähte abgegeben, machen wir uns, so frisch es nach 120 km eben geht, an den Endspurt zum Hotel.

Dieses liegt schön ruhig, aber allerdings etwas ab vom Schuss, so daß wir eine kleine Nachtwanderung von 30 Minuten in Richtung Restaurant antreten müssen. Belohnt werden wir mit einem Teller lecker gerösteter Wespen. Die Nahrung der Zukunft, eine Eiweißbombe – da hüpft des Sportlerherz. Auf dem Rückweg leuchten uns Mond und Sterne und das Geschrei der Zikaden begleitet uns bis ins Hotel.


Über uns die Regenwolke

98 km nach Xundian.

Da sitzen wir nun in unserer Herberge. Um uns herum die hoch angepriesene Landschaft, aber wir sehen nichts davon. Zuerst Regen und Nebel, jetzt ist es Nacht. Wir haben uns um den kleinen Kohleofen drapiert und trinken heißen Grog.

Der nächste Morgen ist ebenso kühl und feucht. Wir schlürfen die obligatorische Nudelsuppe. Wieder teilen wir uns: Die eine Hälfte fährt im Auto, die andere sitzt auf dem Rad. Es ist wolkig, Aber im Gegensatz zu gestern lässt sich die Landschaft an einigen Stellen sehen. Der Nebel lichtet sich. Man munkelt auch, die Sonne habe sich zu Weilen schon gezeigt.

Zuerst geht es 20 km bergab, in steilen Serpentinen immer Richtung Tal. Die kleine Straße schlängelt sich durch die rotbraunen und grünen Terrassen, der Himmel hängt tief, aber die ersten Sonnenstrahlen kämpfen sich ihren Weg durch die dichte Wolkendecke. Eine dunkle Regenwolke zieht bedrohlich heran, aber wir sind schneller, saußen bergab. Unten angekommen ist die Sonne da. Wir genießen die wärmenden Strahlen. Dann geht es weiter. Im nächsten Dorf ist Marktag. Von Schweinen, Hasen und Hühnern über Haushaltsgegenständen, Kleidung, Gebäck und Obst gibt es alles, was das Herz begehrt. Und: was wir begehren. Wir decken uns mit leckerem frischen Fladenbrot, Schinken, Granatäpfeln, Drachenfrüchten und Gebäck ein und machen hinter dem Dorf, vor dem ersten richtig anstrengenden Anstieg erstmal Picknick. Dann geht es mit vollem Magen den Berg hoch. Dunkelblaugrau rollt die Regenwolke immer näher heran. Aber wir fahren ihr davon. Wieder gehts bergab. Wir saßen unserer mittäglichen Nudelsuppe entgegen. Zur Auswahl gibt es Reisnudelsuppe oder Weizennudelsuppe.

Als wir das Restaurant verlassen, scheint die Sonne ungewohnt warm und wir fahren fröhlich den Berg hoch. Glücklich über das gute Wetter. Doch wieder verdunkelt sich der Himmel und diesmal schaffen wir es nicht. Sosehr wir auch in die Pedalen treten. Der Regenschauer erwischt uns und beschert uns mal wieder eine nasse Ankunft.


Über den Wolken

45 km nach Hongtudi.

Ich sitze vor dem riesigen Panoramafenster meines Zimmers mit Blick auf die berühmten Terrassenfelder „rote Erde“ und sehe exakt nichts. Dicker Nebel wabert vorüber und hüllt alles in einen milchigen Schleier. Der Strom ist bereits zum zweiten Mal an diesem Tage ausgefallen. Der Generator schafft es nicht die Bedürfnisse so vieler frierender Ausländer zu erfüllen. Ergo – die Heizdecken bleiben kalt. Einzige Wärmequelle ist das in einer riesigen gusseisernen Kanne auf einem irdenen Kohleöfchen bereitete heiße Wasser. Wir umklammern also unseren Tee, blasen Rauchwölkchen darüber. Was für ein Unterschied zu unserem tendenziell überheizten Zimmer in Dongchuan.

Bereits der Blick aus dem Fenster heute Morgen verhieß nichts gutes. Regennasse Straßen. Kaum haben wir uns an trockenes Wetter und ein klein bisschen Wärme gewöhnt, sind die Regenwolken wieder da mit ihrer durchaus demoralisierenden Wirkung auf die Truppe. Zehn von uns entschließen sich mit dem Auto unser heutiges Etappenziel zu erreichen.

Reinold, Helmut und Gerhard lassen sich aber nicht abschrecken und schwingen sich auf die Räder, ist doch für heute eine landschaftlich phänomenale Landschaft angekündigt. Ziemlich holprig geht es für uns los über schlechte, schlammige Straßen durch Chinas Hinterhöfe den Berg hinauf. Nach ein paar Kilometern treffen wir an einem Abzweig auf Xiao Luo und Xiao Luo sowie Christine, Maria und Jan, die sich noch ein wenig den Berg hoch fahren lassen, dann leisten sie uns Gesellschaft.

Zu siebt also ziehen wir uns in weiten Serpentinen den Pass hinauf. Die Straße breit und kaum befahren, der Ausblick traumhaft, wenn man denn etwas sähe. Doch mit jedem Meter, den wir uns nach oben kämpfen, scheint es etwas besser zu werden. Schon brechen wir durch die unterste Wolkenschicht und bemerken plötzlich, dass wir auf eine Berggrad entlang radeln unter und neben uns die Gipfel der benachbarten Berge. Wolkenfäden ziehen vorüber. Alles ist friedlich und still. Auch der Regen hat sich nach und nach aufgelöst. Der Nebel, der uns die schönsten Ausblicke verwehrt, hat etwas durchaus mystisches und wir beginnen die Fahrt zu genießen bis, ja bis etwa 5 km vor dem Ziel eine leichter Niesel verbunden mit einem ekelhaften Gegenwind einsetzt, der unaufhörlich stärker wird und sich zu einem amtlichen Schauer entwickelt. Durchweicht und frierend erreichen wir nach vier Stunden unsere Herberge. Im Eingang brennt ein heimeliges Feuerchen und vor der Tür werden Kartoffeln geröstet. Nun hoffen wir auf Elektrizität….


Wie die Maden im Speck

Gut 80 km nach Qiaojia.

Die harten Etappen die hinter uns liegen fordern ihren Preis. Unsere Gruppe dezimiert sich merklich. Hartmut knabbert arg an den Nachwirkungen seines Sturzes und kaum ist Reynold wieder halbwegs auf den Damm, teilen sich Hans und Beat die Rückbank in Xiao Luos Minibus und fressen sich durch unsere Obstvorräte (wie die Maden in der Minibanane).

Dabei ist die heutige Strecke wirklich etwas für Genießer. Wunderschöne Landschaft, immer an der Uferstraße entlang. Meistens bergab, zwischendurch flach wellig bergauf, alles machbar, alles entspannt. Die offene Landschaft wird hie und da von traditionellen kleinen Ansiedlungen unterbrochen, die in ihrem Stil schon sehr an Yunnan erinnern, in dessen Richtung wir uns unaufhörlich bewegen. Überall werden die kleinen leckeren Bananen angeboten, außerdem Papayas und Mangos. Xiao Luo füllt ihre Vorräte auf. Die Bananenstauden haben die Maiskolbengirlanden abgelöst meint Ingemarie. Und das stimmt. 

Ansonsten scheint diese Gegend hier ganz groß in der Seidenraupenzucht zu sein. Kilometerweit erstrecken sich Maulbeerbaumplantagen. Die halb abgeernteten Pflanzen erinnern irgendwie an Staubwedel. 

Und wieder geht es bergab. Unten landen wir plötzlich auf einer riesigen Prachtstraße, siebenspurig und von futuristischen Lampen flankiert.  Hier können wir wie die glorreichen Sieben einreiten, ist dazu Jans’ Kommentar. Wir fahren trotzdem weiter artig in  Reih und Glied. Und reiten zeitnah in einer Garküche ein um unsere mittägliche Nudelsuppen/Maultaschen/gebratene Nudeln abzufassen.

Das heutige Etablissement ist auf Lammfleisch spezialisiert. Hans und Beat, die im Auto vorgefahren sind, bekommen vom Koch das Handy vor die Nase gehalten: Wirst Du Lamm? steht da. Damit wäre das also auch geklärt. Nach der Mahlzeit wird noch die Eistruhe geplündert, dann begutachtet der Koch noch fachmännisch die Ältesten unserer Truppe und die Fahrräder eh er uns von dannen ziehen läßt.

Und wieder geht es bergab. Am Wegesrand reiht sich Dorf an Dorf. Staunende Gesichter, die ihr Handy zücken um uns zu filmen, lachen und winken. An der einen Stelle wird Mais zum Trocknen umgeschichtet an andere Stelle wir ein Mann fachmännisch entlaust. Das alltägliche Leben eben. Einen kleinen Dämpfer verpasst uns nur die verhältnismässig kurze aber stark befahrene Einfahrt in das Städtchen.


Ein Tropfen Regen

80 km nach Puge mit einem angenehmen Pass.

So. Seit gestern wissen wir wie es ist wenn im Süden Chinas die Sonne scheint. Warm und schön. Jetzt kann es los gehen, denke ich und hole aus den Untiefen meiner Reisetasche die Sonnencreme hervor und verstaue sie in meiner Radtasche. In kurzen Hosen und T-Shirt trotze ich der morgendlichen Kühle und stapfe mit der Truppe in Richtung Frühstücksbude. Die Wirtin erwartet uns bereits, weiß was und wie wir es wollen und so ist hier also in weniger als zwei Tagen eine gewisse Routine eingekehrt. Nachdem Frühstück gehts auch schon auf die gestern frisch präparierten Räder in Richtung Puge, Sichuan.

Platsch macht es und eine Regentropfen landet auf meiner Nase. Das ist der eine Tropfen aus Christines Wetter-App. Dann radeln wir durch den erstaunlich entspannten Morgenverkehr aus Yibin. Zum Einfahren sind die ersten 13 km der heutigen Strecke absolut flach, erst dann beginnt allmählich der Anstieg. In weiten Serpentinen zieht er sich über eine Länge von etwas mehr als 20 km den Berg hinauf. Die Temperaturen sind angenehm kühl. Die Wolken hängen tief. Immer wieder öffnet sich der Nadelwald und gibt den Blick frei über eine wunderbar weite Landschaft. Der See vor Yibin wird kleiner und kleiner und ist irgendwann ganz aus unserem Blickfeld verschwunden. Ganz vereinzelt finden sich Stände am Straßenrand, wo die Bewohner der umliegenden Dörfer Pilze, Obst und frisch zubereitete Speisen zum Verkauf anbieten. Ab und an sitzt ein Mensch in der Landschaft und blickt über die weiten Berge. Wasserbüffel grasen gemächlich zwischen den Bäumen. Wir fahren den Berg hinauf, jeder in seinem Rhythmus und sammeln uns hin und wieder an der Versorgungsstation: Xiao Luo. 

Als wir den Gipfel erreichen hat es sich merklich abgekühlt und auf der rasanten Abfahrt wird es so richtig kalt, so dass es manchmal schwierig wird die Schönheit der Szenerie zu erfassen. Gottseidank erwarte uns auf halber Strecke eine kräftige, heiße Suppe. Und…Ein heißer Grog. Die geniale Idee von Jan. Auf der zweiten Hälfte der Talfahrt geraten wir auch noch in einen kräftigen Regenschauer. Das sind dann also die zwei Tropfen von Puge aus Christines Wetter-App. Wir präparieren uns mit Regenkleidung und Plastiktüten (über Helmen und Schuhen) und fahren schnell weiter. Ein wenig Sonne hätte an dieser Stelle nicht geschadet. So hätte man tatsächlich in Muse und Entspannung auf gemächlicher Fahrt die Schönheit der Landschaft genießen können.