Von der Eisenhütte zur prosperierenden Metropole mit Zarenschicksal

Bilderbuch vom Ruhetag am 65. Reisetag in Ekaterinburg

Jekaterinburg oder auch Ekaterinburg, früher auch Katharinenburg (Екатеринбу́рг, 1924–1991 Swerdlowsk / Свердло́вск) ist die erste große Stadt Russlands, die wir erreicht haben, die in Asien liegt.
Gerhard hatte gestern vom „Grenzübertritt“ Europa – Asien berichtet.

Ekaterinburg hat fast 1.4 Mio. Einwohner. Nur Moskau, Sankt Petersburg und Nowosibirsk sind noch größer.
Der Name der Stadt geht auf Kaiserin Katharina I. (1684–1727, der Ehefrau Peter I.) sowie auf die Heilige Katharina, die Schutzpatronin der Bergarbeiter, zurück. Durch die Stadt fließt die Isset (Исеть). Sie hat uns schon beim reinradeln sehr beeindruckt. Hier könnte man(n) garantiert auch mehrere interessante Tage verbringen.
Wir haben leider nur einen, unseren heutigen Ruhetag, den unsere Radelbeine nach den 525 km in den 4 Tagen mit bis zu 1500 Höhenmetern pro Tag seit Tschaikowsky redlich verdient haben.
Ganz ohne Bewegung können wir aber auch nicht sein und wir machen 4 Stunden einen Stadtrundgang in Begleitung von Aljona.

Ekaterinburg wurde 1723 gegründet. Den Siedlungskern bildeten eine Eisenhütte und im Quadrat darum angeordnete Wohngebäude.
Die reichen Bodenschätze des Ural waren und sind ideal für den Standort.
Zar Peter I. lud damals u.a. Bergbaufachleute aus Sachsen ein und noch heute besteht enger Kontakt zur Stadt Freiberg.

Eine von zwei gesprengten orthdoxen Kirchen wurde nach 1991 wieder aufgebaut. Am Ort der anderen steht heute eine kleine Kapelle.
Wir besuchen die neu renovierte Kirche des Nonnenklosters gleich hinter dem Hotel. Ihr Glockenspiel hatte uns morgens schon geweckt.
Eine Besonderheit: Die Nonnen malen meisterhaft Ikonen, die man(n) sogar kaufen kann.

Aljona erzählt von der Sportbegeisterung der Einwohner, für die ca. 2000 Einrichtungen zur Verfügung stehen.
Alles fiebert natürlich dem Beginn der FIFA-Fußball-WM hier im „östlichsten“ Austragungsort entgegen.
Ekaterinburg ist eine sehr wichtige Universitätsstadt für Russland mit über 80 Bildungseinrichtungen.
Kultur und Kunst haben einen hohen Stellenwert. Es gibt mehrere Theater (Oper, Ballett, Komödien), sogar eine Philharmonie für Kinder und eine für die Erwachsenen, einen ständigen Zirkus, in dem u.a. jährlich internationale Wettbewerbe für Clowns organisiert werden, einen Zoo, eine Kunstgalerie und eine Vielzahl von Museen.

Interessant: Es gibt einige Häuser im Bauhaus-Stil! Nachdem die Nazis in Deutschland das verboten hatten, siedelten viele Künstler der Szene nach dem damaligen Swerdlowsk um und arbeiteten hier weiter. Der Stil wurde später hier als Konstruktivismus bezeichnet.

In den letzten Jahren wurde viel restauriert und neu gebaut, u.a. das neue Boris-Jelzin-Center mit Archiv u.v.a.m., denn er wurde in einem nahegelegen Dorf geboren und arbeitete einige Jahre in der Stadt, bevor er mit der Familie nach Moskau zog.
Wichtiger „Unterstützer“ vieler Bauvorhaben ist auch hier „Gazprom“, sogar bei neuen Null-Energie-Häusern!

Aljona zeigt uns das erste (11-geschossige) Wohnhaus mit einem eingebauten Fahrstuhl. Davor hatten Wohnungsbauprogramme mit „Chruschtschowkas“ (5 Stockwerke) und „Breshnewkas“ (9 Stockwerke) mit kostenlosen Wohnungen für Unterkünfte gesorgt.
Einige der traditionellen alten Holzhäuser gibt es auch noch und sie sollen nach und nach saniert werden.

Im Luxushotel Hyatt (dem teuersten außerhalb Moskaus) wurde 2009 die Vereinigung der BRICS-Staaten geründet.

Bei unserem Rundgang bummeln wir auch am Ufer der Isset entlang und sehen viel Grün in den Parks und Anlagen.
Der Flieder müht sich hier immer noch mit den ersten Knospen ab. So einen kalten Junianfang mit 2-5°C tagsüber wie dieses Jahr gibt es hier auch nicht oft.

1991 wurde hier die kürzeste Metro Russlands mit einer Linie von 12,7 km Länge und mit (seit 2012) neun Stationen in Betrieb genommen.

Zum Abschluß zeigt uns Aljona die Blutskirche, eine neu gebaute orthodoxe Kathedrale. Sie wurde 2002/2003 am Platz der Ermordung der Zarenfamilie errichtet. Hier wurde 1918 von den damaligen Bolschewiki im Umkreis von Jakow Michailowitsch Swerdlow (Яков Михайлович Свердлов, 1885-1919, damals ein führender Politiker der Partei der Bolschewiki sowie etwas mehr als ein Jahr lang Staatsoberhaupt Sowjetrusslands) im Verlauf des Russischen Bürgerkrieges die Zarenfamilie ermordet und in einem alten Bergwerksschacht verscharrt.
Insgesamt wurden 18 Angehörige der Dynastie und viele weitere Personen aus ihrem Umfeld von den Bolschewiki umgebracht.
1998 wurden die sterblichen Überreste der Zarenfamilie in St. Petersburg in der Peter-und-Paul-Kathedrale beigesetzt. Die Familie wurde von der orthodoxen Kirche in Russland 2000 als Märtyrer heiliggesprochen. Im Waldgebiet beim Bergwerksschacht ist ein Kloster in Holzblockbauweise errichtet worden.

Karin und Gerhard „besteigen“ noch den höchsten Büroturm der Stadt, so daß wir auch den Blick von hoch Oben auf die Stadt im Foto zeigen können.

Zurück im Hotel waren wir dann immerhin auch 8 km unterwegs.

Bilderbuch auf:

Ruhetag und Schwanensee

Bilderbuch am 60. Reisetag vom Ruhetag in Tschaikowski

Tschaikowski (Чайковский) ist nicht nur der Name eines weltbekannten Komponisten. So heißt auch eine Stadt in der Region Perm in Russland in der etwa 83.000 Einwohner leben.
Wir sind gestern hier im Hotel Dilishans (Дилижанс) abgestiegen. Gleich daneben ist ein See, ohne Schwäne.
Die stets hilfsbereiten Frauen und Männer des Hausteams haben sich diesen Satz Mark Twains zum Motto gemacht:
„Каждый хотел бы, чтобы в отеле его обслуживали как дома, а дома – как в отеле“
Марк Твен
[Everyone would like to be served at the hotel as at home, and at home – as in the hotel. / Jeder möchte im Hotel wie zu Hause und zu Hause – wie im Hotel – bedient werden.]
Wir fühlen uns pudelwohl hier.


* — Slippers are for every guest, steht auch auf der Hotel-Website und wir schlappen alle amüsiert damit im Haus herum.

Am heutigen Ruhetag erkunden wir mit Evgenij als sach- und ortskundigen Begleiter die Stadt.
Er kennt aus seiner Dienstzeit als Offizier bei der Sowjetarmee in der DDR einige deutsche Städte und war zuletzt in Neustrelitz, einer Partnerstadt Tschaikowskis, stationiert. Seit 1993 wohnt er nun hier.
Er spricht ausgezeichnet deutsch und wir besuchen sehenswerte Orte der Stadt, angefangen im kleinen Stadtmuseum.
Als immer noch aktiver Marathonläufer hat er ein besonders großes Herz für den Sport und führt uns sogar bis auf die neue Sprungschanze im Sportzentrum Sneschinka (Снежинка = Schneeflocke) hinauf, die es nach zähem Ringen nun auch in den Kalender des Skisprung-Weltcups geschafft hat.

Die Stadt Tschaikowski gibt es erst seit 1955. Vorher gab es hier nur das Dorf Saigatka. Mit dem Bau des Wotkinsker Stausee und dann des Wasserkraftwerkes an der Kama wuchs auch eine neue Stadt. Damit die mit dem Bau beschäftigten Männer sich nicht einsam fühlen mußten, wurde bald eine große Textilfabrik gebaut, die Frauen als Arbeiterinnen in die Region „lockte“.

Der Name der Stadt geht natürlich auf Pjotr Iljitsch Tschaikowski (Пётр Ильи́ч Чайко́вский, 1840–1893) zurück, der ganz in der Nähe in der Stadt Wotkinsk (Во́ткинск; udmurtisch Вотка, Wotka) 😉 geboren wurde und dort bis zum 8. Lebensjahr wohnte.
Wotkinsk ist heute eine etwa ebenso große Stadt.
Ihr erinnert euch – Tschaikowski ist der Komponist der Oper Eugen Onegin sowie der unsterblich schönen Ballette Schwanensee, Dornröschen und Der Nussknacker.
Im Nachschlagewerk eurer Wahl findet ihr die lange Liste der Sinfonien und Orchesterwerke des Meisters.
Sein Denkmal steht an einem sehr schönen Platz mitten in der Stadt.

Darüberhinaus gibt es viele viele Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie Sport- und Schwimmhallen für Jung und Alt.
In den letzten Jahren wurde viel renoviert und neu gebaut, u.a. Dank der großzügigen Unterstützung durch PAO Gazprom (Газпром), das weltweit größte Erdgasförderunternehmen.

Evgenij erzählt immer wieder begeistert von den vielen Begegnungen in Neustrelitz und Schwäbisch Hall, bei denen er schon viele Gruppen aus seiner Stadt begleitet hat und er freut sich schon auf die nächsten Reisen. Neben dem Sport spielen bei den Treffen Theaterarbeit und Musik eine sehr große Rolle.

Vor der Stadt am Beginn des Staudamms weist ein großes gebautes Zeichen daraufhin, daß hier der Bezirk Perm und die Stadt Tschaikowski beginnen. Nachdem man(n) dieses Zeichen passiert hat, ist auch die Uhr eine Stunde weitergerückt.

Bilderbuch auf:

1000 … 2000 … 3000 … 4000

Kleine statistische Anmerkung am Ruhetag.

Das erste große Kilometerjubiläum hatten wir ja noch gaanz groß „gefeiert“.
Sogar mit kleinem Video auf Facebook.
Siehe Blogeintrag „Back to the USSR“ von Volker (April 13, 2018 Allgemeines, Baltikum, Polen) zum Kilometer 1000.

Dann sind wir halt immer weiter weitergeradelt.
Mittendrin kränkelte mal das eine und das andere mitradelnde Navi und so hat mittlerweile jede(r) eigene Zahlen und Werte.

Meine Aufzeichnungen (im wesentlichen Track-Aufzeichnungen des „Mini GPS“) sagen z.B. folgendes:

Schon am 28. April von Tartu nach Räpina hatte ich Kilometer 2000 progostiziert, aber er lag dann wohl eher erst auf der Strecke von Räpina nach Staraja Isborsk vor der Grenze zur Russischen Föderation.

Kilometer 3000 folgte entweder schon während unserer „Einfahrt“ nach Moskau am 10. Mai oder spätestens am 13. Mai, am Radeltag nach den Ruhetagen zwischen Moskau und Orechowo-Zujewo.

Gestern nun passierten wir irgendwo auf dem Weg nach Jelabuga den Reisekilometer 4000.

Als wir in einer Radelpause darüber sprachen, stellten sich weitere „Jubiläen“ heraus: Viktors 3000ster seit er uns mit dem Bus begleitet und Gerhards 1000ster, seit er sich in Moskau zu uns gesellte – сердечно поздравляю. 🙂

Na also, sie rollt, die „Weltreise“. Und wir haben noch lange nicht fertig! 😉

OK, höre ich jetzt die eine oder den anderen sagen, Du warst ja schon 4 x im Bus und hast dort bisher insgesamt 194 km abgesessen.
Na und? Ich fühle dabei keine Schwäche, wenn ich feststelle, daß es an einem Tag mal nicht optimal rollt, ich mich bei fiesestem Gegenwind nicht „sauer“ radeln will, keinen Bock habe nach 128 km auch noch die letzten 40 km auf dem schmalen Randstreifen (wenn nur immer einer da wäre) der brüllenden, stinkenden und stets risikovollen M-7 zu Ende zu radeln oder dem Reiseleiter bzw. auch den anderen nicht den ohnehin kurzen Abend vermiesen will, indem ich erst bei Dunkelheit auf den Hof strample.
Ich will im März 2019 mit dem Radel in Bali ankommen. Das Ziel ist mir wichtiger, als „ausgelassene“ Radelkilometer.

Da wir grad beim Thema Statistik sind. Meine Zählung sagt, wir sind aktuell beim 4135. Kilometer, also
194÷4135 = 4,6916566 %, richtig? Pffff …
[Wenn man(n) nur Copy+Paste macht, ist halt meist noch nicht alles richtig. Ich hab‘ das Komma jetzt hoffentlich korrekt gesetzt. Danke allen Matheolympiadeteilnehmerinnen für’s kritische Lesen und helfende Hinweise 😉 ]

Ach, noch etwas am Rande. Am dünnsten bestückt scheint mir immer noch der Kommentar-Bereich hier im Blog.
Hey – wir wissen doch, daß ihr sehr viele seid, die „weltweit“ auf jeden neuen Eintrag warten.
[Hallo CBB-Admins! Bitte fügt doch mal ein paar Zahlen aus der Zugriffs-Statistik dazu]

Also, bitte laßt uns wissen, was euch gefällt und was nicht und worüber ihr noch mehr wissen wollt und so, OK?

Radelgrüße von allen an alle
Peter

Einfach mal nur schlendern …

Ansichtskartenwetter und kühler Nordwind – Bilderbuch am Ruhetag in Alabuğa (56. Reisetag)

Nach der sehr langen Etappe gestern (Hut ab vor den 3 „Durchradlern“!) ist ein Tag zum Ausruhen und Schlendern richtig gut.

Spät, ausgiebig und in aller Ruhe frühstücken und dann los in den sonnigen Vormittag. Das Mini-Büro der Touristinfo hat einen Stadtplan mit vielen Hinweisen auf sehenswürdiges für uns. Wir bummeln also von einer Nummer zur anderen, erleichtern zwischendurch in der Postfiliale einen ATM (Gruß an Astrid: Von „Diebold-Nixdorf“!) um mehrere 5-stellige Rubel-Beträge und haben uns dann am Ende doch 4 h und 7 km lang die Füße vertreten.

Die kleine Stadt Jelabuga (Елабуга, Alabuğa/Алабуга) hier im Norden Tatarstans liegt am rechten Ufer des Flusses Kama. Sie hat rund 71.000 Einwohner (ca 60 % Russen, 35 % Tataren und 2 % Tschuwaschen).

An vielen Häusern lesen wir Gedenktafeln, die an Menschen erinnern, die hier geboren wurden, lebten, arbeiteten oder starben.

Unser Hotel ist z.B. benannt nach Iwan Iwanowitsch Schischkin (Иван Иванович Шишкин), der hier aufwuchs und später ein berühmter Aquarellmaler wurde. Natürlich gibt es auch ein Denkmal und ein Museum zu seinen Ehren.

Ein Denkmal, das Wohnhaus und ein Museum gibt es auch für die russische Lyrikerin Marina Zwetajewa, die 1941 hier zusammen mit ihrem Sohn die letzten Tage ihres Lebens verbrachte.

Vor „seinem“ Museum im Schatten der Bäume sitzt, in einem Buch lesend, der Neurologe und Psychiater Dr. Wladimir Michailowitsch Bechterew (Владимир Михайлович Бехтерев, 1857-1927), der Entdecker der “ Bechterew´schen Krankheit“ (Morbus Bechterew).

Hoch zu Roß sitzt die Kavalleristin Nadežda Andrejevna Durova (Наде́жда Андре́евна Ду́рова). Sie war die „Tochter eines russischen Offiziers und wuchs wie ein Junge auf. Als Mann verkleidet trat sie 1806 unter dem Namen Alexander Durow in die russische Armee ein und nahm ein Jahr später an der Schlacht bei Friedland teil. Als ihr Vater Nachforschungen über ihren Verbleib anstellte, wurde ihre Identität entdeckt. Der russische Zar Alexander I. bot ihr daraufhin persönlich eine ehrenvolle Entlassung an; sie entschied sich allerdings für die Armee und erhielt vom Zaren ein Offizierspatent.“, schreibt Wikipedia. Das Denkmal steht vor dem Friedhof, auf dem ihr Grab ist.

Weiter entfernt auf einer Anhöhe steht der Turm der Teufelsburg aus der Zeit der Wolgabulgaren, den Ursprüngen des Ortes im 11. Jahrhundert.

Viel Grün, schmucke Straßen und Gäßchen. Uns hat der Bummel viel Spaß gemacht, die Radelwaden entspannt und den Kopf im Wind frisch durchgepustet.

Bilderbuch auf:

Hallo Fans der erstklassigen Aquarellmalerei.
Der Blog-Admin hatte wegen Sorgen um evtl. Urheberrechtsverletzung die zwei Aquarelle von Schischkin aus der Galerie gelöscht.

Ihr findet sie und noch mehr unter https://de.wikipedia.org/wiki/Iwan_Iwanowitsch_Schischkin
–> Werke von Schischkin

Darunter auch

Morgen im Kiefernwald
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Utro_v_sosnovom_lesu.jpg

Ein Roggenfeld
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Ivan_Shishkin_-_%D0%A0%D0%BE%D0%B6%D1%8C_-_Google_Art_Project.jpg

Da steht jeweils
„Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers.“
[pf, 29.05.2018]

Bitte merken Sie sich das Jahr 1221 …

Bilderbuch am Ruhetag unseres 47. Reisetages aus der unteren Neustadt (Ни́жний Но́вгород / Nischni Nowgorod), Postkartenhimmel, Sonne pur

Hier tipp ich also wieder als Novgorod-Bilderbuch-Blogger. 😉
Nach der „Bedeutenden“ sind wir nun inzwischen 4 Radeltagesreisen ostwärts Moskaus in der „Unteren“ unterwegs. Die Stadt hieß ganz früher schon so, dann 1932 bis 1990 Gorki (Го́рький). Am Ruhetag war natürlich Ausschlafen und mal ganz ohne „Zeitdruck“ Frühstücken angesagt.

Viktor fuhr uns mit dem Bus auf die andere Seite der Stadt (und über die hier schon mächtig breite Wolga) in den älteren Teil der 1,2-Millionen-Stadt. Das waren immerhin so 6-7 km!

Wir trafen uns dort mit Elvira Wladimirowna, die uns mehr als 2 h in ausgezeichnetem Deutsch durch ihre Stadt begleitete. Wir merkten sehr schnell, daß sie ihre Heimatstadt tief ins Herz geschlossen hat. Sie betonte auch, daß sie in Gorki aufgewachsen ist und eher nicht glücklich über deren Rückbenennung ist.

Elvira führt uns in die Geschichte Novgorods ein, die um 1221 begann. In wenigen Jahren wird hier also ein runder „Geburtstag“ gefeiert! Elvira fordert uns auf: „Bitte merken Sie sich das Jahr 1221!“ Übrigens, die Geschichte des Kölner Doms begann ebenfalls ungefähr in dieser Zeit.

Apropos feiern. Bevor wir den mächtigen Kreml besichtigen, umwandern wir eine riesige Baustelle auf der Straße und den Platz davor, die auf das „Public Viewing“ für die bald stattfindende FIFA-WM vorbereitet wird. Das neu errichtete Fußballstadion faßt 40.000 Zuschauerinnen, wird aber wohl kaum die Nachfrage decken oder für alle erschwingliche Tickets anbieten.

Wir hören vom Wirken des Großfürsten Juri II. Wsewolodowitsch, vom Einfluß der Großen Zarin Katarina und des noch größeren Zaren Peter I., den kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Mächtigen in Wladimir, Moskau und anderswo. Bitte fragt eure Lieblings-WWW-Suchmaschine nach mehr Lesestoff über diese beeindruckende Stadt und ihr bekommt Lesestoff für viele viele Stunden.

Vom Kreml aus hatten wir einen 7-Sterne-Blick auf die Mündung der Oka in die Wolga sowie ins Umland.
In der Ferne war die Nachbarstadt Bor zu sehen und Elvira empfahl, unbedingt mit der Seilbahn über die Wolga dorthin zu fahren. Machten wir also. 2,5 km Promenade hoch über der Wolga bis zur Station und los.

Aber erst ein kleiner Bummel über die Shopping-Mall „Pokrowskaja“, die sich durchaus mit der Moskauer „Arpatskaja“ messen kann einschl. Kaffepause im Marktgetümmel.

Die 3661 m lange Gondelbahn beginnt in Nischni Nowgorod am Hochufer der Wolga in unmittelbarer Nähe einer Busstation. Sie überquert zunächst mit zwei Stützen den Grebnoy Kanal. Von dort steigt sie über einen Seitenarm der Wolga hinweg zur ersten von zwei 82 m hohen Stützen, die auf vier mächtigen Betonfundamenten auf einer oft überfluteten Insel steht. Von dort schwebt sie in einem 900 m langen Spannfeld über den Hauptstrom zu der zweiten hohen Stütze auf dem anderen Ufer. Anschließend überqueren die Gondeln noch die etwa 1,6 km weiten Flussauen bis zu der am Stadtrand an einer der großen Straßen der Stadt liegenden Station Bor.“ (Wikipedia).
Zurück ist es genau so schön und kostet auch nur 100 Rubel pro Nase.

Den Weg zum Hotel zurück rumpeln wir entspannt mit dem 90er Bus und steigen am „Moskauer Bahnhof“ aus.
Das war ein wunderschöner Tag!

Beim leckeren Abendessen im „Afrika“ (da war es gestern schon schön) verabschieden wir uns von Sascha (Danke für die engagierte Begleitung in den zurückliegenden Wochen!) mit einem kleinen „Survival“-Päckchen und begrüßen Oliver, der uns ab morgen versuchen wird beizubringen, wo es lang geht. 🙂

Bilderbuch auf:

Gedanken eines Mitradlers: Хотят ли русские войны?

Tag des Sieges / der Befreiung / der Kapitulation …

Unsere heutige Etappe findet an einem der wichtigsten Feiertage Russlands statt.

Im Blog waren ja einige Infos über die Feiertagsvorbereitungen, die wir beim Radeln beobachteten, notiert.
Wenn man(n) tagelang stundenlang zig Kilometer auf dem Fahrrad von Ort zu Ort strampelt, wälzt man(n) unweigerlich viele Gedanken im Kopf. Die vielen mal großen mal kleinen Gedenkstätten an die Toten aus der Zeit des Überfalls der deutschen Wehrmacht und SS-Einheiten auf die UdSSR am Weg haben da, zumindest bei mir, großen Raum eingenommen.

Wikipedia schreibt:
„Der 8. Mai ist als Tag der Befreiung in verschiedenen europäischen Ländern ein Gedenktag, an dem der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht und damit des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa und der Befreiung vom Nationalsozialismus gedacht wird.“
Das ist also der Tag aus der Sicht des Agressors, der dann halt besiegt wurde und kapituliert hatte.

Die Völker Europas, einschließlich Deutschlands waren damals nicht selbst in der Lage (oder bereit), sich von der Naziherrschaft zu befreien. Sie waren auf Hilfe von den alliierten Armeen aus der Sowjetunion, den USA, Englands und Frankreichs angewiesen.
Für die meisten Menschen in den Ländern Europas war der Tag also in der Tat ein Tag der Befreiung.

In den Niederlanden wird der Bevrijdingsdag am 5. Mai begangen.
Auch in anderen Staaten wird der Jahrestag des Kriegsendes als Feiertag begangen, so in Frankreich, Tschechien und der Slowakei.
In der DDR war er von 1950 bis 1967 und im Jahr 1985 (40. Jahrestag) sogar gesetzlicher Feiertag.

In der offiziellen BRD ist er nach wie vor der Tag der Kapitulation. Je nach geschichtlichem Bezug und historischer Sichtweise eben …
Frankfurter Rundschau / Zeit-Online u.a. gestern:
Was geschah am … Kalenderblatt 2018: 8. Mai

1945 – Mit der Kapitulation des Deutschen Reiches geht der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende.
(http://www.fr.de/panorama/kalenderblatt/was-geschah-am-kalenderblatt-2018-8-mai-a-1501862)

Immerhin bezeichnete der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges den 8. Mai als „Tag der Befreiung […] von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“.

Sein späterer Nachfolger Pfarrer Gauck, der unentwegt von und über Freiheit referierte, schaffte es in seiner gesamten Amtszeit nicht einmal, einen Besuch im heutigen Russland in seinen Terminkalender aufzunehmen. Ich nenn sowas zumindest schäbig.
Die Kanzlerin reiste 2015 erst Tage nach den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag nach Moskau.
Weiß jemand, ob F.-W. Steinmeier als Präsident schon mal da war?

Viele viele Familien in Russland beklagen noch heute tote Angehörige durch den von Hitlerdeutschland angezettelten Krieg und Westeuropa unterstellt heute dem Land, eine wachsende Kriegsgefahr zu sein?
Uns ist die Begegnung mit Katarina Aleksandrowna beim Stop in dem Dorf, in dem sie heute lebt, noch allgegenwärtig.
Sie wünscht sich niemals einen neuen Krieg. Da bin ich ganz sicher.

Heute gibt es schätzungsweise 25 russische Militärstützpunkte in neun ehemaligen Sowjetrepubliken. Zumindest einen dürfte es in Syrien geben.
Die USA betreiben mehr als 1000 Militärstützpunkte weltweit. Ist die Welt dadurch sicherer geworden, gibt es weniger Kriegsgebiete und wer bitte bedroht dann folglich wen?

Mit Sanktionen, Embargos und NATO-Waffen an den Grenzen zu Russland wird es niemals möglich sein, gegenseitiges Vertrauen zu schaffen und dauerhaft den Frieden zu bewahren.
Unsere Radtour ist hoffentlich ein, wenn auch ganz kleiner Beitrag zu zeigen, das keine deutschen Panzer nötig sind, um gen Russland zu fahren. Sich bei Radelpausen zu begegnen, miteinander zu sprechen, zu fachsimpeln, sich ohne fundierte Sprachkenntnisse zu verstehen ist allemal der bessere Weg. Für uns alle!

Viele Plakate und Transparente gibt es anläßlich des Feiertags. Gestern Morgen sah ich im vorbeiradeln eins mit den Worten: „Danke Väter für den Sieg“.

Ich denke, auch wir sollten jedes Jahr den Befreiern Danke sagen oder gibt es wirklich einen Grund, das zu verweigern?

Mir fielen für den heutigen Feiertag die nachfolgenden Verse eines bekannten sowjetischen Dichters ein.

Jewgeni Jewtuschenko

Meinst du, die Russen wollen Krieg?

Meinst du, die Russem wollen Krieg?
Befrag die Stille, die da schwieg
im weiten Feld, im Pappelhain,
Befrag die Birken an dem Rain.
Dort, wo er liegt in seinem Grab,
den russischen Soldaten frag!
Sein Sohn dir drauf Antwort gibt:

Meinst du, die Russen woll’n,
meinst du, die Russen woll’n,
meinst du, die Russen wollen Krieg?

Nicht nur fürs eig’ne Vaterland
fiel der Soldat im Weltenbrand.
Nein, daß auf Erden jedermann
in Ruhe schlafen gehen kann.
Holt euch bei jenem Kämpfer Rat,
der siegend an die Elbe trat,
was tief in unsren Herzen blieb:

Meinst du, die Russen woll’n,
meinst du, die Russen woll’n,
meinst du, die Russen wollen Krieg?

Der Kampf hat uns nicht schwach gesehn,
doch nie mehr möge es geschehn,
daß Menschenblut, so rot und heiß,
der bitt’ren Erde werd‘ zum Preis.
Frag Mütter, die seit damals grau,
befrag doch bitte meine Frau.
Die Antwort in der Frage liegt:

Meinst du, die Russen woll’n,
meinst du, die Russen woll’n,
meinst du, die Russen wollen Krieg?

Es weiß, wer schmiedet und wer webt,
es weiß, wer ackert und wer sät –
ein jedes Volk die Wahrheit sieht:

Meinst du, die Russen woll’n,
meinst du, die Russen woll’n,
meinst du, die Russen wollen Krieg?
(1961)
Hier der russische Text:

Хотят ли русские войны?

Хотят ли русские войны?
Спросите вы у тишины
Над ширью пашен и полей,
И у берёз и тополей.
Спросите вы у тех солдат,
Что под берёзами лежат,
И вам ответят их сыны –

Хотят ли русские,
Хотят ли русские,
Хотят ли русские войны!

Не только за свою страну
Они погибли в ту войну,
А чтобы люди всей земли
Спокойно ночью спать могли.
Спросите тех, кто воевал,
Кто вас на Эльбе обнимал,-
Мы этой памяти верны.

Хотят ли русские,
Хотят ли русские,
Хотят ли русские войны!

Да, мы умеем воевать,
Но не хотим, чтобы опять
Солдаты падали в бою
На землю горькую свою.
Спросите вы у матерей,
Спросите у жены моей,
И вы тогда понять должны –

Хотят ли русские,
Хотят ли русские,
Хотят ли русские войны!

…Поймёт и докер, и рыбак,
Поймёт рабочий и батрак,
Поймёт народ любой страны –

Хотят ли русские,
Хотят ли русские,
Хотят ли русские войны!

Евгений Евтушенко
(1961 г.)

[Dieser Blog-Eintrag wurde kurz nach der Veröffentlichung gelöscht und es konnte nicht geklärt werden, warum und von wem. Ich veröffentliche ihn hiermit neu, aber unter der Kategorie „Mitradler …“ und hoffe, er wird nicht erneut Opfer einer ungeklärten „Zensur“. pf 28.5.2018]

Abkürzung mit Zeitverlust, Erlebnispiste M9, bisher am besten gesicherte Unterkunft

138 km von Rschew nach Schtscherbinki, sonnig aber windig (und fast immer nur von vorn …)

Unsere heutige Etappe findet an einem der wichtigsten Feiertage Russlands statt, dem Tag des Sieges.
Dazu schreib ich aber noch extra was.

Schon in den zurückliegenden Tagen beobachteten wir, daß in vielen Orten die Gedenkstätten an den Sieg über die militärischen Aggressoren aus dem faschistischen Deutschland im 2. Weltkrieg für diesen Tag vorbereitet wurden. Viele Menschen waren am Putzen, Harken, Blumen pflanzen und Kränze platzieren.
Im Blog gab es bereits Infos dazu.

Wir haben ein langes Stück Weg vor uns und starten schon kurz nach 8 Uhr. Rschew wacht langsam auf und wir können ahnen, wo sich die Menschen zum Feiern treffen werden. Wir radeln an einer kleinen Ausstellung nicht mehr ganz neuer, aber sicher sehr bewährter Raketenwaffen vorbei und überqueren zum ersten Mal die Wolga, die hier noch relativ schmal das Land durchfließt.

Das Navi schlägt eine Abkürzung auf dem Weg zur Autobahn M9 vor, der wir vertrauen. Der letzte Kilometer gleicht leider einer Seenplatte und wir legen mindestens 30 Minuten Reisezeit drauf. Am Abend ordnen wir das missliche Stück jedoch schon als Abenteuererlebnis ein.

Die 81 km auf der M9 bei echt lästigem Gegenwind bringen eine weitere längere Erfahrung, wie Verkehr auf Russlands Fernstraßen rollt. Fahrradfahrer- und -innen sind unbekannt und werden schlicht ignoriert.
Ich trage ja seit Novgorod eine leuchtend rote Warnweste, aber die scheint nicht viel zu bewirken und wenn, dann offenbar als Leuchtpunkt zur besseren Zielaufklärung.
Brummis, die mit 50 cm Abstand überholen, Ego-Raser am Steuer neuer und möglichst großer westeuropäischer Spritschleudern, die einem beim Überholen auf der eigenen Fahrspur direkt entgegenheizen und auch nicht viel mehr als 1 m Abstand zum Radler halten. 110 km/h sind das Limit, doch daran halten sich wohl nur die Ladas aus dem vorigen Jahrtausend.

Wir sind alle gesund am Tagesziel angekommen, uff.

Unterwegs liegen große und kleine Orte, in denen die Menschen den sonnigen Feiertag genießen.
Stefan konnte bei seiner Mittagspause in einem Café am TV ein wenig von der Parade in Moskau sehen, zusammen mit vielen anderen Gästen im Lokal.

DSC03491

Die Straße hier nach rechts führt weiter nach Wolokolamsk. Stefan war allein dorthin gefahren. Das „Hauptfeld“ bog hier Richtung Schtscherbinki auf eine ruhigere Straße ab.

Im „Reiseverlauf“ steht für diesen 39. Tag:
„Wir nähern uns der russischen Hauptstadt und erreichen einen Ort, den Moskau schon in seinen Straßen benennt. Die deutschen Truppen sind hier stecken geblieben und in der DDR wurde die Wolokolamsker Chaussee durch Heiner Müller berühmt und Sinnbild für die Stagnation revolutionärer Gedanken. Für die Russen freilich ist es „nur ein Vorort“ von Moskau.“

Das erinnerte mich an den folgenden Text:
An der Wolokolamsker Chaussee
(Danke Astrid für die Recherche)

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Worte: Helmut Kontauts / Weise: Helmut Kontauts / Kategorie: Singebewegung

Es lagen junge Soldaten an der Wolokolamsker Chaussee,
und manch einer hat da gezittert, nicht nur von der Kälte im Schnee.
Der Feind rückte näher und näher, es war ihre erste Schlacht.
Der Kommandeur ging von einem zum andern und hat ihnen Mut gemacht.

In den Kampf ziehen wir nicht um zu sterben.
Nur der Tod der Feinde ist gerecht.
Wer das Leben bedroht, der zieht in den Tod.
Das Leben schickt uns ins Gefecht.

Die Furcht, die wurde nicht kleiner, und da hat voller Zorn er geflucht,
ging wieder von einem zum andern und hat zu erklären versucht:
Durch die Steppe in Sonne und Regen hat euch oft mein Befehl gejagt,
damit ihr auch in den schwersten Minuten die Härten des Krieges vertragt.

Der Feind brach in ihre Reihen, da hat sie der Hass übermannt,
der machte sie ruhig und sicher und hat alle Ängste gebannt.
Sie waren marschiert durch den Regen, kannten Schweiß in der Sonnenglut,
und Schweiß und Hass und die Liebe zum Leben, das wurde ihr Heldenmut.
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Hier das Lied auf Youtube

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Viktor schenkte mir diese Glückwunschkarte mit der von vielen zum Feiertag getragenen Schleife und 10 Liedern dazu. Ich möchte dieses Geschenk mit euch teilen.

Spät abends erreichen wir unsere heutige Unterkunft. Ein nettes Häuschen im Wald, davor Wachposten an einem Schlagbaum und 500 m weiter an einem hohen eisernen Tor.
Privatgelände. Die attraktiven Blockhäuser gegenüber stehen z.T. erst seit 3 Jahren. Davor parken Daimler-SUVs …

Wir haben hier keinen Internet-Zugang. Der Blog wird also erst 1-2 Tage später veröffentlicht werden.
Danke für eure Geduld. 😉


Bilderbuch am Ruhetag in Вели́кий Но́вгород (34. Reisetag)

5 km Stadtbesichtigung zu Fuß, Aprilwetter, kleine Radelwäsche und entspannen

Wir reisen weiter auf den Spuren der über tausendjährigen Geschichte Russlands. Am heutigen „Ruhetag“ erfahren wir mehr über die „Bedeutende Neustadt“, wie man(n) den Namen Weliki Nowgorod (Вели́кий Но́вгород) wörtlich übersetzen könnte. Sie ist eine der ältesten Städte Russlands und feierte im September 2009 ihr 1150-jähriges Bestehen. Sie liegt etwa 180 km südsüdöstlich von Sankt Petersburg am Fluss Wolchow nördlich des Ilmensees (Ильмень Озеро). Schon im Mittelalter war Nowgorod Hauptstadt einer einflussreichen Handelsrepublik und wichtiger Mittler zwischen der Rus und den westlich gelegenen Ländern. Später wurde sie Teil des zentralisierten russischen Reichs.

Nowgorods architektonisches Erbe ist seit 1992 UNESCO-Weltkulturerbe.

Um 11 Uhr treffen wir Marina, die uns auf einem Stadtrundgang begleitet. Leider trifft der Wetterbericht voll zu – Sonnenschein und kurze Regenschauer wechseln sich ab.

Stefan war derweil mit dem Rad zum Ilmensee unterwegs. Südöstlich dieses Sees hatte z.B. die Rote Armee während des Zweiten Weltkriegs nach dem Überfall der deutschen Aggressoren auf die Sowjetunion im Kessel von Demjansk seit Anfang 1942 etwa 100.000 Wehrmachtssoldaten fast ein Jahr lang eingeschlossen.

Wir beginnen unseren Rundgang am Kreml und Marina erzählt von den Anfängen der Ansiedlung, aus der in kurzer Zeit ein bedeutender Handelsplatz wurde, in dem zeitweise 40.000 Einwohner lebten. Da war an Moskau oder gar St. Petersburg noch gar nicht zu denken. Später verlagerten sich die Machtinteressen in Richtung Kiewer Rus. Die Stadt wurde auch oft Opfer kriegerischer Konflikte. Iwan der Schreckliche, aber auch Aleksander Newski drückten ihre Machtstempel auf. 1942 besetzte die deutsche Wehrmacht zusammen mit verbündeten spanischen Truppen Stadt und Umgebung. Noch immer werden Gebeine damals getöteter Soldaten gefunden und auf den örtlichen Soldatenfriedhöfen begraben oder „nach Hause“ zurückgeführt.

Die Nowgoroder überstanden alle Kriege – sagt Marina – insbesondere durch ihren festen Glauben und die Hilfe der kleinen Taube auf der Spitze der Sophienkathedrale, der nun ältesten in ganz Russland seit Kiew nicht mehr dazugehört. Das im zweiten Weltkrieg verlorengegangene Original ihres Kuppelkreuzes wurde vor wenigen Jahren in Spanien wiederentdeckt und zurückgebracht. Im Inneren der Kathedrale verehren die Gläubigen eine sehr alte Ikone, die in einer entscheidenden Schlacht die Stadt gerettet haben soll.

Marina erzählte spannende Geschichten angesichts der berühmten Bronzetüren, die zwischen 1152 und 1156 in Magdeburg gegossen worden waren. Gespannt hörten wir auch zu, als sie einige Details des Nationaldenkmals Tausend Jahre Russland näher erläuterte. Ein spannendes Zeugnis der Geschichte, geschaffen von dem erst 24jährigen Künstler Michail Ossipowitsch Mikeschin, der eine 1859 erfolgte Ausschreibung gegen 40 Bildhauer und Architekten gewonnen hatte.

Auf der anderen Seite des Flusses zeigte Marina uns den „Kirchenbusch“, eine Vielzahl kleiner Kirchen auf engstem Raum und wir schlossen den Rundgang mit der Geschichte des Hanse-Bundes ab. Nowgorod ist dessen östlichste Stadt. Wir wohnen übrigens standesgemäß im Hotel „Ganse“, Teil eines Komplexes, der einst für Katharina die Große gebaut wurde.

Heute leben in der Stadt ca. 220.000 Menschen.

Wow, was für eine geballte Ladung Geschichte. Ich hör mal hier auf zu schwärmen, um den Blog nicht zu sprengen. Wer mehr Lesestoff sucht, findet allein im „WWW“ unerschöpflich viel . Bei Wikipedia sind z.B. 17 A4-Seiten zum Nachlesen gespeichert.

Zur Entspannung gönnten wir uns eine Terrine Borschtsch sowie einen Kaffee mit anschließendem Bummel durchs „Univermag“. Das Kaufhaus hat alle westeuropäischen Marken im Regal mit analogen Preisen dazu. Darum war es wohl auch so ruhig auf den 4 Etagen.

Zwischendurch blieb uns Zeit zum Radelwäschewaschen, damit die wärmeren Stücke relativ sauber ins Archiv verlagert werden können. Der Frühling wird sich doch nun nicht mehr die Regentschaft abnehmen lassen und wir können weiter kurzärmlig und -hosig radeln, oder?

Nun aber endlich die Fotos:


… und hier noch der „Stadtrundgangstrack“:

Abschied, Grenzannäherung, Begrüßung

63 km von Tartu nach Räpina, bewölkt, sonnig, heftige Platzregenschauer mit Graupel

Wir müssen heute nicht sehr früh los, denn bis Räpina ist es nicht weit, verglichen mit anderen Tagen.
Bleibt also noch Zeit für einen kurzen Abstecher in Tartus Altstadt. Nett, liebevoll restauriert und gepflegt, sehenswert. Nach einer Stunde hat man(n) den Eindruck, fast alles gesehen zu haben.

Kurz nach 11 Uhr verabschieden wir uns von Tartu und von Volker, dem Initiator und Cheforganisator dieser einmaligen Tour.
Ich schreib es nochmal, auch wenn ich es schon mehrmals gesagt habe: Die Idee wurde zur materiellen Gewalt und beginnt, die Massen zu ergreifen, hätte K.M. dazu angemerkt und ich schließ mich ihm an.
Danke Volker für die Beharrlichkeit und Energie, diese Tour auf die Reise zu schicken und sie Tag für Tag fast 2000 km für und mit uns zu begleiten.

Wir radeln wie empfohlen die „45“ bis Räpina durch und hätte nicht 8 km vorm Hotel die dunkelschwarze Wolke über uns schlagartig alle Schleusen geöffnet, wären wir um 16 Uhr schon am Ziel gewesen. Ein Buswartehäuschen und Allus (hoffentlich schreib ich den Namen richtig) unser guter Geist am Lenkrad des Busses helfen uns, die 20 Minuten radelunfreundliche Wetterlage trocken abzuwarten.

Irgendwo unterwegs müßten – sollten – könnten wir die 2000 km – Marke überquert haben. Unsere Messungen stimmen da leider nicht ganz überein. Ich bin z.B. laut meinem „Mini GPS“ erst bei Total Distance = 1,932.26 km. Naja, ist ja auch knapp dran.

Für die Blog-Leser- und -innen ostseits der Elbe: Erkennt ihr eine Ladenkette von früher wieder?

Abends im Hotel treffen wir Sascha, der nun unser Guide sein wird und als ersten „Höhepunkt“ morgen mit uns den Grenzübergang von der Embargo-EU nach Russland organisieren muß.

Sollte auch ab morgen die Internetverfügbarkeit so gut und problemlos sein wie in den vorangegangenen 4 Wochen, dann berichten wir hier wie gewohnt „live“ und tagesaktuell.
Lassen wir uns also überraschen oder „posmotrim“. 😉

Hier noch bunte Bilder vom Tag:


96000 Meter A3 (E264) nach Estland

115 km von Sigulda nach Valka(LV)/Valga(EST), Wolken, Regentropfen, Sonne, z.T. kräftiger Rückenwind

Der Radeltag beginnt gewohnt kühl mit vielen Wolken und der Option, betröppelt zu werden.
Die ersten 14 km rollt es nebenstraßenbeschaulich und anfangs steil bergab ins Tal des Flusses Gauja.
Wir radeln nach Stefans mehrfacher Empfehlung den Nebenweg zur Gutman-Höhle, der größten Höhle des Baltikums und nehmen dafür sogar alle einen sog. „Drecksweg“ in Kauf, den Mifa-Rad und Stefan sonst eigentlich gar nicht mögen.
Karin freut sich dafür, hier noch mehr über die Legende der Rose von Turaida zu erfahren.
Zurück auf der Straße strampeln wir über eine 11%-Rampe aus dem Tal wieder nach oben vorbai am Ort Tureida in die normale Reisewelt.

Dann die Frage ans Navi: Wo bitte geht es hier nach Estland? – Nach 20 Metern rechts auf die A3 abbiegen und dieser 96 km folgen bis Valga.
(Im wesentlichen immer gerade aus, aber kleine Kurven bitte nicht ignorieren.)

OK.

Ich mag ja eigentlich die A3 überhaupt nicht, insbesondere das stets verstopfte Stück zwischen dem Frankfurter Kreuz und der Raststätte Weißkirchen. Aber es gibt heute wirklich keine akzeptable Alternative und außerdem pustet ein erstklassiger Rückenwind!

Die A3 ist hier in Lettland übrigens nur einspurig in jede Richtung, d.h. die Brummis müssen sich die Fahrbahn mit uns teilen. Wir sind da sehr tolerant und die meisten Brummi-, SUV- und sonstigen Rennpiloten zum Glück auch.
Eine unfaßbare Besonderheit hat die A3 hier in Lettland aber: Es gab nicht eine Baustelle!

Wir kommen teilweise mit 25-30 km/h voran! Auf abschüssiger Straße mit 30-40 Sachen!!
Dennoch bleibt angesichts der in der Perspektive am Horizont nur 1 cm breiten Piste unendlich viel Zeit über irgendwas nachzudenken oder die Natur zu beobachten.

Nachdenken: Viele A3-Abschnitte wurden mit finanzieller Unterstützung der EU saniert. Hoffentlich haben auch die (noch) in Lettland lebenden und (hoffentlich) Arbeit habenden Menschen bald was davon. Seit der Unabhängigkeit sind Hunderttausende, vor allem junge Leute ausgewandert …

Beobachten: Lange lange Waldstücke, vor allem mit Birken. Kleine weit auseinanderliegende Bauernhöfe, aber jeder mit eigener Bushaltestelle. Phantastische Wolkenmassive und -Bewegungen von tiefdunkel bis strahlendweiß.

Zuletzt freundlicher Sonnenschein zum Empfang am Grenzübergang.

 

Wir haben Estland erreicht, relaxen und schlemmen am Abend im netten Hotel Metsis.