Unsere Fahrer – Viktor Tsyuplyak

Fahrer des Begleitfahrzeugs durch ganz Russland

Hallo, ich heiße Viktor und begleite die Radgruppe mit meinem Mercedesbus durch ganz Russland. Ich wohne mit meiner Familie in Moskau. Meine Frau und ich stammen ursprünglich aus Rowno in der West-Ukraine, daher spreche ich nicht nur Russisch, sondern auch Ukrainisch und ein paar Worte Deutsch. Ich hoffe es werden im Laufe unserer spannenden Reise durch mein Land noch ein paar mehr dazu kommen. Schön, dass Peter, aber auch Stefan noch so viel Russisch aus ihrer Schulzeit parat haben.

An der Reise reizt besonders das weite Land hinter dem Ural, welches ich bisher auch nur aus Berichten kenne. Zudem war ich sehr gespannt wie die Leute aussehen, die solche eine „verrückte Reise“ unternehmen, obwohl sie nicht mehr die Jüngsten sind. Für dieses spannende Projekt habe ich mir deshalb von meiner Arbeit beim Moskauer U-Bahnbau eine längere Auszeit genommen.
P1080648

Geldwechsel in der Bank nur bei gleichzeitigem Abschluss einer Versicherung

80 km von Solzy nach Weliki Novgorod bei gutem Wetter

Nach dem Frühstück in bewährten Sitzgruppen haben wir uns zu unserem ersten Novgorod aufgemacht – dem Großen Novgorod. Das zweite, „niedrige“ , liegt an der Wolga und wir erreichen es -so der Plan- erst in gut zwei Wochen. Die Fahrt lief zügig und störungsfrei über die gut ausgebaute R 56. Aufhalten ließen wir uns nur durch einen der vielen Trupps, die dieser Tage die unzähligen Gedenkstätten des „Großen Vaterländischen Krieges“ für das Fest am 9. Mai flott machen und von einer der nicht so häufigen Raststätten. Diese hatte so massiv geworben, dass wir trotz reichlich Proviant nicht vorbeifahren wollten. Einer Radlergruppe aus St. Petersburg ging es genauso so, was schnell zu freundschaftlichem Fachsimpeln mit geringem Fachwortschatz und gegenseitigem Bestaunen der mitgeführten Ausrüstung führte.

In Weliki Nowgorod, einer uralten Handelsstadt, durfte ich erfahren, dass die heutigen Händler auch Geschäftssinn haben. So hätte ich heute in der Bank nur Geldwechseln können, wenn ich gleichzeitig eine Versicherung abschließe. Trotz mehrfacher Nachfragen stellte es sich nicht als Scherz heraus, stattdessen wurden mir Versicherugspakete für Hausrat, Familie oder Rechtsschutz vorgelegt, die äußerlich an Spielfilm-CDs erinnerten. Letztlich durfte ich aus Kulanz 200 € unversichert wechseln.


Vom Frühstücksformular zur Radler-WG

Von Pskov nach Solzy 137 km, schönes Wetter und leichter Rückenwind

Sieben Uhr Frühstück und 8 Uhr losfahren – war der Plan zur Bewältigung der heutigen 137-km-Etappe. Doch das Frühstücksbuffet öffnet erst ab 8 Uhr. „Wir können ein individuelles Frühstück für 7 Uhr zusammenstellen“- so lautete das Angebot der serviceorientierten Empfangschefin. Als  dann aber gestern Abend jedem einzeln ein umfangreiches Formular zum detaillierten Erfassen seines individuellen Frühstückswunsches vorgelegt wurde waren wir uns schnell einig den Start doch etwas nach hinten zu verschieben.

Gut gefrühstückt erreichten wir wenige Kilometer hinter Pskov praktisch eine Fahrradstraße, auf der es über eine Strecke von knapp 80 km keinen Autoverkehr gab. In Dörfern die wir querten arbeitete man noch mit Kurbelbrunnen und wir wurden vor mehr Storchenpaaren als menschlichen Bewohnern beäugt. Manche Straßenabschnitte hatten einen perfekten Asphaltbelag, sehr viel mehr aber seit bestimmt 30 Jahren keinen Besuch einer Teerwalze mehr gehabt, wieder andere hatten diese Bekanntschaft noch nie gemacht.

Die letzten 45 km auf einer neuen Hauptstraße konnten wir mit Rückenwind schnell bewältigen, so dass alle kurz nach 18 Uhr – gut gelaunt und entspannt ob des geringen Verkehrs und der schönen Landschaft – in Solzy ankamen.

„Ein Restaurant oder eine Kneipe gibt es Solzy nicht!“ verkündete die ältere Dame, die uns aus einem Kabuff im Eingangsbereich unseres heutigen eher einfachen Übernachtungssetablissements in Empfang nahm. Aber darauf waren wir vorbereitet. Viktor hatte kurz vorher kaltes Bier für den traditionellen Ankommensumtrunk besorgt.

Auch die Essensfrage hatten wir schon im Blick und in der Kochnische ließ sich was machen. Wenig später saßen wir alle fünf bei bester Stimmung wie in alten WG-Zeiten auf Sesseln vor unseren Pelmeni in Smetana-Soße mit Salat und Brot bei einem kühlen Bier.


Kreml, Kommandantenstimme und KPRF

Ruhetag in Pskov

Heute haben wir uns einen Tag Ruhe und Kultur gegönnt. Um 11 Uhr hat uns Natalia für eine historische Stadtführung in Empfang genommen. Doch als sie gerade begann sich vor dem Hotel über den Baustil der gegenüber liegenden Kirche warm zu reden, tat es einen satten Knall. Stefan hatte die automatische Glastür unseres Hotels übersehen. Den nun folgenden Ausführungen über die neue Hanse und die Funktion der vielen Kirchen als frühe Form von Geldinstitut, konnte er nur sehr benommen folgen. Doch dank des vom Hotelpagen eilig herbei gebrachten Eisbeutels hat er sich schnell wieder erholt.

Nach reichlich weiteren architektonischen Details und Episoden gelangten wir in den Kreml, die wieder aufgebaute, befestigte Burganlage der Stadt.  Die ist, wie wir hier erfuhren, mindestens ebenso alt wie Isborsk. Natalia war allerdings nicht mehr so gut zu verstehen, da nebenan eine russische Kindergruppe gerade mit Holzschwertern in mittelalterlicher Kampftechnik trainiert wurde. Der Tonfall des Trainers erinnerten unseren Fahrer Viktor an seine Militärzeit in den späten 80er Jahren. „Der hat eine echte Kommandantenstimme“ , flüsterte er mir am Rande zu.

Kurze Zeit später verabschiedeten wir uns von der jungen Pskoverin, die ihre Stadt mit so großer  Begeisterung vorgestellt hatte und jeder ging seiner Wege in den „freien Nachmittag.“ Stefan hatte sich schon etwas vorher zum  1. Mai-Umzug aufgemacht, der von der KPRF, einer der beiden kommunistischen Parteien in Russland, organisiert war. Hier dominierten deutlich jene, die ihr Arbeitsleben noch komplett  in der Sowjetunion verbracht haben. Karin und Peter bevorzugten die jüngere Generation und gingen zu einem Stadtteilfest für Familien.


Von der ältesten Festung Russlands über die Errungenschaften der Sowjetunion zum Luxus des modernen Russlands

37 km von Starij Isborsk nach Pskov, ein sonniger Tag

Zum Frühstück wurden wir in unserem Stammlokal von der gleichen Dame erwartet, die uns gestern nach unserem üppigen Mahl verabschiedete. Wir alle haben automatisch den gleichen Platz wieder eingenommen, den wir keine 10 Stunden vorher verlassen hatten.

Beim Verabschieden aus der Lokalität wurden wir als treue Stammkunden prompt gebeten im Eingangsbereich des Restaurants die Decke mit einem Edding zu signieren. Anschließend haben wir die älteste russischen Festung besichtigt.

Wenn man es genau nimmt ist von der seinerzeit aus Holz gebauten Befestigung nichts mehr übrig, und auch der jetzige Bau aus dem 13. Jahrhundert nur noch eine Ruine. Auch gibt es mehrere Orte, die dies von sich behaupten.

Stefan hat sich entschlossen den Schlenker Richtung Pskover See, ein Fortsatz des Peipussees, alleine zu machen. Wir anderen haben den direkten Weg nach Pskov gewählt.

Eigentlich nur gut 30 km und in 1,5 Stunden gut zu machen. Aber dann hat uns Alexander mit seinem historischen Moskwitch und einer riesigen Sowjetflagge abgefangen. Da konnten wir nicht vorbei fahren, sondern haben sein kleines privates Museum der sowjetischen Automobile und Alltagsgegenstände bewundert. Mit ein paar Brocken Deutsch – ein Überbleibsel seiner Militärzeit in der DDR – konnte er Karin zu ihre Heimatstadt Hamburg schmeicheln. Dort hatte er seine Tochter besucht und war vor allem vom Fischmarkt beeindruckt.

Nach einer Durchquerung von Pskow erreichten wir unser direkt im Zentrum oberhalb des Flusses Viliki gelegenes 5 Sterne Hotel mit SPA Bereich- eine der besten Adressen am Platze. Seit 14:00 Uhr wurden wir hier von den adretten Hoteldamen der Rezeption erwartet.

Beim abendlichen Spaziergang durch das historische Zentrum auf der Suche nach dem besten Restaurant präsentierte sich Pskov von seiner besten Seite mit strahlend blauen Himmel.


Unsere Reiseleiter – Sascha Hechler

Auf nach Russland!

Nun ist der Staffelstab der Reiseleitung  an mich übergeben worden. Volker hat die Gruppe bereits heute früh verlassen und ist zurück nach Deutschland gereist. Zeitgleich habe ich mich aus Berlin mit dem Flugzeug nach Tallin aufgemacht und mich mit mehreren Bussen bis in die tiefe estnische Provinz nach Räpina durchgeschlagen.

Ab der russischen Grenze haben wir von biss Aktivreisen die Organisation der Tour übernommen und stellen auch die Reiseleiter bei der knapp dreimonatigen Reise durch das größte Land der Erde. biss Aktivreisen organisiert seit über 30 Jahren Rad-, Wander- und Reitreisen in kleinen Gruppen in Osteuropa und dem nördlichen Asien. Eines unserer Kernländer ist hierbei Russland, wo wir vor allem  Reisen am Baikalsee und auf Kamtschatka anbieten. Eine Tour wie diese haben wir so allerdings auch noch nicht gemacht.

Ich bin einer der Inhaber von biss Aktivreisen und werde knapp drei Wochen mit der Gruppe über Moskau bis Nischnij Nowgorod radeln. Dort wird mein Kollege Oliver Schmidt, der seit vielen Jahren unsere Reisen auf Kamtschatka führt, weiter fahren.

Ich freue mich drauf!
P1080204

In Russland erwarten uns Überraschungen

60 km von Räpina nach Isborsk, weiter als geplant

Heute war eigentlich nur eine kleine Tour geplant – Gut 40 KM Räpina nach Pechory. Aber das liegt nicht mehr im eher verschlafenen Estland, sondern 3 Kilometer hinter der EU-Außengrenze.  Jeder der schon länger in diesen Ländern, die sich hinter dieser Grenze befinden, gereist ist, hat seine Geschichten erlebt und von noch schauerliche Erlebnissen gehört. Normalerweise ist ein Grenzübertritt ja kein Problem, aber wir haben das gesamte Gepäck, inclusive einem Reservefahrrad und mehreren Ersatzteilkisten irgendwie ohne Auto nach Russland zu bringen. Neben der logistischen Trage- und Schiebearbeit, sorgte mich vor allen der russische Zoll, der sich für die teure Ware aus dem Westen interessieren könnte. Die aktuellen politischen Spannungen zwischen EU und Russland verbessern die Situation da auch nicht, waren wir uns alle einig.

Diese Aufgabe haben wir aber dank eines äußerst hilfsbereiten, namenlos gebliebenen, russischen Grenzgängers und ein paar freundlicher Smalltalks mit den gelangweilten Grenz- und Zollpersonal gelöst. Die gute russische Seele scheint es noch zu geben!

Als uns dann noch Viktor mit seinem frisch ausgebauten Mercedes-Bus hinter der Grenze mit Keksen, Schokolade und Tee empfangen hat, war die Anspannung vollkommen abgefallen. Nur noch ins Hotel ein Bier und alles hat / hätte wie am Schnürchen geklappt. Ein perfekter Tag…

Im Hotel angekommen wurde aber unsere Reservierung nicht gefunden und das Hotel war voll. Richtige Aktivität hinter dem Tresen entwickelte sicher aber erst, als ich die Reservierungsmail vorzeigen konnte. Mehr als ein freies Bett konnte aber trotzdem nicht gefunden werden. Eine Stunde und 50 Anrufe später, die die Concierge und Viktor mit allen die im näheren Umgebung führten, irgendwas mit Hotel oder privater Zimmervermietung zu haben könnten oder jemanden kennen, der was wissen könnte, hatten wir schließlich ein Quartier 20 km weiter.

So haben wir uns nochmal aufs Rad geschwungen und sind in Isborsk, mitten auf dem Land im Gasthaus eines Museumsdorfs rund um eine Festung aus dem 13. Jahrhundert gelandet. Den Abend haben wir mit einem guten Essen im entsprechenden Ambiente ausklingen lassen.