90 Tage ostwärts

Das größte Land der Welt war auch für uns eine Herausforderung. Für uns, die Organisatoren und vor allem auch für die Radler und Radlerinnen, die sich auf den weiten Weg nach Osten gemacht haben.

Am Ende war das Fazit: Es hat sehr viel Spaß gemacht in Russland, vor allem Dank der fantastischen Begleitung durch Viktor, den Begleitbusfahrer.

Russland, jederzeit wieder!

Gedanken eines Mitradlers im Rückblick auf …chosen und frühere Wege (Landwirtschaft am Radreise-Weg)

Seit dem 29. April waren wir auf den Straßen durch die Russische Föderation und kleine autonome Republiken dieses riesigen Landes unterwegs. Damals in Staroje Isborsk, kurz vor Pskow waren wir fast bei Reisekilometer 2000. Heute sind wir ungefähr beim Kilometer 9300.
Etwa ein Vierteljahr erleben wir nun, wie es neben den Straßen grünt und blüht.
Wir haben gesehen, wie die Felder nach dem Winter gepflügt, besät und bepflanzt wurden, wir haben beobachtet, wie die Halme wuchsen und sahen wogende Felder in riesigen Dimensionen. Die Ernte werden wir hier aber nicht mehr mitbekommen. Erst recht jetzt im Steppengebiet kurz vor der Mongolei, denn hier sehen wir vor allem große und kleine Viehherden.

Zeit also, sich rückblickend über die Landwirtschaft Russlands Gedanken zu machen.

In der Sowjetunion gab es ja insbesondere 2 landwirtschaftliche Organisationsformen, im deutschen gern Kolchosen und (seltener) Sowchosen genannt.

Der Kolchos (колхоз = коллективное хозяйство / Kollektivwirtschaft), war ein landwirtschaftlicher Großbetrieb, der genossenschaftlich organisiert war und dessen Bewirtschaftung durch das „sozialistische Kollektiv“ der Mitglieder erfolgte.
Die ersten Kolchosen entstanden nach der Oktoberrevolution 1917 auf freiwilliger Basis, ab etwa 1929 wurden es Zwangskollektive der bäuerlichen Einzelwirtschaften. Juristisch standen sie unter kollektiver Selbstverwaltung.
Die Mitglieder eines Kolchos waren formal auch gemeinsame Eigentümer der Produktionsmittel, nicht aber des Bodens, der dem Staat gehörte. Es dominierte eine starke staatliche Einflussnahme durch die i.d.R. von der Kommunistischen Partei eingesetzte Kolchosleitung. Den Kolchosen wurde jeweils ein Produktionssoll auferlegt, das sie zu staatlich festgesetzten Preisen abzuliefern hatten.

Der Gegenpart zum kollektiven Landwirtschaftsbetrieb (Kolchos) war der staatliche Landwirtschaftsbetrieb (Sowchos). Ein Sowchos (совхоз, советское хозяйство / Sowjetwirtschaft) war ebenfalls ein landwirtschaftlicher Großbetrieb.

Im Gegensatz zu den kollektiv bewirtschafteten Kolchosen war ein Sowchos im Staatsbesitz mit angestellten Lohnarbeitern. Ursprünglich wurden sie seit 1919 aus staatlichen und privaten landwirtschaftlichen Gütern gebildet, um den Bauern die Vorzüge der gemeinschaftlichen Wirtschaft zu demonstrieren. Später waren sie meist spezialisierte Betriebe, die Saatgut und Zuchtvieh an die Kolchosen lieferten. Häufig wurden Sowchosen auch in naturräumlich benachteiligten Gebieten errichtet, in denen das Ernterisiko recht hoch war. Die Beschäftigten erhielten in der Regel feste monatliche Löhne. Ab Mitte 1950 nahm die Zahl der Beschäftigten erheblich zu. In den 1970er Jahren produzierten die Sowchosen knapp fünfzig Prozent der agrarischen Gesamtproduktion der UdSSR.

In der DDR entsprachen den Kolchosen die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs), bei denen jedoch auch der Boden Privateigentum war, aber genossenschaftlich genutzt wurde. Die Volkseigenen Güter (VEG) waren hier den Sowchosen vergleichbare Landwirtschaftsbetriebe.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion brachen viele Sowchosen und Kolchose zusammen oder wurden aufgelöst, weil sie wirtschaftlich unrentabel waren und weil die junge Bevölkerung in die Städte floh. Zurück blieben Kulturruinen und Landbrachen von großem Ausmaß.

Wir erinnern uns an riesige bestens bestellte Felder, die unmöglich von Einzelbauern oder kleinen Landwirtschaftsbetrieben „beackert“ werden können. Es gibt also weiterhin große Agrarbetriebe auf jetzt verschiedenen Eigentumsgrundlagen, sogar als Aktiengesellschaften. Wir beobachteten größere und kleinere Tierherden, aber auch individuelle Tierhaltung in den Dörfern und kleinen Städten.

Am Wegesrand sahen wir viele große und kleinere Betriebe, aber auch z.T. stark in die Jahre gekommene Zeitzeugen aus Beton der zurückliegenden Jahrzehnte, zum Einen offenbar nicht mehr genutzte Gebäude und irgendwie passend dazu die Stelen zur Erinnerung an die ehemaligen Kolchosen „Weg Lenins“ / „Weg Ilitschs“ hinter Kalatschinsk und Tulun bzw. „Tschapajew“ (auch hinter Tulun), „Weg des Kommunismus“ hinter Nischneudinsk (Innas Geburtsstadt) sowie an den Sowchos „Lekarstwenuij“ hinter Novosibirsk und zuletzt „Erdem“ („Tugend“ oder „Anstand“) kurz vor Kjachta. Siehe Fotos unten.
Mußten / müssen diese Wege nun repariert, renoviert oder / und durch neue ersetzt werden?

Wir konnten leider keine ausführlicheren Gespräche zur heutigen Situation führen, deshalb nachfolgend wenigstens ein Zitat aus
https://de.wikipedia.org/wiki/Russland#Landwirtschaft_und_Rohstoffwirtschaft

„Die Landwirtschaft ist nach wie vor eine wichtige Branche der russischen Wirtschaft. Einst die Kornkammer Europas, erlitt die russische Landwirtschaft in den 1990er-Jahren einen drastischen Einbruch der Agrarproduktion, schon in den 1980er-Jahren war Russland noch der weltweit bedeutendste Weizenimporteur. Der Produktionswert der russischen Landwirtschaft lag 2009 wieder bei umgerechnet 38 Milliarden Euro. Im Jahr 2016 unterstrich Präsident Putin den Willen, eine Agrar-Exportnation zu sein. Von der Rekordernte von 75 Millionen Tonnen Weizen im Jahr 2016 könnten knapp 7 Millionen Tonnen (ähnlich wie 2015) exportiert werden. Für den Transport ist die staatliche Agrar-Transportbehörde Rusagrotrans zuständig. Der Wert der exportierten Landwirtschaftsgüter lag 2016 bei 17 Milliarden Dollar.
Die Bedingungen für die Landwirtschaft sind vor allem im europäischen Teil Russlands sowie in Südrussland gut, das russische Schwarzerdegebiet ist das größte der Welt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt 219 Millionen Hektar, das sind 13 Prozent der Landfläche Russlands. Davon sind 122 Millionen Hektar Ackerfläche, was neun Prozent des weltweiten Ackerlandes entspricht. Mehr als 80 Prozent der Saatflächen liegen an der Wolga, im Nordkaukasus, am Ural und in Westsibirien innerhalb des sogenannten Agrardreiecks. Der Ackerbau macht 36 Prozent der landwirtschaftlichen Bruttoerzeugung Russlands aus, die Tierzucht über 60 Prozent.
Die wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Russland sind Getreide, Zuckerrüben, Sonnenblumen, Kartoffeln und Flachs. Die Binnenfischerei liefert mit dem Stör den begehrten russischen Kaviar. In der Transformationsphase zwischen 1990 und 1997 gingen die Schweine- und Geflügelbestände fast um die Hälfte zurück. Russland importierte seitdem einen Teil seiner Nahrungsmittel. Es war schon zuvor, aber insbesondere seit seinen Gegen-Sanktionen gegen den Westen nach der Sezession/Annexion der Krim im Jahr 2014 das Ziel der russischen Regierung, die Fähigkeit zur Eigenversorgung zu steigern und die Importabhängigkeit zu reduzieren.
Der Bestand an Rindern beträgt 12,1 Millionen Tiere, an Schweinen 7 Mio. sowie an Schafen und Ziegen 4,6 Mio. Rinderzucht wird vorwiegend im Wolgagebiet, in Westsibirien und dem europäischen Zentrum betrieben, Schweinezucht findet sich ebenfalls im Wolgagebiet, aber auch in Nordkaukasien und im zentralen Schwarzerdegebiet. Schafzucht weist Schwerpunkte in den Regionen Ostsibirien, Nordkaukasiens und dem Wolgagebiet auf.“

Die „Versorgungslage“ mit landwirtschaftlichen Produkten war, soweit wir es in „Magazins“, „Supermarkets“ usw. sowie in Stolowajas, Kafes und Restaurants erlebt haben, immer gut. In unserem Begleitbus lagen neben Äpfeln und Birnen sogar fast immer auch Bananen für unsere Zwischenstopps bereit.

Landwirtschaftsgalerie auf:

Sommerhitze in Kjachta

114. Reisetag, von Gussinoosersk bis Kjachta, 124 km bei 28°C

Morgens nach dem Frühstück fuhren wir weiter zur russisch-mongolischen Grenze. Die ersten 51 km waren sehr angenehm – frisch und nicht zu sehr bergauf. Nach einem Anstieg von nur 2 km ging es dann wieder bergab. Unterwegs haben wir 4 Stupas gesehen (in dieser Region liegt der Geburtsort von vier Hauptlamas in Russland), dann ein buddhistisches Kloster und ein paar Kilometer weiter ein orthodoxes Kloster. Danach wollten plötzlich viele, viele Schafe und Ziegen die Autobahn überqueren. Für die Einheimischen ist das eine ganz normale Situation 🙂

Die Landschaft hat sich später total geändert – es gab keinen Wald mehr, sondern nur noch Hügel und Steppe. Dann kam wieder ein Nadelwald mit Pinien (pinus daurica) und wir dachten, dass dies ein schöner Ort sei, um ein Picknick zu organisieren. Viktor und ich haben einen Platz auf der Spitze eines Hügels gefunden. Nach dem Picknick ging es drei Kilometer den Berg hinunter, gerade nach dem Essen eine herrliche Abfahrt! Aber danach kam die Hitze, über 28 Grad – eine echte Herausforderung.

Acht Kilometer vor unserem Hotel stand eine Passkontrolle. Dort darf man keine Fotos machen, aber die Beamten waren sehr nett gewesen und auch ein bisschen erstaunt, dass einige von der Gruppe schon von Berlin mit dem Fahrrad gekommen sind.

Dann radelten wir noch 8 km in Richtung des Hotels. Als wir in die Stadt ankamen, wollte ich zum ersten Mal GPS benutzen, um den Weg zu finden. Das war keine gute Idee, wir haben eine Runde gemacht; es war unmöglich, mit diesem GPS auf der Straße zu fahren. Aber wir haben schöne Fotos von der höchsten Stelle der Stadt gemacht, und ebenso ein sehenswertes Monument entdeckt.

Bevor wir im Hotel angekommen sind, hat Viktor noch 8 Flaschen Bier für uns besorgt. Nach so einem heißen Tag war das etwas wirklich Gutes. Das Abendbrot haben wir in eine “Jurte” bestellt. Und dazu haben wir einheimisches Bier probiert, das “Der Schamane” hieß. Normalerweise bekommt man in diesem Restaurant kein Bier, sodass wir es schon vorher kaufen mussten.

Morgen werden wir die russisch-mongolische Grenze überqueren. Heute war somit der letzte Tag und das letzte Stück mit dem Fahrrad in Russland.


Das buddhistische Kloster Iwolginsker Datzan und Gartenmarkt in Orongoj

113. Reisetag, von Ulan-Ude bis Gussinoosersk, 124 km bei 15° bis 27°C

Morgens nach dem Frühstück im Hotel “Ulan-Ude” sind wir wieder weitergefahren. Nach 36 km Fahrt haben wir eines der Hauptklöster des Buddhismus in Russland erreicht – Iwolginsker Datzan (es wurde 1946 errichtet). Dort haben wir einen Rundgang gemacht und einige Tempel besucht (Tempel heißt auf Russisch “Dugan”, und buddistische Stupa heißt hier “Suburgan”). Dieses Kloster ist eigentlich eine Universität (mit nur drei Fächern: Astrologie, Medizin und Kunst) und stellt gleichzeitig das Zentrum des Buddhismus in Russland dar. Hier befinden sich die heiligen Gebeine des Hambo-Lama Itigelow. Er hat sich für den Lamaismus geopfert und ein Wunder vollbracht: Hambo-Lama Itigelow lag 70 Jahre unter der Erde; als er in den 90er Jahren ausgegraben wurde, hatte er noch flüssiges Blut und bewegliche Gelenke. Aber die heiligen Gebeine haben wir nicht gesehen – es ist nur acht Mal im Jahr möglich.

Nach dem Klosterbesuch fuhren wir weiter. Der nächste Stopp war ein Gartenmarkt in der Nähe der Siedlung Orongoj. Dort haben wir Honigmelonen und Wassermelonen vom Gewächshaus gekauft und drei Kilometer weiter einen kurzen Halt für eine Mittagspause eingelegt. In Orongoj kocht man die berühmten “Orongoj buuza (posy)”, diese Art von Teigtaschen ist zweimal größer als normale Teigtaschen 🙂 Drei von uns haben das bestellt. Es war sehr lecker.

Fürs Mittagessen hat Viktor frisch gesalzene Gurken gekauft. Es war wirklich eine gute Idee. Nach dem Essen wollten wir nicht so viel fahren. Aber 46 km warteten auf uns. Gegen Abend sind wir dann beim Gästehaus angekommen und haben unsere Fahrräder in einem ganz kleinen Zimmer geparkt. Danach gab es Abendessen und eine Wassermelone. Morgen wird unser letzter Tag in Russland. Wird es heiß wie heute oder regnet es? Das werden wir morgen genau wissen. Dann – bis morgen!


Wasserwandern in Ulaan-Ùde, der Hauptstadt Burjatiens

Bilderbuch vom Ruhetag am 112. Reisetag in Ulan-Ude, bedeckt und regnerisch bei 18-20°C

Ein letztes städtisches Highlight auf russischem Boden erleben wir noch, genauer gesagt, auf burjatischem.
Hier in Ulan-Ude (Улан-Удэ; burjatisch Улаан-Үдэ, Ulaan-Ùde), der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Burjatien leben mehr als 400.000 Menschen. Die russisch-orthodoxe und die buddhistische Religion harmonieren friedlich miteinander.
Ulan-Ude ist das kulturelle, politische und wirtschaftliche Zentrum der Region.

Gegründet im Jahre 1666 wechselte der Ort mindestens viermal den Namen: Udinskoje simowje (Siedlung Udinskoje / Уди́нское) bis 1680, Udinski ostrog (1680–1690), Udinsk (1690–1735), Werchneudinsk bzw. Werchne-Udinsk (Верхнеуди́нск, 1735–1934) und seit dem 27. Juli 1934 nun Ulan-Ude (burjatisch für Rote Uda). Das Stadtrecht hat sie seit 1775.
Übriges, auch das Untere Udinsk (Nishneudinsk), die Geburtsstadt Innas, hatten wir besucht! Nachzulesen hier im Blog unter „Fahrt durch meine Heimatstadt mit besonderem Gefühl“ von Inna Popowa (7. Juli).

Von 1923 bis 1992 war Werchneudinsk / Ulan-Ude Hauptstadt der Burjatischen ASSR innerhalb der RSFSR, heute ist sie Hauptstadt der autonomen Republik Burjatien innerhalb Russlands.
Von hier sind es rund 4.400 km Luftlinie bis Moskau und auch schon wieder 150 km bis zum Baikalsee …
In der Stadt mündet der Fluß Uda in die Selenga.

In Ulan-Ude gibt es mehrere Universitäten und Hochschulen.

Am Verkehrsknotenpunkt Ulan-Ude treffen sich die Transsibirische und dier Transmongolische Eisenbahn.
Die Fernstraße P-258, über die wir hierher radelten, führt noch weiter bis ins ferne Tschita und hier beginnt auch „die Fernstraße föderaler Bedeutung“ A340, die die Republik Burjatien über 245 Kilometer mit der Grenze zur Mongolei bei Kjachta verbindet. Genau dahin radeln wir ab morgen weiter.

Olga begleitet uns beim Rundgang durch das Stadtzentrum und wir erfahren viel interessantes über Burjatien. Beschriftungen an „offiziellen Gebäuden“ sind immer zweisprachig burjatisch und russisch.
Wie gefällt euch das Profilfoto unserer Gruppe am größten Lenin-Kopf der Welt aus Granit? Er ist allein 5 Meter hoch, das gesamte Monument 7,20 m! Übrigens, das Karl-Marx-Monument („dor Nischl“) in Chemnitz, dem früheren Karl-Marx-Stadt, ist nur 60 cm „kleiner“ und damit immerhin die zweitgrößte Porträtbüste der Welt.

Nach etwas mehr als eineinhalb Stunden versuchen wir in einem Cafe etwas zu trocknen, was eher nicht gelingt, so durchgeweicht wie wir mittlerweile sind. Der Rückweg zum Hotel wird zu einer Art Kneipp-Kur, also Wassertreten auf allen Wegen im ablaufenden Regenwasser.
Wir nehmen trotzdem einen sehr guten Eindruck und beste Erinnerungen an Ulan-Ude mit auf die weitere Reise.

Regenbilderbuch auf:

Eine echte Herausforderung mit kleinem Gebirgspass

111. Reisetag, von Possolskoje nach Ulan-Ude, 147 km bei 20°C

Am frühen Morgen sollten wir uns von Ulyana (der Gastgeberin) verabschieden und noch ein Stück von knapp 150 km weiterfahren. Das Wetter war sehr angenehm, nicht heiß und kein Regen. Wir sollten 12 km in Richtung Possolskoje zurückkehren und dann weiter die Hauptstraße entlang fahren. Kurz vor Ende von diesem Stück haben wir ein Schild gesehen mit dem Hinweis „40% Steigung“, solche steilen Steigungen sind uns noch nie begegnet. Aber ich vermute, es sollte 4% sein.

Danach ging es die Hauptstraße entlang, wo auf einmal der Wind aufkam. Die Landschaft war ganz flach, aber bei dem starken Wind war es ziemlich anstrengend, mit dem Fahrrad zu fahren (und natürlich blies der Wind ganz schön ins Gesicht). Es wurde von der Gruppe entschieden, die Mittagspause in einer Kantine zu machen; anfangs gab es dort keinen Tisch mehr, aber wir haben uns dann einfach selbst einen besorgt. Nach dem Mittagessen fuhren wir weiter und ca. 20 km später sollten wir einen ganz kleinen Gebirgspass überwinden. Um ehrlich zu sein, für einige von unserer Gruppe war diese Strecke von knapp 150 km plus der Gebirgspass eine Herausforderung. Aber wir wollten alles schaffen. Und das hat geklappt! Bergauf ging es nur die ersten 2 km von 9 km des Gebirgspasses, ich war die Letzte. Und… wir haben eine tolle Gruppe – sie haben auf mich gewartet, mich angefeuert und Sven und Gerhard haben mir noch eine Süßigkeit geschenkt.

Auf der höchsten Stelle des Gebirgspasses haben wir einen Mann aus Novosibirsk getroffen. Er sprach sehr gut Deutsch und wollte sich sehr gerne mit uns unterhalten. Am Ende des Gesprächs hat er uns eine Visitenkarte von sich gegeben. Und wir haben ihm den Aufkleber der „Radweltreise“ geschenkt. Dann konnten wir 7 km bergab fahren.

Nach der Abfahrt gab es einen wunderschönen Ausblick. Wir wollten unbedingt ein Foto machen. Die Landschaft wurde danach wieder flach.

Um 19 Uhr sind wir dann am Hotel angekommen, haben die Zimmer bekommen und um 20 Uhr in einem buryat-mongolischen Restaurant zu Abend gegessen. Als wir zurück zum Hotel kamen, war es fast schon Nacht, wir haben einen kleinen Stopp vor einer Fontäne gemacht (es spielte ein wenig Musik und das Wasser war mit Licht gefärbt). Dann blitzte es in der Ferne und wir vermuteten, dass es später in der Nacht noch gewittern würde.

Es war ein voller, anstrengender Tag, knapp 150 km dem Wind entgegen und mit dem kleinen Aufstieg. Aber wir haben das alles geschaffen, niemand ist im Auto gesessen. Und morgen werden wir dann einen Ruhetag in der Hauptstadt der Republik Buryatien genießen – in Ulan-Ude.


Ausruhen im Fischerdorf am Ufer des Baikal

Bilderbuch vom Ruhetag am 110. Reisetag in Possolskoje (Посольское), sonnig und warm mit frischer Meeresbrise

Das Fischerdorf Possolskoje wurde 1652 gegründet und liegt direkt am Baikal im Kabansker Rayon (Каба́нский райо́н; Burjatisch: Хабаансхын аймаг). Dieser ist 13.470 Quadratkilometer groß und hat ca. 60.000 Einwohner. In Possolskoje leben etwa 800 Menschen.
Es gibt eine Schule, einen Kindergarten, ein Kulturhaus, ein Ambulatorium für die medizinische Versorgung, eine Poststelle und hier ist auch die wirtschaftliche Adminstration der Siedlung (администрация сельского поселения) sowie der Absatzgenossenschaft der Kabansker Fischfabrik (СПК „Рыболовецкая артель“ Кабанский рыбозавод)

Die Grenzen zur Mongolei und zu China sind nicht weit entfernt, so daß es auch im 16./17. Jahrhundert für die Bewohner immer wieder neue Herrscher und Konflikte gab. Seinen Namen verdankt Possolskoje den 1651 hier gelandeten Botschaftern (posol) des russischen Zaren. Die „Botschafter“ waren unterwegs, um Steuern von der Bevölkerung einzutreiben. Das Schiff, mit dem sie hier landeten, war folglich voll Gold, das ein Geschenk für die Mongolei war, um Brücken zwischen Russland und der Mongolei zu schaffen. Davon wollten sich die damals schon hier lebenden Burjaten und Mongolen einen Teil holen.
Sie töteten 8 der „Botschafter“, darunter einen der Anführer, während die anderen mit dem Schiff entkamen.
Zu Ihrem Gedenken wurde hier zunächst eine kleine Kapelle und danach die mittlerweile älteste orthodoxe Kirche in Transbaikalien errichtet. An der Kapelle erinnern 7 hölzerne und ein Steinkreuz an die getöteten „Botschafter“.
Dominierendes Bauwerk im Dorf ist ein großes orthodoxes Männerkloster direkt am Ufer. Zwischendurch war es auch Kloster für Nonnen. Es wird seit 18 Jahren vor allem mit Spenden rekonstruiert und neu aufgebaut. Die Mönche lebten früher von Ackerbau und Viehzucht, die Nonnen hatten sich auf die Herstellung von Kerzen spezialisiert.
Wir dürfen das Kloster besuchen und erfahren bei einer Führung durch Olga viel interessantes.

Wir wohnen unmittelbar gegenüber im komfortabel eingerichteten „Gästehaus am Baikal ‚Sofia'“.
Ein wunderbares Plätzchen zum Übernachten, Ausruhen und zum genießen malerischer Sonnenuntergänge.

Possolskoe liegt nicht nur direkt am Baikal, sondern auch am Südwestende des Selenga-Deltas.
Die ursprünglich im Reiseplan vorgesehenen Höhepunkte („… Fahrt mit kleinen Motorbooten durch die Flussarme und … Gastfreundschaft der Wärter des ältesten Leuchtturms des Baikals … und das Wandeln … auf einer Sandbank 2 cm hoch über dem Wasser des Heiligen Meeres.“) waren leider vom Tagesprogramm gestrichen worden. 🙁
Olga, Karin B., Gerhard und Viktor machen mit dem Bus einen Kurzausflug zum Selenga-Delta und Viktor konnte endlich auch mal ein längeres Stück radeln.
Gerhard hat dazu Fotos beigesteuert. Danke.
Alle anderen genießen den sonnigen Tag beim Bummel durch das Dorf, am Strand, im See und auf der Terrasse.

Zum Abendessen sitzen wir zum dritten Mal im Kafe „Omuljok“,das schon so etwas wie unser Stammlokal in Possolskoje geworden ist.

Den Tag beschließen wir gemeinsam am Baikalsee mit leckerem heißgeräucherten Omul und lokalem Bier.
Die Kräfte des ältesten und größten Sees der Erde werden uns auf den weiteren Radelwegen stärken.

Fischerdorf-Bilderbuch auf:





Von Geisterzügen und sonstigen Verkehrsmitteln

109. Reisetag, von Tanchoi (Perejemnaja) nach Possilskoje, 103 km bei 18° – 23°C

Die Übernachtung war ziemlich interessant. Das Gästehaus befand sich ganz in der Nähe von einer Eisenbahnlinie. So hat unser Zimmer jedes Mal stark gewackelt, wenn irgendwelche Züge vorbei gekommen sind. Das erinnerte mich sehr an den Film “Trio aus Belleville”.

Am frühen Morgen fuhren wir mit dem Auto 10km zum Frühstück. Danach kehrten wir wieder zurück ins Gästehaus und Peter wollte nicht mit dem Fahrrad, sondern mit einem Auto fahren. Aber das Auto war zu klein und gehörte einem Kind.

Als “Abreisefoto” wollten wir alle gerne endlich ein Foto direkt am Ufer vom Baikal machen. Das Wetter heute war nicht schlecht – es regnete ein bisschen am Anfang und später kam dann langsam die Sonne.
Die Strecke war sehr angenehm, aber mit Anstiegen – für mich persönlich war das ziemlich anstrengend. Aber Martina und Sven waren super nett, haben auf mich gewartet und mich beraten, wie man besser bergauf fahren kann. Ich bin wirklich sehr dankbar dafür, das hat mir sehr geholfen.

Unser Mittagessen war heute auch ein Picknick – unterwegs gab es nicht so viele Siedlungen und Kneipen. Danach hatten wir noch ein Stück Straßenbau gehabt und bogen von der Hauptstraße nach links ab- 13 km weiter befand sich unser Hotel für die nächsten zwei Nächte. Unterwegs war die Landschaft wunderschön – fast kein Straßenverkehr, fast alles flach und… die Blumen im grünen Feld. Aber es gab ein kleines Problem – die Straße überquerte die Eisenbahntrasse. Und gerade als wir gekommen waren, wurde der Eisenbahnübergang plötzlich gesperrt. Und 5 Minuten später genauso plötzlich geöffnet (vielleicht war das ein unsichtbarer Zug?!).

Um ca. 4 Uhr nachmittags erreichten wir das Hotel in Possolskoje. Das Hotel lag direkt neben einem Orthodoxen Männerkloster. Nach dem Abendessen wollten wir ein bisschen spazieren gehen – der Sonnenuntergang war wunderschön. So ist noch ein Tag zu Ende gegangen.


Ein Bär und viele Erdbeeren

108. Reisetag, von Sludyanka nach Tanchoj (Perejemnaja), 129 km bei 16°C

Am frühen Morgen sind wir vom Hotel mit dem Fahrrad zum Frühstück ins Restaurant gefahren. In Sludyanka wollte niemand um 7 Uhr morgens Essen für uns 10 kochen, außer Katerina. Sie ist die Eigentürmerin der Gaststätte “Magnit” und war so nett, das Frühstück für uns vorzubereiten. Danach fuhren wir weiter. Es ging wieder eine gefährliche Strecke an der Autobahn entlang und ich habe erneut als Fahrerin des Begleitfahrzeugs ausgeholfen.

27 km nach Sludyanka war dieses Stück zu Ende und… da kamen die Erdbeeren! Die Stadt Baikalsk ist sehr berühmt für ihre Erdbeeren. Und wir haben einen ganzen Eimer gekauft. Dann fuhren wir weiter ohne Begleitfahrzeug. Allerdings war die Gefahr nicht zu Ende – zuerst hat Stefan kaputte Reifen gehabt, dann, als wir die Reifen repariert hatten, kam Karin an den Sammelpunkt und sagte, sie habe einen jungen Bären gesehen. Was kann ich dazu sagen? Das ist Sibirien 🙂

Unser Mittagessen haben wir als Picknick an der Grenze zwischen dem Irkutsk Gebiet und Buryatien organisiert. 40 km später waren wir schon im Gästehaus direkt am Baikal Ufer (Sven hat vor dem Abendessen im See gebadet). Das Abendbrot haben wir in einem separaten Restaurant in Tanchoi gehabt. Danach kehrten wir zurück ins Gästehaus und haben die Banya genossen.

P.S. Gerhard hat heute Geburtstag :). Da können wir ihm gratulieren und eine Extraflasche Bier trinken.
Alles Gute zum Geburtstag, Gerhard!


Auf der Autobahn

107. Reisetag, von Irkutsk nach Sludyanka, 113 km bei 19-23°C

Heute haben wir eine der gefährlichsten Autobahnen Russlands mit dem Fahrrad befahren. Die einheimischen Fahrradfahrer nehmen diese Strecke nicht – normalerweise fahren sie eher mit dem Zug von Irkutsk nach Kultuk und dann weiter nach Ulan-Ude oder Arschan.

Deshalb war es sicherer, noch ein Transportmittel zu benutzen – ein Begleitfahrzeug. Vom Dorf Wedentschina bis nach Glubokaya sind 6 der Gruppenteilnehmer mit dem Auto gefahren und 2 mit dem Fahrrad. Mein Auto hat als Begleitfahrzeug gedient, um die Gruppe sicher ans nächste Etappenziel zu bringen (safety first!). 10 km vor dem Dorf Glubokaya hat es plötzlich angefangen zu regnen (laut Wetterprognose sollte es sonnig sein).

Nach dem Mittagessen haben die 6 sich entschieden, mit dem Fahrrad weiterzufahren (die Straße ging ein bisschen bergauf und dann am meisten bergrunter und flach). Zu dritt sind wir mit dem Auto 2 Minuten später angekommen als die Radgruppe. Dann hatten wir eine Mittagspause im Restaurant Kantine “Karetnyj Dwor” gehabt. Gerhard hat berühmte (aber nur für die Einheimischen von Irkutsk) gebratene Wareniki (kleine Teigtaschen mit verschiedenen Füllungen) mit Steinbeeren und Äpfeln bestellt. Zwei Portionen. War lecker, wie immer in diesem Restaurant. Dann fuhren wir wieder los bis zur Südspitze des Baikal – der Siedlung Kultuk. (siehe Fotos).

Nach Kultuk war es nicht so gefährlich und ich konnte direkt zum Hotel fahren. Das Abendessen gab es im Restaurant “Goldene Jurte” als kleine Vorbereitung für die Republik Buryatien und die Mongolei. Es war das letzte Abendessen in Irkutsk, morgen überqueren wir die Gebietsgrenze und werden durch Buryatien fahren.

P.S. Wir haben unterwegs noch zwei Fahrradfahrer gesehen (auch Ausländer), aber sie fuhren nach Irkutsk, in die andere Richtung.