Hermann telefoniert die Landschaft

120 km nach Shilin.

An einem Sonntag im Oktober brechen wir auf. Zu elft starten wir die heutige Etappe. Es geht in Richtung Steinwald (Shilin). Hier begann vor etwa 270 Mill. Jahren eine seichtes Meer abzufließen, gab den Kalkstein frei und lieferte ihn der Erosion aus. Die bizarren Felsnadeln, die so entstanden sind, erstreckt sich heute auf einer Fläche von über 26.000 Hektar.

Doch bevor wir den sogenannten Steinwald bewundern können, müssen wir erstmal 120 km Strecke überwinden. Es geht beständig auf und ab an Mais- und Tabakfeldern, Ginsengplantagen und Gemüsebeeten vorbei. Wir fliegen durch Dörfer, die aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Ziegenherden stehen meckernd am Straßenrand. Esel- und Ochsenkarren tockern über den Asphalt. Allein die Handys die uns aus den Autos entgegengehalten werden und die vielen Strommasten erinnern uns daran, das wir uns im 21. Jh befinden.

Nachdem wir den ländliche Alltag zur Genüge begutachten könnten, wird die Landschaft größer, höher und weiter. Sehr zur Freude von Hermann, der mit Begeisterung 15-sekündige Filmchen mit seinem Smartphone von der Umgebung aufnimmt, nachdem seine Kamera kurz nach der Ankunft in China den Geist aufgegeben hat. Deswegen fährst er bei jeder Pause voraus „um die Landschaft zu telefonieren“.

Nach unserem Mittagsmahl (Reisnudeln und geröstete Ente) reißt der Himmel endgültig auf und wir radeln im schönsten Sonnenschein. Nur Herman nicht, der vor der Sonne in das Begleitfahrzeug flieht. Gar nicht so dumm, ich habe mir heute einen leichten Sonnenbrand eingefangen.

Leicht dezimiert fahren wir nun zu zehnt weiter Richtung Steinwald, bewundern die gigantischen Ausblicke, erwischen einen klitzekleinen Regenschauer und erspähen die ersten Kalksteinfelsen. Kurz nach der Ortseinfahrt sammelt sich unsere Truppe wieder und nachdem wir Beat aus den Fängen einer höchstmotivierten Herbergsmutter befreien konnten, er hatte bereits seinen Pass im ersten Hotel, das er erspähte abgegeben, machen wir uns, so frisch es nach 120 km eben geht, an den Endspurt zum Hotel.

Dieses liegt schön ruhig, aber allerdings etwas ab vom Schuss, so daß wir eine kleine Nachtwanderung von 30 Minuten in Richtung Restaurant antreten müssen. Belohnt werden wir mit einem Teller lecker gerösteter Wespen. Die Nahrung der Zukunft, eine Eiweißbombe – da hüpft des Sportlerherz. Auf dem Rückweg leuchten uns Mond und Sterne und das Geschrei der Zikaden begleitet uns bis ins Hotel.


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