Durch den westlichen Ural

Tag 63, 131 km von Krasnoufimsk nach Nischne Sergi, Regen und Berge

Text: Karin Becker, Photos: Oliver Schmidt

Sprungfedern massieren in der Nacht meinen Rücken. Morgens um 7 Uhr sitze ich bei Oliver auf der Bettkante und löffel Tüten-Kascha in mich rein. Im Hotel gibt’s kein Frühstück und im Ort hat noch kein Laden geöffnet. Also schnell die Vorräte reinholen, Wasser kochen und Vorräte muffeln. Peter, Gerhard und Viktor finden auf dem Bett auch noch Platz. Draußen schneit es. Sieht lustig aus, bei den blühenden Obstbäumen vor dem Fenster.

Schnee, Regen und Hagel begleiten uns den ganzen Tag. Die Straße ist gut und zum Glück ohne Killer-Rampen wie gestern. Dörfer machen wach. Mir ist schleierhaft wo hier in diesen Wäldern Leute wohnen, denn ab und an stehen Bushaltestellenhäuschen an der Strecke. Allerdings aus Wellblech und seitlich frei. Offensichtlich werden sie auch gerne abgebaut.

Glücklicherweise gibt’s nach 65 Kilometer eine Kaffeebude an einer Kreuzung! Tee trinken wir 30 Kilometer später bei Viktor im muggeligen Wagen. Einfach sitzen bleiben, das wär’s!!

Die Sonne blinzelt ab und zu mal durch die Wolken. Bei der nächsten Pause zieh ich eine Schicht aus, nehme ich mir vor. Bergauf sehe ich noch die letzten Himmelsschlüsselchen und Buschwindröschen, sie verblühen gerade. Es wird immer schwerer. Runter geht’s blitzschnell. Stunde um Stunde. Wie lange noch? Wir müssen bis spätestens 19 Uhr in unserem heutigen Sanatorium sein, denn dann wird die Schranke geschlossen. Noch mal drei Kilometer ins Zentrum des Ortes, der heute als Schwefel-Heilbad in ganz Russland bekannt ist. Die Heilwässer werden ab 1830 genutzt.

Endlich, um 18.30 Uhr bin ich Zimmer, pünktlich um 19 Uhr steht das Essen im tristen Speisesaal auf dem Tisch. Zum Glück gibt’s ausreichend Brot, denn eine Diät müssen wir nicht machen. Um 19.45 Uhr ist Schluss mit sitzen, wir werden etwas unfreundlich raus gebeten. Ein Bier aus dem Wagen trinken wir gemütlich auf der Etage.

Drei Tage ungefähr 1.500 Höhenmeter rauf und ca. 1.400 Meter runter bei diesen langen Strecken reichen eigentlich.


Sa was, sa nas, sa Neft i Gas ! (Auf Euch, auf uns, auf Öl und Gas!)

Tag 62, 145 km von Tschernuschka nach Krasnoufimsk, Regen, Regen …schöne Pisten

Die winterlich anmutenden Wetterkapriolen setzen sich fort, und selbst der letzte Mitreisende hat nun die wärmeren Klamotten und die dicken Handschuhe aus der Versenkung herausgekramt.

Die lichten Wälder und Agrarflächen begleiten uns auch heute, nun aber bereichert durch zahlreiche Öl- und Gasfelder. Die unterirdischen Leitungen sind an den farblichen Schildern entlang der Autotrassen auszumachen und verlaufen für Laien völlig unkoordiniert. Auch neue Stränge werden verlegt und verursachen einen heftigen LKW- und Baumaschinenverkehr auf ‘unserer‘ Straße.

Alle größeren Rohstoffkonzerne wie Gazprom, Lukoil, Tatneft… erschließen hier Ressourcen, investieren allerdings auch in die lokale Infrastruktur einzelner Dörfer. Wie Pilze schießen moderne Wohnanlagen für die Mitarbeiter im Energiesektor, am Dorfrand bestehender maroder Ortschaften, aus dem Boden.

Am Nachmittag werden die Wälder dichter, das Tal enger und Kiefern und Lärchen bestimmen das Landschaftsbild. Für über 25 Kilometer tauschen wir teilweise holprigen Asphalt gegen schöne Pisten mit wenig Verkehr, die relativ gut zu fahren sind. Ein Hochgenuss.