Australien 15+1: Delikatessen (5)

Einst seltene Tiere, heute auf dem gesamten australischen Festland heimisch – und zahlreich. Bei den Farmen sind Kängurus allerdings nicht wohlgelitten, denn so manche Ernte hat schon unter einem durchhüpfenden Mob von roos gelitten.

Professionelle Zählungen und Schätzungen des Bestands machen deutlich, dass es sich bei Kängurus heute wirklich nicht mehr um handelt. Stellenweise sind die Tiere bereits zum kontrollierten Abschuss freigegeben – was natürlich im krassen Widerspruch zu dem Aufwand steht, mit dem sie anderswo im gleichen Land geschützt und aufgezogen werden. Und nicht jeder Farmer hält sich an die rechtlichen Vorgaben und den Naturschutz: Wildern zum Spaß ist alles andere als selten, und selbst auf der Krokodilfarm, auf der ich tätig war, besserte man den eigenen Fleischvorrat an Krokodilfutter mit selbst erlegten Wallabys auf.

Zum Verhängnis wird den roos aber vor allem, dass sie hervorragend schmecken. Gut zubereitetes Kängurufleisch kann sich mit jedem Rinderfilet messen; der pikante Geschmack, den man Wild meist nachsagt, ist nur ganz dezent. Zudem gilt Kängurufleisch als gesündere – weil fettarme – Alternative. Und zu guter Letzt ist die Produktion ganz unproblematisch, denn es gibt eine Fähigkeit, die roos nicht besitzen: Sie können nicht pupsen, womit sie wesentlich umweltverträglicher sind als etwa Rinder, deren Abgase das globale Klima massiv belasten.

Doch das Fleisch ist nicht der einzige Teil des Kängurus, der verwendet werden kann. Ihr Leder ist die Grundlage für die schmucken Hüte, die für den Sonnenschutz unerlässlich sind. Und selbst das Skrotum wird noch verwendet – umfunktioniert zu Feuerzeugen und Flaschenöffnern finden sich Känguru-Klöten in jedem gut sortierten Souvenirladen.

Auszug aus: Australien 151 – Porträt der großen Freiheit in 151 Momentaufnahmen, Markus Lesweng, Conbook Verlag

Australien 15+1: Big things (4)

Das Erstaunliche ist nicht, dass irgendjemand einmal auf die Idee gekommen ist, eine überdimensionierte Skulptur zu errichten. Das wirklich Kuriose ist vielmehr, dass andere es für eine gute Idee hielten. Und sie kopierten.

Im Jahre 1963 platzte einem Südaustralier die künstlerische Ader, und er entschied sich, einen gigantischen Dudelsack spielenden Schotten zu errichten.

Kurz darauf wurde die Idee für so genial befunden, dass sich eine Welle von big things über den ganzen Kontinent ergoss, mit unterschiedlichen ästhetischen Ansprüchen. Zu ihnen zählen eine überdimensionierte Banane, eine überdimensionierte Gitarre, ein überdimensioniertes Merinoschaf, ein überdimensionierter Tennisschläger, ein überdimensionierter Captain Cook, ein überdimensionierter Liegestuhl, eine überdimensionierte Macadamianuss, ein überdimensionierter Rasenmäher, eine überdimensionierte Ananas, ein überdimensionierter Hummer und ein überdimensioniertes Schaukelpferd. Alle von ihnen sind über zehn Meter groß – und trotzdem handelt es sich nur um eine kleine Auswahl.

Üblicherweise entpuppen sich solche Kunstwerke alsbald als Touristenmagneten. Wer von Dorf zu Dorf tingelt, schaut sich jede noch so kleine (oder in diesem Fall große) Sehenswürdigkeit an, weshalb sich big things in Australien auch heute noch größter Beliebtheit erfreuen – vor allem bei Touristen, die einen ausgefallenen Schnappschuss suchen.

Auszug aus: Australien 151 – Porträt der großen Freiheit in 151 Momentaufnahmen, Markus Lesweng, Conbook Verlag

Australien 15+1: BBQ (3)

Wenn es schön warm ist, macht es keinen Spaß, drinnen zu hocken. Also wird draußen gesessen, gegessen und geschlafen. Damit man nicht einmal beim Kochen – mitunter leichter zu finden als öffentliche Toiletten.

Wenige Dinge sind so universell australisch wie das Barbecue. Der naive Besucher mag sich in der Sicherheit wiegen, er wisse schon übers Grillen Bescheid – das mache man im Sommer schließlich auch immer –, doch das Streben nach dem perfekten Grillerlebnis findet down under in einer ganz anderen Liga statt.

Natürlich hat jeder Australier sein Geheimnis, um das hundertprozentig beste Steak zu grillen. Der eine schwört noch auf den klassischen Grill, die Mehrheit hingegen hat sich von den Vorzügen eines Gasgrills überzeugen lassen (mit verschiedenen Oberflächen, versteht sich). Manch einer wird seinen geliebten Grill mit bewundernswerter Pedanterie sauber halten, der Nächste reinigt ihn nur mit Zitronen, manch anderer versichert, dass das Fett der Vorwoche den Geschmack wirklich nur verbessern kann.

Wie es auch läuft: Die rituelle, aber gottlose Zeremonie des BBQ hat ihr eigenes Protokoll. Als Gast hat man die Kochkunst und das professionelle Equipment des Gastgebers zu honorieren. Auch bei der Konversation gibt es einige Punkte zu beachten: Auf die Frage »How would you like your steak?« lautet die richtige Antwort medium oder medium rare (was den begeisterten Hobbykoch sicher nicht davon abhalten wird, das Steak ins Nirvana zu braten). Auf die Frage, ob man Salat möchte, lautet die richtige Antwort: Nein. Genau das ist übrigens auch die Antwort, die der Autor den Lesern nahelegt, die gefragt werden, ob sie ihren Hamburger »mit allem« haben möchten, denn hier schlägt wieder der britische Einfluss auf die Küche durch. »Mit allem« steht nämlich nicht für den beliebten Klassiker BLT – bacon, lettuce und tomato –, sondern gerne für Zutaten wie rote Beete, Spiegelei und Ananas. Wohl bekomm

Auszug aus: Australien 151 – Porträt der großen Freiheit in 151 Momentaufnahmen, Markus Lesweng, Conbook Verlag

Australien 15+1: Autos (2)

Hat es eine Ladefläche und Allradantrieb? Nein? Dann ist es auch kein richtiges Auto. Falls doch, braucht man zwei: ein altes und ein neues. So lässt sich die australische Einstellung zum fahrbaren Untersatz zusammenfassen.

Eine der wichtigeren Lektionen, die man als Kind eingebläut bekommt, ist, nicht bei fremden Leuten ins Auto zu steigen. Im Nachhinein ein sehr weiser Rat, denn als vagabundierende Arbeitskraft hatte ich in Australien öfter das Vergnügen, bei Unbekannten ins Auto steigen zu dürfen. Das ermöglichte die interessantesten Abenteuer der Reise. Und erwies sich oft genug als nervenaufreibend.

Das Auto eines Australiers verrät ungemein viel über seinen Lebensstil. Gepflegte Neuwagen versprechen ein Heim mit Stil und Komfort, selbst mitten im Busch. Rollen einem während der Fahrt verrottende Früchte entgegen oder setzt man sich aus Versehen auf ein rostiges Messer, so kann man sich auf einen eher holprigen Monat der Gastfreundschaft einstellen.

Diese Erkenntnis betrifft zumindest den Erstwagen. Denn so ziemlich jeder Australier scheint einen Zweitwagen zu besitzen, den er nur für bestimmte Aufträge, etwa auf dem eigenen Grundstück, einsetzt. Der Zustand dieser Zweitwagen legt nahe, dass so mancher Schrotthändler schon verhungert sein muss. Dass der Unterbau komplett verrostet ist oder die Bremsen nicht mehr funktionieren, gehört fast schon zum Standard. Besonders vertrauenserweckend ist das nicht, insbesondere dann, wenn man a) auf ein Krokodilgehege zurollt oder b) am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt.

Dass es so selten zu verheerenden Unfällen kommt, ist vermutlich nur darauf zurückzuführen, dass es überhaupt so wenig Verkehr gibt. Ansonsten wären funktionierende Bremsen immerhin unverzichtbar.

Genau solche Spritztouren sind daher für den Großteil an Unfällen verantwortlich – und damit wesentlich gefährlicher als alle Schlangen im Land zusammen.

Auszug aus: Australien 151 – Porträt der großen Freiheit in 151 Momentaufnahmen, Markus Lesweng, Conbook Verlag

Australien 15+1: Dropbears (1)

Dass die australische Fauna so manche Überraschung bereithält, dürfte weithin bekannt sein. Doch viele Besucher aus fernen Ländern haben keine Vorstellung davon, worauf sie sich wirklich einlassen. Ein Beispiel dafür sind die gefürchteten dropbears.

Zwar sehen dropbears den ikonischen Koalas ausgesprochen ähnlich, doch der Schein trügt. Der Experte vermag einen dropbear leicht an den spitzeren Ohren zu identifizieren, doch der Laie wird mit der Unterscheidung seine Schwierigkeiten haben – zumal sich die Tiere gerne in den luftigen Höhen der Eukalyptusbäume versteckt halten. Doch genau das macht sie so gefährlich: Nicht nur handelt es sich bei den dropbears im Gegensatz zu den knuffigen Koalas um echte Bären, zudem sind sie als Fleischfresser auch auf den Geschmack argloser Touristen gekommen.

Üblicherweise wird sich der dropbear aus dem Geäst auf seine ahnungslosen Opfer stürzen, denen keine Zeit bleibt, den Angriff abzuwehren. Obwohl solche Unfälle wesentlich häufiger auftreten als etwa die Angriffe von Haifischen auf Surfer, gelingt es den australischen Behörden erstaunlich gut, den Deckmantel des Schweigens über diese Zwischenfälle zu breiten – undenkbar groß wäre der Imageschaden für das Land.

So oder so ähnlich werden australische Gastgeber Neuankömmlinge im Lande über die zu erwartenden Risiken aufklären. Es ist die australische Art, jemanden willkommen zu heißen: Pulling your leg ist ihre Bezeichnung, »durch den Kakao ziehen« wäre eine angemessene Übersetzung. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt: Dropbears sind als legendäre Kreaturen recht verbreitet; manche erzählen lieber von gigantischen meatflies (überdimensionierten Fliegen, die das Fleisch vom Grill klauen) oder dem mythischen bunyip. Natürlich besteht in einem Land wie Australien das ständige Risiko, dass solcher Humor von der Realität eingeholt wird. Ein Beispiel dafür wäre die bellende Spinne. Doch fürs Erste sollte man als Reisender diese Begrüßung als kleinen Test verstehen, mit dem die Australier prüfen möchten, ob man aus dem richtigen Holz geschnitzt ist. Erst wenn man einem dieser Späße zum Opfer gefallen ist, ist man auch wirklich angekommen.

Auszug aus: Australien 151 – Porträt der großen Freiheit in 151 Momentaufnahmen, Markus Lesweng, Conbook Verlag

Australien 15+1: Ankunft

»Australia is big!« – kaum ein Kommentar, den man bei einem Besuch in Australien häufiger hört. Reisende und Einheimische betonen die Ausmaße des Kontinents immer und immer wieder.

Zunächst wundert man sich darüber – die Information ist schließlich ziemlich trivial. Von Norden nach Süden und von Osten nach Westen sind es jeweils rund 4.000 km, und genau das wird man im Reiseführer gelesen haben – der einen einmal mehr freundlich-bestimmt darauf hinweist, dass Australien groß ist. Und dass man die Entfernungen nicht unterschätzen solle. Australien ist so großartig, wie es groß ist, was jeder merken wird, der das Land erfahren möchte – erst recht, wenn es mit dem Rad geschieht.

Doch es geht nichts darüber, diese Größe selbst zu erfahren. Nach ein paar Wochen im Lande wird man sich ein klein wenig verliebt haben und nebenbei gelernt haben: Eine zweistündige Autofahrt ist für die Einheimischen ein kurzer Trip, und selbst eine achtstündige Busfahrt scheint einen auf der Landkarte kaum voranzubringen. Nach einer Handvoll solcher Tagesreisen macht sich das Sitzfleisch bemerkbar – und es folgt die Einsicht, dass Australien anscheinend wirklich groß ist.

Von diesem Zeitpunkt an kann man natürlich nicht davon ablassen, andere Mitreisende an diesem Wissen teilhaben zu lassen. Vor allem jene, die ihre Reise übereifrig angehen und das ganze Land in einem Monat entdecken wollen. Realistischer wäre ein Zeitraum zwischen einem Jahr und einem Leben, denn: Australien ist wirklich, wirklich groß.

Und zwar so groß wie die USA. Oder wie all das, was man gemeinhin unter Europa versteht. Bloß ohne die sechsspurigen Autobahnen und Hochgeschwindigkeitszüge. Auch down under kommt man voran, meist komfortabel und pünktlich, aber man muss ein wenig Geduld mitbringen. Und das ist auch in Ordnung: Denn wer hetzt, wird die besten Sachen verpassen.

Auszug aus: Australien 151 – Porträt der großen Freiheit in 151 Momentaufnahmen, Markus Lesweng, Conbook Verlag