Gedanken eines Mitradlers im Rückblick auf …chosen und frühere Wege (Landwirtschaft am Radreise-Weg)

Seit dem 29. April waren wir auf den Straßen durch die Russische Föderation und kleine autonome Republiken dieses riesigen Landes unterwegs. Damals in Staroje Isborsk, kurz vor Pskow waren wir fast bei Reisekilometer 2000. Heute sind wir ungefähr beim Kilometer 9300.
Etwa ein Vierteljahr erleben wir nun, wie es neben den Straßen grünt und blüht.
Wir haben gesehen, wie die Felder nach dem Winter gepflügt, besät und bepflanzt wurden, wir haben beobachtet, wie die Halme wuchsen und sahen wogende Felder in riesigen Dimensionen. Die Ernte werden wir hier aber nicht mehr mitbekommen. Erst recht jetzt im Steppengebiet kurz vor der Mongolei, denn hier sehen wir vor allem große und kleine Viehherden.

Zeit also, sich rückblickend über die Landwirtschaft Russlands Gedanken zu machen.

In der Sowjetunion gab es ja insbesondere 2 landwirtschaftliche Organisationsformen, im deutschen gern Kolchosen und (seltener) Sowchosen genannt.

Der Kolchos (колхоз = коллективное хозяйство / Kollektivwirtschaft), war ein landwirtschaftlicher Großbetrieb, der genossenschaftlich organisiert war und dessen Bewirtschaftung durch das „sozialistische Kollektiv“ der Mitglieder erfolgte.
Die ersten Kolchosen entstanden nach der Oktoberrevolution 1917 auf freiwilliger Basis, ab etwa 1929 wurden es Zwangskollektive der bäuerlichen Einzelwirtschaften. Juristisch standen sie unter kollektiver Selbstverwaltung.
Die Mitglieder eines Kolchos waren formal auch gemeinsame Eigentümer der Produktionsmittel, nicht aber des Bodens, der dem Staat gehörte. Es dominierte eine starke staatliche Einflussnahme durch die i.d.R. von der Kommunistischen Partei eingesetzte Kolchosleitung. Den Kolchosen wurde jeweils ein Produktionssoll auferlegt, das sie zu staatlich festgesetzten Preisen abzuliefern hatten.

Der Gegenpart zum kollektiven Landwirtschaftsbetrieb (Kolchos) war der staatliche Landwirtschaftsbetrieb (Sowchos). Ein Sowchos (совхоз, советское хозяйство / Sowjetwirtschaft) war ebenfalls ein landwirtschaftlicher Großbetrieb.

Im Gegensatz zu den kollektiv bewirtschafteten Kolchosen war ein Sowchos im Staatsbesitz mit angestellten Lohnarbeitern. Ursprünglich wurden sie seit 1919 aus staatlichen und privaten landwirtschaftlichen Gütern gebildet, um den Bauern die Vorzüge der gemeinschaftlichen Wirtschaft zu demonstrieren. Später waren sie meist spezialisierte Betriebe, die Saatgut und Zuchtvieh an die Kolchosen lieferten. Häufig wurden Sowchosen auch in naturräumlich benachteiligten Gebieten errichtet, in denen das Ernterisiko recht hoch war. Die Beschäftigten erhielten in der Regel feste monatliche Löhne. Ab Mitte 1950 nahm die Zahl der Beschäftigten erheblich zu. In den 1970er Jahren produzierten die Sowchosen knapp fünfzig Prozent der agrarischen Gesamtproduktion der UdSSR.

In der DDR entsprachen den Kolchosen die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs), bei denen jedoch auch der Boden Privateigentum war, aber genossenschaftlich genutzt wurde. Die Volkseigenen Güter (VEG) waren hier den Sowchosen vergleichbare Landwirtschaftsbetriebe.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion brachen viele Sowchosen und Kolchose zusammen oder wurden aufgelöst, weil sie wirtschaftlich unrentabel waren und weil die junge Bevölkerung in die Städte floh. Zurück blieben Kulturruinen und Landbrachen von großem Ausmaß.

Wir erinnern uns an riesige bestens bestellte Felder, die unmöglich von Einzelbauern oder kleinen Landwirtschaftsbetrieben „beackert“ werden können. Es gibt also weiterhin große Agrarbetriebe auf jetzt verschiedenen Eigentumsgrundlagen, sogar als Aktiengesellschaften. Wir beobachteten größere und kleinere Tierherden, aber auch individuelle Tierhaltung in den Dörfern und kleinen Städten.

Am Wegesrand sahen wir viele große und kleinere Betriebe, aber auch z.T. stark in die Jahre gekommene Zeitzeugen aus Beton der zurückliegenden Jahrzehnte, zum Einen offenbar nicht mehr genutzte Gebäude und irgendwie passend dazu die Stelen zur Erinnerung an die ehemaligen Kolchosen „Weg Lenins“ / „Weg Ilitschs“ hinter Kalatschinsk und Tulun bzw. „Tschapajew“ (auch hinter Tulun), „Weg des Kommunismus“ hinter Nischneudinsk (Innas Geburtsstadt) sowie an den Sowchos „Lekarstwenuij“ hinter Novosibirsk und zuletzt „Erdem“ („Tugend“ oder „Anstand“) kurz vor Kjachta. Siehe Fotos unten.
Mußten / müssen diese Wege nun repariert, renoviert oder / und durch neue ersetzt werden?

Wir konnten leider keine ausführlicheren Gespräche zur heutigen Situation führen, deshalb nachfolgend wenigstens ein Zitat aus
https://de.wikipedia.org/wiki/Russland#Landwirtschaft_und_Rohstoffwirtschaft

„Die Landwirtschaft ist nach wie vor eine wichtige Branche der russischen Wirtschaft. Einst die Kornkammer Europas, erlitt die russische Landwirtschaft in den 1990er-Jahren einen drastischen Einbruch der Agrarproduktion, schon in den 1980er-Jahren war Russland noch der weltweit bedeutendste Weizenimporteur. Der Produktionswert der russischen Landwirtschaft lag 2009 wieder bei umgerechnet 38 Milliarden Euro. Im Jahr 2016 unterstrich Präsident Putin den Willen, eine Agrar-Exportnation zu sein. Von der Rekordernte von 75 Millionen Tonnen Weizen im Jahr 2016 könnten knapp 7 Millionen Tonnen (ähnlich wie 2015) exportiert werden. Für den Transport ist die staatliche Agrar-Transportbehörde Rusagrotrans zuständig. Der Wert der exportierten Landwirtschaftsgüter lag 2016 bei 17 Milliarden Dollar.
Die Bedingungen für die Landwirtschaft sind vor allem im europäischen Teil Russlands sowie in Südrussland gut, das russische Schwarzerdegebiet ist das größte der Welt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt 219 Millionen Hektar, das sind 13 Prozent der Landfläche Russlands. Davon sind 122 Millionen Hektar Ackerfläche, was neun Prozent des weltweiten Ackerlandes entspricht. Mehr als 80 Prozent der Saatflächen liegen an der Wolga, im Nordkaukasus, am Ural und in Westsibirien innerhalb des sogenannten Agrardreiecks. Der Ackerbau macht 36 Prozent der landwirtschaftlichen Bruttoerzeugung Russlands aus, die Tierzucht über 60 Prozent.
Die wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Russland sind Getreide, Zuckerrüben, Sonnenblumen, Kartoffeln und Flachs. Die Binnenfischerei liefert mit dem Stör den begehrten russischen Kaviar. In der Transformationsphase zwischen 1990 und 1997 gingen die Schweine- und Geflügelbestände fast um die Hälfte zurück. Russland importierte seitdem einen Teil seiner Nahrungsmittel. Es war schon zuvor, aber insbesondere seit seinen Gegen-Sanktionen gegen den Westen nach der Sezession/Annexion der Krim im Jahr 2014 das Ziel der russischen Regierung, die Fähigkeit zur Eigenversorgung zu steigern und die Importabhängigkeit zu reduzieren.
Der Bestand an Rindern beträgt 12,1 Millionen Tiere, an Schweinen 7 Mio. sowie an Schafen und Ziegen 4,6 Mio. Rinderzucht wird vorwiegend im Wolgagebiet, in Westsibirien und dem europäischen Zentrum betrieben, Schweinezucht findet sich ebenfalls im Wolgagebiet, aber auch in Nordkaukasien und im zentralen Schwarzerdegebiet. Schafzucht weist Schwerpunkte in den Regionen Ostsibirien, Nordkaukasiens und dem Wolgagebiet auf.“

Die „Versorgungslage“ mit landwirtschaftlichen Produkten war, soweit wir es in „Magazins“, „Supermarkets“ usw. sowie in Stolowajas, Kafes und Restaurants erlebt haben, immer gut. In unserem Begleitbus lagen neben Äpfeln und Birnen sogar fast immer auch Bananen für unsere Zwischenstopps bereit.

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