Noch mehr Spaß im Matsch

Von Daheishan nach Jiangcheng, knapp 60 km mit langen Steigungen und wirklich, wirklich matschigen Straßen

Unser Schlaf wurde zwar von stetigem Plätschern begleitet und einige hatten nasse Aussichten, aber auch heute blieben wir von Regen verschont. Vielmehr handelte es sich wohl um eine kleine Fischzucht auf dem Dach des Hotels (Beats Analyse der Situation) und ein gebrochenes oder mutwillig offenes Rohr, das ordentliche Wassermassen direkt vor unseren Fenstern hinunterrauschen ließ (Peters Beobachtungsgabe).

Frühstück gab es ein paar Meter weiter in einer kleinen Reisnudelbude, die sich auf fette Speckstreifen und Rippchen als Add-Ons spezialisiert hatte. Jan und Christine, wie immer mit Messer und Honig ausgerüstet, hofften wieder auf ein paar Böller, die zunächst nirgends zu finden waren. Doch plötzlich schallte es wie Kirchengesang aus dem Lautsprecher eines vorbeifahrenden Motorollers:

„Böööölleeeeer, Soooojaaaaamiiiilch…..!“  Joey’s Böllerservice war gekommen und erfüllte auch die letzten unerfüllten Frühstücksträume.

Bald darauf ging es dann los. Schon nach wenigen Kilometern verwandelte sich unser Untergrund in einen rot-braunen klebrigen Matsch, der sich so an die Reifen bappte, dass einige kaum weiterfahren konnten. Kautschukbäume säumten unseren Weg. Zwischen ihnen eröffneten sich faszinierende Ausblicke auf den untenliegenden Fluss, der farblich sehr gut zu unserer kleinen Schlammpiste passte. Gott sei Dank gab es kaum Gegenverkehr! Unfreiwillige Duschen von der Seite ließen sich daher heute vermeiden, eingeschmaddert wurden die meisten nur an den Füßen. Pünktlich zum Mittagessen wurde unsere Piste dann wieder von einer befestigten Straße abgelöst, die uns gegen Nachmittag zu unserem nächsten Ziel, nach Jiangcheng, führte.


Gratis Schlammbad im Sonnenschein

Von Lüchun nach Daheishan, 102 km mit wunderschönen Abfahrten (und einigen Erdrutschen) bei außergewöhnlich gutem Wetter 

Trotz recht begründeter Furcht vor einem weiteren Regentag begrüßte uns Lüchun heute mit blauem Himmel und einer langvermissten Bekannten – unserer lieben Sonne. Nach einem kräftigenden Frühstück aus Nudelsuppen, Spiegeleiern, Teigtaschen und/oder Jans sogenannten „Böllern“, ging es heute gegen halb 9 auf in Richtung Daheishan. Ein verheißungsvoller Name, denn Daheishan heißt auf Chinesisch so viel wie „großer schwarzer Berg“.

Die ersten 45 km ging es stetig bergab, dann kämpften sich die meisten den 20km langen Anstieg hinauf, der von einer kurzen Mittagspause mit warmer Nudelsuppe unterbrochen wurde, bevor es später wieder einige Kilometer bergab zum Hotel ging.

Auf dem Weg sahen wir einige Erdrutsche und nahmen unfreiwillige Schlammbäder. Es gab ein Mindestlevel an Schlammkontakt, aber Gerhard und mich traf es wohl am härtesten: Er geriet in einen durch Baggertätigkeiten ausgelösten Schlammtsunami, ich wurde von einem Jeep gebadet und tunkte daraufhin beide Füße in die Matschabgründe.

Außerdem staunten wir über Teeplantagen, die örtliche Kautschukproduktion und was man in Yunnan nicht alles essen kann! Zum Abendessen gab es dann ein fleischiges grün-braunes Blatt, das uns sehr an Gewürzgurken ohne Gewürze erinnerte. Aus dem Wald kam es wohl, was es genau war, wusste niemand. Probiert haben trotzdem alle.


Fette Nebelschwaden

Von Titian nach Lüchun, 102km bei ordentlich Regen und beinahe undurchdringlichen Nebelfeldern – nicht verwunderlich, dass sich die Gruppe heute ausnahmsweise einmal geschlossen für die Option extra Begleitfahrzeug entschieden hat!

In Erwartung eines nassen Tages hatte es schon am Vorabend von einigen geheißen „Also bei Regen fahr‘ ich nicht!“, aber erst beim Frühstück präsentierte sich das miese Wetter in vollster Pracht: Prasselnder Regen und dichter Nebel, dass unsere geschätzten Reisfelder mal wieder in den Wolken verschwanden. Wenig später wurde daher schnurstracks ein extra Fahrzeug herbei geordert und ausnahmsweise fuhr die Gruppe einmal in einem Rutsch, motorisiert und ohne selbst erkämpfte Höhenmeter in den nächsten Ort.

Für Imma und Hartmut aber ging es nochmal ins bereits bekannte Krankenhaus. Immas Knie hatte sich verschlimmert und musste akupunktiert werden, Hartmut legte sich noch einmal auf sein angestammtes Bett, um wieder einen kleinen Nadelwald in die Hüfte zu bekommen. Gerhard ließ sich währenddessen vom Oberarzt des undichten Wellblechanbaus (der sich zuvor noch hatte vom Chef einweisen lassen müssen, wie denn diese Ausländerin, die so fürchterlich lange Fahrrad gefahren war, zu behandeln sei) eine kleine Massageprobe geben.

„Wenn ich dich an diesen Punkten massiere, kann ich deine Laune positiv beeinflussen!“, meinte der massierende Arzt. Die war zwar ohnehin schon gut, aber die geheimen Knöpfe für bessere Laune zu kennen, kann uns sicher nicht schaden, wenn das Wetter so übel bleibt!


Baumflechten und eine ganze Menge Nadeln

Ruhetag Nummer 2 in den Reisterrassen

Heute dazu genutzt, einen kleinen Abstecher in den nächstgelegenen Ort zu unternehmen. Etwas gelangweilt von unserer hiesigen Auswahl reizten uns die prallgefüllten Kühlschränke der dortigen Restaurants. Wildes Blattgemüse (mit Dornen!), Baumflechten, riesige Lotusstängel, ein Eimer mit umherhuschenden kleinen Minifischen und allerhand sonstiges Kurioses. Frisch, lecker, unheimlich flott und noch dazu sehr günstig. Dazu ein kaltes Bier oder eines der vielen guten Teegetränke, fertig ist die perfekte Mahlzeit. China weiß, wie es einen glücklich macht.

Hartmut und Imma bekamen noch eine Portion Zufriedenheit oben drauf, als sich nach dem Essen direkt um die Ecke ihr Wunsch nach einer Akupunkturbehandlung erfüllen ließ. Während am Anfang eigentlich von einer 30-minütigen Behandlung die Rede war, lagen die beiden letztlich gute 1,5 bis 2 Stunden auf ihren blauen Metallbetten, Hartmut zwei Reihen Nadeln in der Hüfte, Imma an beiden Knien so zugepiekst, dass sie abstanden wie die Stacheln eines Igels. Erst kamen die Nadeln, dann kam der Strom, dann kamen Wärmelampen, Wärmekleber, Spritzen, Massagen und riesige Pflaster mit klebrigem braunen Zeug. Kurz weg – es war ein Erlebnis!


Ordentlich durchgerüttelt

Unser erster Ruhetag in den Reisterrassen!

Verwöhnt von poolgroßen Badewannen, wohlgepolsterten Betten und schönen Ausblicken auf die Felder fanden wir uns zum Start des heutigen Tages dort wieder, wo wir den letzten beendet hatten – im Hotelrestaurant. Angedacht war eigentlich, dass wir um 9Uhr eine kleine Rundtour durch die Reisterrassen starten würden.

Aufgrund des dichten Nebels aber, der sämtliche Felder verschluckt hatte und wie eine dicke Wolke im Tal hing, verschoben und verkürzten wir unser Vorhaben und starteten stattdessen um 11 Uhr zu einem wesentlich kürzeren Trip ohne zu viele Höhenmeter. Die Straße stellte sich als ganz schön holprig heraus, eine Art Huppelpflaster aus kleinen Zementsteinen, und so wurden wir auf unserem kleinen Ausflug von Kopf bis Fuß oder wie Ingemarie so schön sagte „bis zu den Haarwurzeln“ durchgeschüttelt.

Der Nebel verzog sich glücklicherweise und die Reisterrassen präsentierten sich in ihrer vollen Pracht. Die meisten Felder waren schon ohne Wasser, einige wurden in Brand gesteckt, da die Erntezeit bereits vorüber ist. Überall sahen wir Frauen in bunten Trachten, die auf den Feldern arbeiteten oder vor ihren Häusern diversen Handarbeiten nachgingen.

Nach 15 km hielten wir in einem kleinen Restaurant, das zur großen Freude Katharinas einen weitaus üppiger gefüllten Kühlschrank als unser etwas überteuertes Hotelrestaurant bot und aßen uns an wildem Gemüse, Rührei und meinen Lieblingswurzeln, von denen ich bisher leider niemanden so wirklich überzeugen konnte, satt.

Auf dem Rückweg teilte sich dann unser Trupp, als sich einige dazu entschlossen, doch noch die große Runde zu fahren. Schon kurz nach der Gabelung aber platzte Helmut der Reifen und Jan sprang das gerade von Maria geliehene Garmin aus der Halterung. Trotz verzweifelter Suche in den umliegenden Gebüschen war es nirgends zu sehen. Fast hatte man die Hoffnung schon aufgegeben, als Christine es nach einigem Wühlen plötzlich aus den Gemüsebeeten zutage förderte. Dafür wurde sie später als Heldin des Tages gekrönt.

Gerhard kümmerte sich im Rahmen einer schnellen Reparaturexkursion um Helmuts Reifen und so konnten alle ihren Rundtrip fortsetzen, während der Rest der Gruppe in der nahe gelegenen kleinen Ortschaft herum bummelte und dann langsam zurück ins Hotel fuhr. Am Abend mussten wir uns dann verabschieden von unseren treuen Gefährten Helmut, Ingemarie und Hermann und unserer Katharina.

Staub gefressen

112 Kilometer von Qiaojia nach Dongchuan

Katharina:
Optimal vorbereitet starte ich in den Tag. Frisch durchgeknetet und geschröpft vom blinden Masseur schwinge ich mich aufs Rad um die heutige apokalyptische Etappe anzutreten. Mit mir fahren zehn tapfere Mitstreiter, gerüstet durch Chinas Staub und Dreck zu fahren.

Hans und Hartmut’s Gesundheit schwächelt noch und sie sitzen mit Peter, der vorausschauend keine Lust auf Baustelle hat im Auto. Zur Betreuung ist Isabelle dabei.

Wir übrigen strampeln uns durch die Ausläufer der Stadt Yangzi-aufwärts durch die Landschaft. Oder besser gesagt durch die Idee einer schönen Landschaft. Denn sie könnte tatsächlich schön sein: rauher und zerklüfteter als die vorangegangenen Tage. Mit höheren entwaldeten Hängen und einem Fluß der Gestein und Schlamm vom Ufer reißt. Wären da die Baustellen nicht, die Lastkraftwägen und der damit verbundene Staub, der sich in unsere Haut und jede einzelne Pore frisst.

Auf halbem Weg verköstigen wir uns mit leckeren Nudeln und Reis. Zum Nachtisch gibt es frisches Obst: saftige Mangos, Drachenfrüchte und Erdnüsse. Dann geht es weiter. Wir fahren unserem Ziel und den Begleitfahrzeugen, die ins Hotel vorausgefahren sind und uns auf halber Strecke erwarten, entgegen. Etwa 35 km vorm Ziel treffen wir auf Xiao Lei und Xiao Luo. Sechs Fahrer steigen aus und ins Auto um. Zu fünft treten wir den Letzten Abschnitt, den angeblich apokalyptischen an: Ingemarie, Helmut, Reinold, Gerhard und ich. Viel gibt’s nicht zu sagen. Schön war’s nicht, aber wir sind angekommen und entspannen unsere müden Glieder.

Isabelle:
Nach einer anfänglichen Fahrradetappe leistete ich heute ein weiteres Mal Hartmut in unserem weißen, an der Heckklappe etwas ausgebeulten Wagen mit chinesischer Flagge Gesellschaft und kam so wieder in den Genuss einer bunten Mischung aus englisch-chinesischem Techno mit immer gleichem Rhythmus. Den Beat im Hintergrund schauten wir aus unserem abgeschirmten Nest, das sich mit zeitweise 100km/h im Schnellverlauf dem Ziel näherte, den Baustellenwahnsinn aus mehr oder weniger sicherer Entfernung an.

In Dongchuan angekommen trafen wir gleich auf Xiao Luo (sie), die bereits einige Minuten früher zusammen mit Xiao Luo (er – zufällig haben beide den selben Namen) im Minibus eingetroffen waren. Xiao Luo (er) hievte die Fahrräder unseres kleinen „Lazaretts“*, wie es nun auch liebevoll scherzend genannt wird, vom Dach, während Xiao Luo (sie) und ich uns im Hotel um die Pass- und Zimmergeschichten kümmerten.

Als alles Gepäck und alle Gefahrenen sicher im Hotel abgeladen und einquartiert worden waren, trafen Peter und ich uns auf einen kleinen Stadtspaziergang und waren ziemlich amüsiert. Auf die Frage wo man in diesem Ort ein bisschen Obst kaufen könne, das der heute sehr fiebrige Hans sich gewünscht hatte, wurden wir mit sehr überraschten und irritierten Blicken beäugt.

„Obst? Mhh… Vielleicht irgendwo da oben.“
(vager Fingerzeig in eine grobe Himmelsrichtung)

Unterwegs wurde uns dann klar warum: Dongchuan scheint ein einziges Außenlager der umliegenden Baustellen zu sein. Jedes Geschäft verkauft entweder Baumaterialien oder Kohlenhydrate. Eisenstangen, Holzplatten und Drahtrollen neben Röstkartoffeln, Nudeln, Bratkartoffeln und noch mehr deftigen Sattmachern. Obst? Fehlanzeige! Bis wir dann doch tatsächlich einen Markt fanden, der Einiges im Angebot hatte. Unter anderem ein lustiges Gestrüpp mit schnörkeligen kleinen Auswüchsen, das uns als Frucht angepriesen und schmackhaft gemacht wurde und das tatsächlich auch sehr schmackhaft ist. Die Fruchtvielfalt allerdings war für uns heute das Farbenfroheste – der Rest der Stadt glich zumindest straßenmäßig eher einem großen Trümmerfeld, wo auf der einen Seite mit Presslufthammern aufgehämmert, auf der anderen Seite mit Baggern „aufgefegt“ wurde. Wer braucht schon einen Besen! In China sind die Dimensionen eben anders. Liebhaber des etwas brachialeren Charmes sind heute auf jeden Fall auf ihre Kosten gekommen.


Glück im Unglück

Ein Tag voller Ereignisse! 

Zum Frühstück wurden wir von einer strahlenden Chefin mit hochgetürmter Dauerwelle empfangen, die uns stetig lächelnd heißes Wasser reichte, und anschließend noch ein paar Fotos mit uns schoss. Gestärkt von gebratenem Gemüse, einigen süßen Mantou, fluffigen Kuchenquadraten und/oder etwas Selbstmitgebrachtem machten wir uns nach unserem allmorgendlichen Gruppenfoto auf zur langen Abfahrt, die heute eine 125km lange Etappe einleiten sollte. Unglücklicherweise begann diese mit einem kleinen Schrecken, als Hartmut in einer der steilen aus der Stadt herausführenden Kurven auf dem feuchten Asphalt ausrutschte und böse stürzte. Wenige Minuten später aber, als Xiao Lei und ich mit ihm ins nächstgelegene Krankenhaus fuhren, konnte er schon wieder scherzen und meinte, er habe das alles nur gemacht, damit ich mich noch einen Tag ausruhen könne. (Danke dir Hartmut, sehr lieb gemeint!) Gott sei Dank stellte sich nach einigen Röntgenaufnahmen, für die wir extra noch die zuvor scheinbar nie benutzte Schutzkleidung aus dem Schreibtisch des Röntgenarztes hervorkramten, alles als „halb so wild“ heraus und der Leiboer Arzt verschrieb ihm lediglich einige Tage Ruhe (und ein paar Schmerzmittel).

Katharina sauste währenddessen mit dem Rest der Gruppe weiter vom ohnehin viel zu kalten Berg hinunter, für den einige sich noch mit Leggings vom Straßenmarkt und anderen warmen Kleidern hatten eindecken müssen, und traf sich knapp vor der Hälfte der Strecke mit allen zum Mittagessen. Hier teilte sich die Gruppe, da manche sich und ihren Gelenken nach den endlos langen Serpentinen des Vortages knapp 35km weiteren Anstieg ersparen und diesen Teil der Strecke lieber im Begleitfahrzeug vorüberbringen wollten. Durch gewaltige Schluchten ging es voran. Unten toste und brauste der Fluss, der sich über Jahrmillionen durch all die Gesteinsschichten bis nach unten gefressen hatte.

Immer und immer wieder lagen Kühe am Rand, standen Ziegen ungerührt der vorbeifahrenden Autos mitten auf der Straße. Je weiter wir uns in die Berge hervorarbeiteten, im Fahrzeug wie auch auf dem Rad, umso mehr traditionelle Kleider konnten wir auf den belebten Dorfmarktplätzen und neben den kleinen Häuschen sehen, die wir passierten. Einmal stieg unsere Besatzung aus, um einige Angehörige der Yi-Minderheit, in deren Land wir uns nun befinden, zu fotografieren. Allerdings stellte sich dann heraus, dass diese erst aufgrund eines weniger erfreulichen Erlebnisses zusammengekommen waren: Gegenüber fand gerade eine Beerdigung statt. Ups, dachten wir uns… Die Trauergäste versammeln sich vor dem Haus und werden mit einem Mal von weißen Paparazzi überfallen! Plötzlich sahen wir lauter Fahrzeuge, die aus den Kurven gefallen und den Hang hinunter oder gar in den Fluss gestürzt waren und gleich noch eine Beerdigung! Das beeindruckte unsere Gäste an Bord aber kaum, sodass sie uns verließen und die letzten 40km noch selbst hinauffuhren. Nach und nach kamen so alle wohlbehalten, wenn auch ganz schön erschöpft, in Zhaojue an. Mit einer kleinen Dattel-Goji-Schnaps-Verköstigung wärmten wir uns zum Abend dann schließlich noch genüsslich den Magen.