In neblige Höhen

Knapp 100 km nach Xichang

Wir haben es also geschafft. Gestern.125 km durch die Berge, durch das raue Land der Yi. Auf einer Höhe von über 2000 m fühlt man sich dem Himmel viel näher. Oder der Hölle, denke ich mir, als ich aus bleiernem Schlaf erwache und mit bewusst mache, dass ich jetzt wieder auf`s Rad steigen, 100 km fahren werde. Und es geht noch höher hinauf, nämlich bis auf 3200 m heute.

Die allermeisten von uns hätten sich aber heute lieber ausgeruht, anstatt irgendwelche Rekorde aufzustellen. Aber der Plan ist ein anderer und so schwingen wir uns im morgendlichen Grau beherzt auf die Räder. Aus der Stadt heraus, durch die Ebene, in der Reisfeld an Reisfeld klebt, an winkenden Kindern vorbei, von den Alten misstrauisch oder eher verwundert beäugt. 15 Langnasen auf einmal sind hier, scheint’s, eher selten. Mit dem ersten Anstieg beginnt sich das Feld auseinander zu ziehen. Hans und Helmut setzten sich irgendwo an der Spitze ab und werden erst wieder kurz vor der Stadteinfahrt gesichtet.

So fährt jeder seinen Trott. Mittlerweile hat sich die Vegetation geändert. Kärger wird die Landschaft je höher wir steigen. Zuckerrohr, Tabak und Bambus werden durch Nadelgehölze abgelöst. Hie und da entdeckt man Pilzesammler oder eine kleine Imkerei. Meine Beine fühlen sich müde an. Xiao Luo ist besorgt und würde wahrscheinlich am liebsten jeden nötigen, in den Bus zu steigen. Verlockend ist das Angebot, aber ich bleibe standhaft. Elstern begleiten unseren Weg und lachen spöttisch. Es wird kühler und der Nebel verdichtet sich. Ein Gefühl als würde man in die Wolken steigen. Als Belohnung für die Quälerei reißt am Gipfel der Himmel auf und die Sonne erstrahlt. Außerdem erwartet uns ein deftiger Imbiss in Form von gegrilltem Schwein und Kartoffeln. Wir genießen den Snack und lassen uns dann auf rasanter Fahrt bergab rollen. Auf halber Strecke sammelt sich dann die ganze Gruppe wieder und wir gehen, gestärkt durch Nudelsuppe und Baozi, den Rest der Strecke gemeinsam an.


Die Theorie vom „Garmin-Träck-Fehler“, Sorgen vor den Höhenmetern und eine einmalig schöne Berg- und Tal-Landschaft

Anmerkung zu „Leibo – Zhaojue: 125.9km (+2139m, -1281m) am 189. Radweltreisetag“

Schon gestern beim Abendessen schwirrten die Streckeninfornationen der bevorstehenden „Horroretappe“ durch den Raum.
Zwischenfrage: Immer noch Radreise (laut CBB) oder doch schon eher eine Sportveranstaltung, z.B. ein Radrennen mit Bergwertung(en)?
Heute morgen vor der Abfahrt kochte die Info-Gerüchteküche immer noch.
Das wird ein hammerharter Radeltag über 125 Kilometer und mit heftig viel Höhenmetern. Aber wieviel genau und ab wann es richtg hinauf geht … Ein GPX-Track und sooo viele Fragen und noch mehr Mutmaßungen.

Der Reihe nach:
Laut CBB-Track-Vorgabe für den 6.10.2018 Leibo-Zhaojue werden 124.5 Fahr-km und +5159m, -4335m ausgewiesen.

Klingt utopisch, nicht? Der Himalaya ist ja garantiert nicht in der Nähe. 😉
Warum sind da eigentlich keine Geschwindigkeitsaufzeichnungen?
Haben wir es hier etwa mit dem bislang unentdeckten oder bisher ignorierten „Garmin-Träck-Fehler“ zu tun?
Daß es bis auf über 2140 m aufwärts geht, war schon erkennbar, aber wirklich erst nach ca. 42 gefahrenen Kilometern. Hm.

Dort fand sich neben der Schule des Ortes eine nette Nudelküche zur Stärkung (Kohlehydrate!) und der Ort der Entscheidung. Wer nimmt den Bus bis auf weiteres und wer radelt einfach weiter.
Isabelle hat über den Tag berichtet. Siehe unten.

Ich hab den Track auf dem GPSMAP64s verfolgt und hatte meinen Spaß damit. Die Richtung zum Ziel Zhaojue war im Prinzip stets eineindeutig, OK. Interessanterweise verlief der Track aber längere Zeit direkt in der Mitte des Flusses links unten (tief unten!) neben der Straße. Ich geh‘ mal davon aus, daß CBB den Weg vorher erprobt hatte und wir nicht die „Testpiloten“ waren, ob man(n) da überhaupt lang fahren kann. War also damals der Trail-Tester oder die Testerin hier womöglich einige Kilometer komfortablerweise mit dem Floß abseits der Straße unterwegs? Oder – bösartige Unterstellung meinerseits – ist der Track in Berlin an PC und Maus-Pad erzeugt worden und blöderweise mitten ins Flußtal verrutscht? Dieser Track tat sich darum insbesondere in den Angaben für’s Höhenprofil extrem schwer.
In dubio pro reo (lat. „Im Zweifel für den Angeklagten“ [https://de.wikipedia.org/wiki/In_dubio_pro_reo]).
Der Trail-Tester oder die Testerin hatte mit dem Navi evtl. wirklich Satellitenempfangsprobleme und zeichnete nur ungenaue Angaben auf. In dieser Schluchtenwelt jederzeit denkbar und zeitweilig am „Navi“ sogar sichtbar, wenn die nötige Satellitenzahl minutenlang unterschritten wurde.
Die Fotobeispiele mit den Profilangaben im Garmin und der Sicht „ins Gelände“ beweisen das für mich. Der „Berg“ im Track war in Wirklichkeit der links oder rechts der Straße.



Insider kennen die endlose Diskussion über die Genauigkeitsunterschiede zwischen Barometrischer Höhenmessung und GPS-basierter Höhenmessung [mehr dazu u. a. hier https://www.bergfreunde.de/basislager/hoehenmessung-mit-gps-oder-barometer/#]

„Um jedoch eine Angabe über die aktuelle Höhe zu erhalten, benötigt der Empfänger dazu das Signal von mindestens 4 Satelliten. Die Genauigkeit dieser geodätischen Triangulation der eigenen Position hängt zudem maßgeblich von der Qualität des Signals ab. Stehen viele Satelliten zur Verfügung, so erhält man ein gutes Signal, da sich der Empfänger die besten, also stärksten Signale raussuchen kann. Empfängt man jedoch lediglich genau vier Satelliten, so kann es sein, dass die Angaben über Position und Höhe sehr stark von den tatsächlichen Werten abweichen.

Das liegt daran, dass sich das GPS-Signal physikalisch ähnlich wie Licht verhält. Wolken schwächen das Signal ab, tiefe Schluchten können den Empfänger sogar komplett isolieren. Auch ein dichter Wald kann das Signal schwächen. Ebenso kann das Signal an Wänden reflektiert werden. Derartige Einflüsse stören das Ergebnis der Positions- und Höhenbestimmung mitunter so stark, dass unterschiedliche Laufzeiten vom Signalgeber zum Empfänger entstehen. Unter Umständen führt dies zu tatsächlichen Positionsabweichungen von bis zu 100 Metern.“
Aha! Ja. Wir radelten definitiv durch gigantische, beeindruckenden Schluchten.

Zurück zur CBB-Track-Vorgabe für Leibo-Zhaojue: 124.5 Fahr-km und +5159m, -4335m
Ergebnis am Tagesende laut Track-Aufzeichnung des GPSMAP64s: Leibo – Zhaojue.gpx: 125.9km, +2139m, -1281m
Auch nicht grad wenig, oder?
Mein Mini GPS maß:
Max Elevation: 2,140 m
Min Elevation: 458 m
3,294 kcal

Die Sorgen am Mittag vor den Höhenmetern waren mit Sicherheit berechtigt und jede(r) im Bus hat sich was gutes getan, nicht diesen Trail da hinauf zu radeln. Jede(r), die/der es trotzdem tat, hatte ein einmaliges Fahrerlebnis durch eine einmalige schöne Berg- und Tal-Landschaft sowie durch hochinteressante Orte mit kurzen Begegnungnen mit den Bewohner/Innen.
Hey, wir sind im Land der Yi (s.a [https://de.wikipedia.org/wiki/Yi_(Volk)], wie bereits im Yibin-Bilderbuch empfohlen).

Fazit: Laßt euch nicht von gpx-Track-Prognosen verunsichern. Schaut lieber selbst direkt nach indem ihr dahin radelt, auch wenn’s weh tut.
Ich merk‘ es besonders in den Waden u.a. beim Treppensteigen … 😉

Kommentarlinks für GPS-Höhenmeter-Erfahrungsberichte willkommen!


Glück im Unglück

Ein Tag voller Ereignisse! 

Zum Frühstück wurden wir von einer strahlenden Chefin mit hochgetürmter Dauerwelle empfangen, die uns stetig lächelnd heißes Wasser reichte, und anschließend noch ein paar Fotos mit uns schoss. Gestärkt von gebratenem Gemüse, einigen süßen Mantou, fluffigen Kuchenquadraten und/oder etwas Selbstmitgebrachtem machten wir uns nach unserem allmorgendlichen Gruppenfoto auf zur langen Abfahrt, die heute eine 125km lange Etappe einleiten sollte. Unglücklicherweise begann diese mit einem kleinen Schrecken, als Hartmut in einer der steilen aus der Stadt herausführenden Kurven auf dem feuchten Asphalt ausrutschte und böse stürzte. Wenige Minuten später aber, als Xiao Lei und ich mit ihm ins nächstgelegene Krankenhaus fuhren, konnte er schon wieder scherzen und meinte, er habe das alles nur gemacht, damit ich mich noch einen Tag ausruhen könne. (Danke dir Hartmut, sehr lieb gemeint!) Gott sei Dank stellte sich nach einigen Röntgenaufnahmen, für die wir extra noch die zuvor scheinbar nie benutzte Schutzkleidung aus dem Schreibtisch des Röntgenarztes hervorkramten, alles als „halb so wild“ heraus und der Leiboer Arzt verschrieb ihm lediglich einige Tage Ruhe (und ein paar Schmerzmittel).

Katharina sauste währenddessen mit dem Rest der Gruppe weiter vom ohnehin viel zu kalten Berg hinunter, für den einige sich noch mit Leggings vom Straßenmarkt und anderen warmen Kleidern hatten eindecken müssen, und traf sich knapp vor der Hälfte der Strecke mit allen zum Mittagessen. Hier teilte sich die Gruppe, da manche sich und ihren Gelenken nach den endlos langen Serpentinen des Vortages knapp 35km weiteren Anstieg ersparen und diesen Teil der Strecke lieber im Begleitfahrzeug vorüberbringen wollten. Durch gewaltige Schluchten ging es voran. Unten toste und brauste der Fluss, der sich über Jahrmillionen durch all die Gesteinsschichten bis nach unten gefressen hatte.

Immer und immer wieder lagen Kühe am Rand, standen Ziegen ungerührt der vorbeifahrenden Autos mitten auf der Straße. Je weiter wir uns in die Berge hervorarbeiteten, im Fahrzeug wie auch auf dem Rad, umso mehr traditionelle Kleider konnten wir auf den belebten Dorfmarktplätzen und neben den kleinen Häuschen sehen, die wir passierten. Einmal stieg unsere Besatzung aus, um einige Angehörige der Yi-Minderheit, in deren Land wir uns nun befinden, zu fotografieren. Allerdings stellte sich dann heraus, dass diese erst aufgrund eines weniger erfreulichen Erlebnisses zusammengekommen waren: Gegenüber fand gerade eine Beerdigung statt. Ups, dachten wir uns… Die Trauergäste versammeln sich vor dem Haus und werden mit einem Mal von weißen Paparazzi überfallen! Plötzlich sahen wir lauter Fahrzeuge, die aus den Kurven gefallen und den Hang hinunter oder gar in den Fluss gestürzt waren und gleich noch eine Beerdigung! Das beeindruckte unsere Gäste an Bord aber kaum, sodass sie uns verließen und die letzten 40km noch selbst hinauffuhren. Nach und nach kamen so alle wohlbehalten, wenn auch ganz schön erschöpft, in Zhaojue an. Mit einer kleinen Dattel-Goji-Schnaps-Verköstigung wärmten wir uns zum Abend dann schließlich noch genüsslich den Magen.


Hermann zieht den Helm

Tag 188 der Weltreise, 77 km von Guixi nach Leibo

Wir sitzen in unserem Zimmer und ziehen die Decken bis zur Nasenspitze. Es ist kalt. Fühlt sich nicht wie Südchina an und definitiv nicht subtropisch. Aber so ist es nun mal auf über 1000 m Höhe.

Aber von vorn: Nach einer entspannten Nacht im verschlafenen Guixi starten wir erstmal mit einer leckeren Nudelsuppe aus frisch zubereiteten geschabten Nudeln. Man muss nicht erwähnen, dass wir als Motiv für dutzende Schnappschüsse und Selfies dienten. Dann starten wir unsere Tour diesmal auf der gegenüberliegenden Seite des Yangtze. Das Panorama ist unglaublich, die Berge werden immer höher, das Wasser ist klar und grün, die Straße kaum befahren.

Ganze zwei Tunnel durchqueren wir. Einer davon ein martialisch in den Felsen gehauener Naturtunnel, bewacht von zwei wohlgenährten Schweinen die uns neugierig von oben herab beäugen.

Die Radfahrer-Riege und das Begleitfahrzeug-Team ist in den letzten Tagen gut zusammengewachsen. Alles klappt wie am Schnürchen. Und wir werden gut versorgt von Xiao Luo, die wie immer ein offenes Ohr für jeden Wunsch hat. Manchmal vielleicht zu fürsorglich. Isabelle, die wegen einer Erkältung gestern auf halber Strecke ins Begleitfahrzeug umgestiegen ist, versucht sie die ganze Zeit zu überreden weiter im Auto zu sitzen. Und so hat sie das Vergnügen mit dem verrückten Xiao Lei zu reisen, der ihr aber zusichert, sie brauche keine Angst zu haben, schließlich sei er  sieben Jahre Panzerfahrer in der Armee gewesen. Ob das wirklich beruhigt?

In der Zwischenzeit fahren wir immer den Yangtze entlang, der sich geschmeidig durch die felsige Landschaft schlängelt. Immer wieder stürzen Wasserfälle am Straßenrand in die Tiefe und gewähren hie und da eine erfrischende Dusche. (Xiao Lei benutz sie als Autowaschanlage)

Irgendwann müssen wir dann doch den Yangtze queren. In der Ferne gewahren wir die spritzenden Fluten vor dem angekündigten Staudamm. Wie erwartet dürfen wir die kürzere Strecke über den Staudamm nicht fahren. Also Klettern. 34 km lang. Ein Mann schreit uns hinterher: Das geht nicht, dreht um, das ist viel zu steil! Wir sind in diesem Fall beratungsresistent. Und treten kraftvoll in die Pedalen. Nach und nach entblößen sich die Häupter. Der Berg bringt alle Schädel zum dampfen. Schließlich lüpft auch Hermann seinen Helm. Macht er sonst nie. Er verneigt sich quasi vor dem Berg. Weiter geht’s immer bergauf. Am Straßenrand wachsen Bananen, wird Tabak, Zuckerrohr und Gemüse kultiviert. Und natürlich Chili in allen Formen und Farben.

Das Mittagessen zieht sich. Vor dem Berg wollten wir nichts essen, bergauf sind die Möglichkeiten rar gesät. 13 km vorm Ziel endlich: Nudel und Reis in allen Aggregatzuständen. Xiao Lei brät sich seine Nudeln selbst, amüsiert beobachtet vom eigentlichen Koch. Nach dem Mittagessen gehts entspannt weiter, wurde uns doch von einigen Einheimischen zugesichert, dass es ab nun eben nach Leibo geht. Was für ein Irrtum, aber wir beißen uns durch und bibbern nun in unseren Betten.

Übrigens: das Hotel in Guixi hatte keinen Fahrstuhl, Ergo: einer pünktlichen Abreiste stand also nix im Weg.


Durch sieben Tunnel mußt du fahr’n oder Wo ist Helmut?

Tag 187 der Weltreise, von Suijiang nach Guixi, etwa 72 km

Heute starten wir gemütlich zwischen 9 Uhr und 9:30 Uhr. Jedenfalls war das der Plan. Bis es Beat und mir gemeinschaftlich gelungen ist, den Fahrstuhl des Hotels zu schrotten. Tür verkantet, Beat im Fahrstuhl, Räder und Gepäck weiterhin im 4. Stock. Glücklicherweise gelang es Beat nach unten zu fahren und die gegenüberliegende Tür zu benutzen. Puh. Glück gehabt….Leider zu früh gefreut. Der Fahrstuhl kommt wieder nach oben und jetzt steht Helmut drin. Der war nämlich schnurstracks eingestiegen, so dass Beat ihn nicht mehr warnen konnte. Helmut steckte nun wirklich fest, denn mittlerweile werkelten drei Mechaniker ziemlich laienhaft am Lift herum. Und nichts ging mehr. Große Aufregung. Wir bringen derweil Gepäck und Räder via Treppenhaus nach unten. Geht auch. Mittlerweile hat einer der Mechaniker seinen Kollegen angerufen und es gelingt schließlich Helmut zu befreien und wir fahren mit einer zu verkraftenden Verspätung von etwa 10 Minuten los. Es ist der erste regenfreihe Morgen seitdem ich dabei bin. Zur Feier schmücken wir unsere Räder mit chinesischen Flaggen, die die umsichtige Xiao Luo versorgt hat. Lustig wedeln die Fähnchen im Wind.

Die Wolken hängen noch tief in der Schlucht. Doch nach und nach löst sich der Nebel auf und es erwacht eine leise Hoffnung nach Sonnenschein. Doch auch ohne diese genießen wir die Weite der Landschaft, den moosgrünen Fluß, die üppige Vegetation. Irgendwann führt ums der Track auf eine kleine Nebenstraße und dort auf einen stark verschlammten Feldweg. Alle schieben ohne zu murren ihre Räder durch Dreck und Pfützen. Nur Helmut nicht. Der hat den Duft der Freiheit gespürt und ist ausgebüchst. Aber Xiao Luo kriegt alle. Wenige Minuten später schiebt auch Helmut sein Rad nach oben. Dann gehts auf die Brücke und schwups gleich in den nächsten Tunnel. Und dann in den nächsten und in den nächsten und in den nächsten und und und…Unsere Augen haben kaum die Möglichkeit sich wieder an das Sonnenlicht zu gewöhnen schon sind wir wieder im Tunnel.

Irgendwann sind wir draußen und stehen im Stau. 60 Meter weiter sehen wir die Ursache. Autounfall. Wir fahren vorbei und frohlocken ob der uns erwartenden freien Straße. Huch! Schon wieder im Tunnel!

Irgendwann fahren wir tatsächlich ein etwas längeres Stück tunnelfrei und bemerken, dass tatsächlich die Sonne scheint! Wahnsinn. Gleich sieht alles viel bunter aus. Am Straßenrand reihen sich Obststände mit leckeren Bananen und Zitrusfrüchten. Und wenige Kilometer weiter lockt gebratener Reis. Nur nicht Jan und Helmut. Die sind schon durchgerauscht. Aber wie gesagt: Xiao Luo kriegt sie alle. Nach dem Mittagessen geht die fröhliche Tunnelfahrt weiter. Und jetzt sitzen wir hier im Hotel. Vor der Glasfront erheben sich grüne Sandsteinfelsen und auf dem Platz wird getanzt und geschwatzt.

Kleiner Nachtrag: für die Registrierung bei der Polizei mussten wir den beiden äußerst gründlichen Beamten nicht nur die Pässe aushändigen sondern auch die Telefonnummern aller Beteiligten.


Von den grünen Bergen Yunnans begrüßt werden

Tag 186 der Weltreise, knapp 90 km den Yangtze (Entschuldigung: Goldsand Fluß) hinauf nach Suijiang

Heute starten wir unsere Etappe bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel, nur ein paar vereinzelte Schäfchenwolken schwimmen durch den Sommerhimmel. Quatsch! Es ist 8:30 Uhr und wir stehen am Eingang zum Parkhaus im … Regen.

Im Regen quälen wir uns also durch den Yibiner Frühverkehr. Wir fahren und fahren und warten gespannt auf die Steigungen. Über 1000 Höhenmeter stehen heut auf den Plan. Lange passiert nichts.

Dann steht er plötzlich vor uns, der Berg. Gefühlt bewältigen wir 1000 Höhenmeter in einem Schub. Zwischenzeitlich hat ganz unbemerkt der Regen aufgehört. Gut für Beat, der gutes Wetter für den heutigen Nachmittag voraussagte und dem ich ein Bad im Yangtze versprochen hatte, wenn seine Prognose diesmal nicht zutreffen sollte. Nun gestaltet sich die Fahrt mal wieder zu einem Kostümfest mit schnellem Kleiderwechsel. Regensachen aus, weiter bergauf. Jacke aus. Windstopper an. Bergab, Jacke trüber, bergauf, Jacke aus.Auch die Kopfbedeckungen variieren, so daß Jan schon versucht Parallelen zu ziehen zwischen meiner Fahrweise und meiner „Mütze“.

Was geschah sonst noch? Heute ging es bergauf bergab am Yangtze entlang (pardon! Goldsand Fluß). flaschengrünes Wasser, grüne Berge im Rund. Eine Prachtsau begleitet (motorisiert) eine Weile unsere Gruppe. Ein wunderschöner großer Schmetterling hält Maria für eine Blume und setzt sich auf ihren orangen Helm.

Heute verlassen wir auch Sichuan und nächtigen in der Provinz Yunnan. In den kommenden Tagen eiern wir hier im Grenzgebiet herum. Übermorgen hat uns dann Sichuan wieder. Bis dahin genießen wir die (regenfreie) Zeit in Yunnan.


Da ist doch der Regenwurm drin!

Ruhetag in Yibin, es regnet

Ich wache auf. Stockdunkel ist es im Zimmer, nur durch einen kleinen Spalt in den dicken Vorhängen fällt ein dunstiger Schimmer von Licht. Ich schließe die Augen und versuche das Geräusch auszublenden, das Geräusch von Regen, der auf bereits regennassen Asphalt platscht.

Unsere Gruppe hat merklichen Zuwachs bekommen. Ingemarie, Hermann und Helmut sind gestern aus Deutschland angereist und werden uns gemeinsam mit Isabelle bis Kunming begleiten.

Der kurze Weg zum Flughafen (um die Neuankömmlinge abzuholen), immerhin nur 5 km, war allerdings alles andere als einfach zu finden. Zuerst wurde unser Fahrer Xiao Lei von seiner Navigations-App, die kunstvoll auf dem Knie balanciert aus seinem Smartphone zu ihm sprach fehlgeleitet und wir landen in einer engen Unterführung, eingekeilt zwischen hupenden Fahrzeugen um schließlich in einer verschlammten Sackgasse neben dem Bahndamm zu stranden.

Irgendwie schafft es Xiao Lei uns aus dem Gassenwirrwarr heraus zu manövrieren und fährt dann wie der Teufel. Jetzt weiß ich, warum er mich gebeten hat mich anzuschnallen. Wir sind sogar 10 Minuten früher da als gedacht. Das Flugzeug allerdings auch und wir müssen nicht lange warten am Flughafen, der den Namen nicht ganz verdient, ähnelt er doch eher einer überdimensionierten Garage. Dafür übersichtlich: Ein Eingang, ein Ausgang, das war’s.

Neue Teilnehmer – neue Räder. Und alte, die es nur mit Ach und Krach, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes Krach, nach Yibin geschafft haben. Reinholds Radlager ist mittlerweile so zerstört, das es klingt, als hätte man ihm eine Menge Konservendosen ans Rad gebunden.

Das bedeutet heut steht einiges an. Feuerprobe für Isabelle, die die Gruppe für eine Stadtführung übernimmt, während ich mich um die Räder kümmere. Und Yibin hat einiges zu bieten an chinesischem Alltagsleben: windschiefe Altstadthäuschen und Ahnentempel, die zu Teehaus und Spielhalle umgewidmet wurden, stehen in krassem Kontrast zu futuristischen Yangtze-Brücken und hypermodernen Hochhäusern. In einem Stand baumeln friedlich frischgeschlachtete Gänse während ihre Leidensgenossen aufgebracht in Käfigen darunter schnattern. Kleine Garküchen reihen sich getrieblich aneinander. Der Duft von Sichuanpfeffer, Chili und frittiertem Tofu hängt tief in den Gassen.

Hans kann nach der Stadtbesichtigung übrigens fast ins Metzgergewerbe wechseln. Zuerst wurde ihm quasi am lebenden Objekt vorgeführt, wie man Gänsen den Hals umdreht und dann wie man Frösche köpft.

Am Nachmittag steht allgemeines Begutachten und Pflegen der Räder an. Alles findet in der hoteleigenen Tiefgarage statt, einem staubigem Bunker mit Schlaglicht an verschiedenen Stellen. Könnte auch eine Szene aus dem Film „Underground“ sein. Zwischen dem ganzen Werkeln und Schrauben der nächste Schreck: Hartmut hat vor Freude über das frischgedruckte Geld seine Bankkarte im Automaten stecken gelassen. Xiao Lei und Isabelle kümmern sich darum und Hartmut erlebt sein ganz persönliches chinesisches Abenteuer.

Gegen 7 treffen wir uns wie gewohnt zum Abendessen.

Yibin

Bilderbuch am 185. Radweltreisetag in Yibin, wie gewohnt an einem sommerlichen Regentag

Yibin (chinesisch 宜宾市) ist eine bezirksfreie Stadt im Südosten der südwestchinesischen Provinz Sichuan. Das gesamte Verwaltungsgebiet von Yibin umfaßt ungefähr ein Quadrat von 150 x 150 km und in ihm wohnen ca. 4,5 Millionen Menschen. Im eigentlichen städtischen Siedlungsgebiet von Yibin leben ca. 550.000 Menschen.
Der Chang Jiang (Yangtze) hat von Yibin bis zum Meer noch ungefähr 2900 km vor sich.
Im „Worldatlas“ sieht man gut, wo wir gerade sind (https://www.worldatlas.com/as/cn/51/where-is-yibin.html)

Das Gebiet des heutigen Yibin lässt sich schon vor mehr als 2000 Jahren als ein Kreis namens Bódào (僰道县) nachweisen. Es ist nicht ganz eindeutig, ob der Kreis schon während der Qin- oder erst während der Westlichen Han-Dynastie gegründet wurde, aber gesichert ist, dass er im Jahre Jianyuan 6 des Kaisers Han Wudi, also 135 v. Chr., zur Präfektur Qiánwéi (犍为郡) gehörte. Im Jahre Datong 10 des Kaisers Liang Wudi, also 544 n. Chr. wurde auf dem Gebiet des heutigen Yibin der Verwaltungsbezirk Róngzhōu (戎州) gegründet. Zur Zeit der Nördlichen Zhou kam dann noch der Kreis Wàijiāng (外江县) hinzu, der während der Sui-Dynastie seinen alten Namen, Bódào, zurückerhielt. Im Jahre Zhenghe 4 der Nördlichen Song, also 1114, wurde Róngzhōu in Xùzhōu (叙州) und der ihm unterstehende Kreis Bódào in Yíbīn (宜宾县) umbenannt. Bis zum Ende der Qing-Dynastie hieß das Gebiet der heutigen Stadt Yibin, mit Ausnahme der Kreise Jiang’an und Pingshan, Xùzhōu.

Am 5. Oktober 1996 beschloss der Staatsrat der VR China, den Regierungsbezirk Yibin und die kreisfreie Stadt Yibin aufzulösen, auf dem Verwaltungsgebiet des ehemaligen Regierungsbezirks die neue, bezirksfreie Stadt Yibin zu errichten.

Yibin ist stolz auf seine Universität und die präsentiert sich sehr selbstbewußt der ganzen Welt, natürlich auch in english:
http://www.yibinu.cn/ENGLISH/Home.htm

Sehenswertes im Stadtgebiet [https://www.tripadvisor.com/Attractions-g679673-Activities-c49-Yibin_Sichuan.html]:
Auf der Liste der Denkmäler der Volksrepublik China stehen u.a. alte Gebäude auf dem Zhenwu Shan (ein Daoistischer Tempel aus der Ming-Dynastie u. a.) sowie die Huangsan- und die Shichengshan-Felsgräber aus der Song- bis Ming-Zeit

Unser Stadtbummel durch die engen Straßen in der Umgebung des Hotels vermittelt einen Eindruck in den Alltag. Eine Straße mit Verkaufsständen mit Geflügel, kleinen Aalen und Fröschen wie hier, war uns bisher in China noch nicht begegnet.
Nun ja, der Name der Stadt weist darauf hin, daß wir uns dem Siedlungsgebiet der Yi nähern [https://de.wikipedia.org/wiki/Yi_(Volk)]. Da gibt es halt die eine oder andere Leckerei, die wir nicht gewohnt sind.

Das Yibin Museum ist nur 5 Minuten vom Hotel entfernt und kostet keinen Eintritt. Bestimmt viel wissenswertes und interessantes aus Geschichte und Gegenwart wird da präsentiert, aber leider alles wichtige nur chinesisch.
Die Fotos und Illustrationen sind trotzdem sehr informativ, z.B. über die Felsgräber, die wir nicht direkt besichtigen können.

Für alle, die auch nach 22 Uhr unseren Reiseblog lesen dürfen, unser heutiges Special: Von diesen „Visitenkarten“ bekamen wir gestern Abend eine bemerkenswert vielfältige Auswahl unter die Hotelzimmertür geschoben:

Angeblich hat keine(r) da zurückgerufen … 😉
Für die Damen der Gruppe war leider eh nix attraktiv alternatives dabei. Macholaden verflixter! Räusper.

Mir fielen dazu diese Zeilen von Robert Gernhardt wieder ein:

Faires Angebot

Komm, Lust, und leg dich, schlafe ein,
Du wirst schon wieder wach.
Bleib eine Zeitlang flach,
Dann wirst du wieder tiefer sein.

Komm, Lust, und lass dich, hetz dich nicht,
Du wirst schon wieder mehr.
Bis dahin: schlaf! Nur wer
Sich nicht berührt, verletzt sich nicht.

Bleib dunkel, träume was du magst,
Schlag Salti, fliege, trau dich raus,
Verschweig, was du vermengst.

Wir warten, bis du wieder tagst,
Und uns – versprochen, altes Haus? –
Die alten Nächte schenkst.

Bilderbuch auf:

Konfuziustempel, Goldene Woche, Dauerregen und Tourjubiläum

184. Radweltreisetag: 78 km von Fushun nach Ybin im Dauerregen mit vernachlässigbaren Regenpausen

Am 1. Oktober 1949 wurde die Volksrepublik China ausgerufen. Somit beginnt heute die dritte der Goldenen (d.h. arbeitsfreien) Wochen des Jahres in China. Zu sehen oder zu merken ist davon am Morgen eigentlich nichts.
Wir gönnen uns einen späten Start, denn wir haben mal nicht ganz so viele Kilometer vor uns. Pünktlich 10 Uhr wird aus dem bisherigen Niesel- der inzwischen alltägliche feine Dauerregen. Ich fürchte, wir gewöhnen uns langsam daran.

Maria und Hartmut nutzen heute die Sitze im Begleitfahrzeug und schauen sich stellvertretend für alle den im Reiseprogramm erwähnten „grandiosen Konfuzius-Tempel“ an. Wir hatten gestern leider keine Zeit mehr dafür und wollten am Ende des Radeltages einfach nur noch ins Trockene.

„Der Konfuzius Tempel, ein nationales Schwerpunktdenkmal, befindet sich im Stadtzentrum von Fushun und zählt zu den am besten aufbewahrten großen Konfuzius Tempeln.
Der Tempel wurde ursprünglich in dem vierten Qingli Regierungsjahr der Nördlichen Song Dynastie (1044) gebaut. Man restaurierte ihn 1840. Nun besitzt der Tempel eine Fläche von mehr als 6,000 qm. Auf der Vorderseite des Tempels ist eine rote Wand. Innen ist ein Teich, über den drei Brücken sind. Hinter dem Teich ist das Stein Träger, der Lingxing Tor heißt. Oben der Stufen ist MinglunTang namend Cha Tor. Auf beider Seiten sind die Zimmer für Kleidung und Opfergabe. Hinter dem Cha Tor ist ein Platz. Danach sieht man den Altar von Mond und Sonne. In der Mitte ist das Relief von neun Drachen. Beider Seiten gibt es Steinstufen, die zum Altar führen. Hinter dem Altar sind die Hauptgebäude von dem Tempel: die Hacheng Halle, der Pangong Palast, die Chongsheng Halle usw.
Der ganze Tempel ist im Dougong Baustil der Ming und Qing Zeiten: fliegende Dächer, schöne Bilder, fliegende Drachen, in goldener Farbe, glänzend unter der Sonne. Prächtig und altertümlich …“
[http://www.sichuanreisen.com/about-sichuan3.php?id=9349]

Danke Hartmut für die Fotos und Deine Notizen dazu:
Der Konfuzianistische Tempel zeigt keine Elemente des Buddhismus oder des Taoismus, sondern er beschränkt sich auf die Darstellung von Konfuzius selbst und an den Seiten die Gelehrten, die nach seinem Tod seine Lehre verbreitet haben und die wesentlich zur Einigung und Staatsgründung von China beitrug.

Nach dem Konfuzianismus soll der Mensch nach moralisch-ethischer Vervollkommnung streben und sich an folgend Konstanten orientieren:
* Menschlichkeit und Nächstenliebe
* Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit
* Ritueller Anstand und Sittlichkeit
* Weisheit
* Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit
* Loyalität (Untertanentreue gegenüber dem Staat und in der Familie dem Mann)
* Kindliche Pietät (Folgsamkeit und Respekt gegenüber Eltern und Ahnen)

Wir anderen brauchen etliche Kilometer, um Fushun hinter uns zu lassen und auch danach führt die Straße ohne große Unterbrechungen fast ständig durch kleinere und größere Orte. Sattes Grün bestimmt das Bild am Straßenrand, glänzend aufpoliert durch den nun schon tagelangen Regen. Gärten, große und kleinere Felder (viel Reis!) wechseln sich ab.

In einigen Orten sitzen große Gruppen Menschen beim Essen zusammen. Da waren eine Hochzeit, eine Trauerfeier aber auch andere große Runden dabei. Ob die was mit dem Jahrestag der Gründung der Volksrepublik zu tun hatten?

Nach dem Mittagsstopp in einer Regenpause – natürlich mit einer leckeren Reis-„Tafel“ – hofften wir schon, recht früh und nicht total durchnäßt unter der warmen Dusche anzukommen, aber der Regen schaltete 3 Gänge hoch und der Weg hügelte sich auf einer kleinen nicht immer schnell befahrbaren Nebenstraße 20 km durch eine malerische Landschaft mit vielen kleinen Orten, die im Nachmittagssonnenschein bestimmt noch reizvoller ausgesehen hätte. So kamen dann letztlich doch +490m / -441m Höhenmeterchen zusammen.
Tja, „Der Weg ist das Ziel“, soll Konfuzius mal gesagt oder sogar notiert haben.

Ybin empfängt uns wie versprochen sehr quirlig und massenbewegt. In den Straßen um das „Ybin Grand Hotel“ (hm, groß ist es wirklich …) sind auch am Abend noch ganz viele Leute unterwegs. Die Shopping Mall glitzert auch echt verführerisch.

Ach ja, das Tourjubiläum. Die Radweltreise ist seit dem 1. April heute genau ein halbes Jahr unterwegs! Tusch!!
Darauf wollte ich hier bei meinem Reisekilometer 14.616 wenigstens hingewiesen haben.

Hallo und herzlich willkommen unseren neuen Mitradler/innen, die ab morgen und dann per Fahrrad ab übermorgen mit uns auf Tour sein werden.

Wir freuen uns aber erst mal auf den Ruhetag morgen. 🙂

Platsch! Ein Tropfen, noch einer, es regnet..

183. Reisetag: 123 km von Dazu nach Fushun

Nach einem entspannten und vor allem regenfreien Tag in und um Dazu, gehen wir heute die nächste Etappe in Richtung Yunnan an. Der Himmel ist verhangen, dennoch scheint es weitestgehend trocken. Pünktlich beim obligatorischen Gruppenfoto vor der Abfahrt, platscht mir der erste dicke Regentropfen auf die Nase. Es bleibt aber bei einigen wenigen und so fahren wir bei angenehmen Temperaturen über nahezu frisch geteerte Straßen an Reisfeldern und Bambusplantagen vorbei.

Irgendwann hinter Dazu verlieren wir dann das erste Begleitfahrzeug und dann das zweite, in dem Maria sitzt, die immer noch mit ihrer Erkältung zu kämpfen hat. Wir radeln derweil unverzagt weiter. Offene Landschaft mit vereinzelten Gehöften, quirlige Marktflecken und mehr oder weniger ärmliche Dörfer wechseln sich ab. „Ancient Towns“ an denen nur der Name „ancient“ ist, stehen, wie vom Himmel, gefallen an der Provinzstraße. Unbewohnt, leer, sauber. Für den perfekten chinesischen Werbefilm fehlen nur noch die jungen erfolgreichen Paare mit den staunenden, attraktiven, wohlerzogenen Kindern und natürlich eine entsprechende säuselnde Stimme. Ein wenig weiter des Weges queren wir ein idyllisches Gewässer über das sich eine historisch anmutende Brücke spannt. Zu klassischen chinesischen Klängen, spielt sich über der Wasseroberfläche eine perfekte Springbrunnen-Chreographie ab. Es fehlt allein das Publikum. Und dann…sind wir wieder im wirklichen China. Über Kilometer säumen Keramikwerkstätten unseren Weg, die offenbar einzig und allein riesige Tonkrüge für Hochprozentiges produzieren. Sogar an einem Museum über die lokale Töpfereikunst fahren wir vorbei.

Wo der Behälter ist darf natürlich der Inhalt nicht fehlen. Die Destillerien erkennt man nicht nur an dem überdimensionalen Schriftzeichen für Schnaps sondern auch am Geruch.

Trauerfeierlichkeiten, man vernimmt sie schon lautstark aus der Ferne – mindestens drei davon erleben wir heute. Hier auf dem Land wird eine Beerdigung noch auf traditionell Weise gefeiert: Mit der Verwandten und Freunden des Toten, die mindestens drei Tage bleiben und sich im Gegensatz zu unsern Sitten und Gebräuchen in Weiß kleiden. Nach der chinesischen Vorstellung, leben die Toten, bzw. deren Seelen in einer anderen Welt weiter und man veranstaltet eine großartige, extravagante und laute Trauerfeier.

Am späten Vormittag treffen wir wieder mit den beiden Luos und dem Begleitfahrzeug zusammen. Derweil kurvt Maria immer noch mit Xiao Lei und dem anderen Fahrzeug auf wilder Fahrt durch Sichuan. Wie durch ein Wunder treffen wir aber zum Mittagessen wieder alle zusammen. Eine junge Familie bekocht uns mit einfachen und leckeren Gerichten. Wir werden neugierig beäugt und bestaunt, allgemein freut man sich darüber „Langnasen“ mal in Echt und in Farbe zu sehen. Mittlerweile hat sich der leichte Niesel zu einem amtlichen Regen ausgewachsen, der keine Anstalten macht aufzuhören. So wird das Letzte Drittel mal wieder zu einer richtig nassen Angelegenheit.