Bilderbuch am Ruhetag 5 – Riga

Zwei Ruhetage in Riga, Stadtbesichtigung mit dem Rad, Entspannen und Organisieren

Faszinierende Stadt, zu Fuß, auf dem Rad oder einfach beim Blick aus dem Fenster.

Wir verarzten diverse Wehwehchen, verpacken Astrids Rad für den Rücktransport nach Frankfurt, probieren uns durch diverse kulinarische Spezialitäten, plotten neue Tracks, waschen Wäsche, schmieren Riemen, putzen Fahrräder, lassen die Bein baumeln – und ob jemand die Massageangebote im Untergeschoss wahrgenommen hat, habe ich noch nicht gefragt.

Insgesamt ziemlich viel Balsam auf die Seele, und Riga Balsam auf die Leber!

Heißer, heißer Rigastrand (Schön, schön, schön war die Zeit!)

23 km von Jurmala nach Riga, Sonne, Rückenwind und Radinfrastruktur

Es ist weit gekommen mit unserem Musikgeschmack. Vorgestern noch Pink Floyd, heute schon Freddy Quinn. Vor fast 20 Jahren, als China By Bike noch in den Kinderschuhen steckte, hatte ich mal einen Teilnehmer, der, sobald es länger bergauf ging, immer „Heißer, heißer Wüstensand“ intonierte. Das prägt sich ein.

Vielleicht ist auch Karin Schuld, die jede Loveparade mitgemacht hat, Schlagerfestivals liebt und sich darauf freut, auf der Tour durch den Geburtsort von Helene Fischer zu kommen.

Wer auch immer das ist…

Wir lassen es auch radtechnisch seicht angehen und schauen am Mittag erst einmal dem Strandbiathlonwettbewerb zu: 10 km mit vier Schuss Bier, den letzten im Liegendanschlag!

 

Am Nachmittag fahren wir dann in die erste Stadt mit einer nennenswerten Radinfrastruktur: Riga. Eigentlich ein Armutszeugnis, lieber Berliner Senat! Wenn Riga das hinbekommt, warum dann nicht die deutsche Hauptstadt, die es nur Vilnius verdankt, nicht jetzt schon als Schlusslicht der Radfreundlichkeit auf unserer Radweltreise dazustehen?

Wir sind auf jeden Fall tief beeindruckt, dass ein gut ausgebauter Radweg von der Stadtgrenze Jurmalas bis ins Zentrum Rigas führt, nicht immer perfekt, aber durchaus fahrbar und durchdacht. Und mit einigen zauberhaften Passagen!

 

Wie uns Riga überhaupt ziemlich beeindruckt.

Aber davon mehr morgen, wenn eine Stadtrundfahrt mit den Rädern ansteht.

Störche, Wind und Meer

94 km von Mezotne (Bauska) nach Jurmala, sonnig mit Wolken, gnadenloser eisiger Gegenwind

Wir starten am Schloss Mezotne in einen sonnigen Tag. Nur wenige weiße Wolken ziehen am blauen Himmel. Sie haben es aber verdammt eilig. Schlechtes Zeichen.
Das Storchenpaar im Nest auf dem Baum gegenüber klappert uns ein freundliches Adieu zu.
DIE Gelegenheit auch endlich mal die vielen Adebar-Paare zu erwähnen, die uns schon seit Polen, in Litauen und nun auch in Lettland von hoch oben in fast jedem Ort begrüßt haben.
Einige bauen noch fleißig am Nest, andere staken bereits in Seen und Feldern auf Futtersuche für die brütende Störchin.

Los geht’s und als erstes begegnet uns ein alter Bekannter der letzten Tage – der eisige Gegenwind. Die ersten 18 Kilometer führen uns über eine „naturbelassene“, von landwirtschaftlichem Gerät geformte Straße. Da beginnt man(n) sogar von asphaltierten Buckelpisten als Alternative zu träumen.
Wir schaffen die 18 km in knapp 2 Stunden und überlegen ernsthaft, ob wir das noch weitere 80 km haben wollen. Da steckt der vorgestrige Tag noch im Hinterkopf.
Weitere 10 km später sitzen wir dann tatsächlich wieder zu viert im Bus. Stefan und das Mifa-Fahrrad bleiben dennoch bis zum sehr späten Abend eisern auf der Piste. Respekt!

Wer schon am frühen Nachmittag in Jurmala ankommt, hat dann Zeit für einen ausgedehnten Spaziergang durch den Ort, vor allem am Meer entlang. Am langen Sandstrand bläst der Wind noch heftiger und kälter, aber hier lässt mensch sich gern durchpusten.
Ein Strandcafe mit gläsernem Windschutz lädt zum Sonnenbad mit Kaffeegenuss ein.

Die schwarzweißen Vögel über uns heißen jetzt Möwen und machen das Ostseefeeling perfekt.

Ein gemeinsames leckeres Abendessen bei „Grill&Fish“ mit legendären Schwarz-weiß-Filmlegenden am TV an der Wand (tonlos aber sowas von rührend …) sowie Rigas Melnais balzams for afters – Tag 21 war ein echt schöner Tag!

Astrid & Peter

Und jetzt: Das Meer!

Den heutigen Blog übernehmen Astrid und Peter, er wird morgen Abend online sein.

Zum Zeitvertreib der Beweis: Wir haben unsere erste Meeresküste erreicht! (Ostsee)

Fink Ployd

114 km von Panevezys nach Mezotne, wechselnde Winde und Bilderbuchwetter

Wenn ein Tag mit einer Smooth-Jazz-Version von Pink Floyds „Time“ anfängt, kann der Tag eigentlich nichts werden. Nicht wegen dem genialen Song von der „Dark Side of the Moon“, der mit der schönen Zeile „Taking away the moments that make up a dull day“ anfängt.

Also genau das, was wir hier im Blog für jeden Tag machen: Die langweilen Momente vergessen und von den interessanten erzählen.

Aber eine Smooth-Jazz-Version davon? Also von „Time“. Aber im Blog hättet ihr das ja auch nicht so gerne, oder?

Also kurz und rough: Schön war’s heute!

Zumindest bis zur Mittagspause. Der Wind kam schwach von der Seite und etwas stärker von hinten, der Frühling ist nun deutlich an Flora, Fauna und Laune zu spüren. Alles grünt so grün, und schon ist der nächste Ohrwurm da, der Pink Floyd für ein paar Kilometer ablöst.

Am Nachmittag ist Pink Floyd wieder da, was auch dringend notwendig ist, da der Wind inzwischen auf das bewährte Nordwest gedreht hat und wir – siehe gestern – unser Vorderrad ja immer mit dem Wind drehen müssen. Da ich Kopfhörer beim Radfahren hasse, muss David Gilmore eben mental singen und ich stimme zuweilen ein, laut gegen den Wind, was daher glücklicherweise niemand hört.

Die Grenze zu Lettland ist dann sehr unspektakulär, sieht man einmal von der fehlenden Asphaltdecke ab, die auf acht Kilometern Länge die beiden baltischen Staaten verbindet. Zwischen Polen und Litauen war auch schon Piste. Kann man sich nicht über Zuständigkeiten einigen oder warten beiden Länder jeweils auf die EU, die ja für das Zusammenwachsen und damit vielerorts auch für den Asphalt zuständig ist?

Wie auch immer, wir überleben auch den Nachmittagsgegenwind und rollten Punkt 19:00 Uhr in unserem Schloss, Heimat für eine Nacht, ein.

Mit der Pink-Floyd-Platte war ich dann auch durch.

„There’s someone in my head, but it’s not me!“

Stimmt: David Gilmore!


North by Northwest – oder: Der unsichtbare Fünfte

116 km von Kaunas nach Panevezys, heftiger Gegenwind und leicht schwindende Motivation

Es gibt ja einige Menschen, vor allem im China-By-Bike-Büro und bei mir zu Hause am Küchentisch, die mich als Regenmacher bezeichnen. In den letzten Jahren musste ich ja nur eine Tour übernehmen und die Niederschläge eines ganzen Jahres pladderten auf die Gruppe herab.

Mit dem Schneeregenstart der Radweltreise haben sich wohl einige bestätigt gefühlt. Nur: Seitdem haben wir mit einer Halbtagesausnahme fast perfektes Wetter, keine Niederschläge, Sonne satt.

Und Wind. Die erste Woche noch von hinten. Seitdem stetig ansteigend von vorn. Die ersten bösen Zungen machen mich nun für den Gegenwind verantwortlich. Wir fahren nach Osten – Wind kommt aus Osten. Wir haben eine einzige Etappe auf der gesamten Radweltreise, die strikt nach Westen führt: Westwind!

Heute dann Richtung Nordwesten.

Der Wind?

Ihr habt es erraten!

(Das ist ein See, kein Fluss!)

Dabei ist die Strecke wunderschön, die litauischen Autofahrer zeigen sich von der besten Seite (die Abwesenheit!), es könnte alles so perfekt sein. Nur der Wind, der treibt uns vor allem nach dem Mittagspicknick zur Verzweiflung.

Am Ende sitzen dann alle im Begleitfahrzeug. Alle?

Nein, Stefan, der einsame Sachse, hält die Radlerfahne oben und „rammelt“ bis Panevezys durch, um in seinem einheimischen Idiom zu bleiben. Ok, wer nordwärts durch Mauretanien geradelt ist, den stört auch baltischer Sturmwind nicht.

Was bleibt vom Tag?

Durchblasene, zunehmend gestählte Radlerkörper, die heute einen schwachen Tag hatten, exzellentes Schmutzbier und ebensolches Abendessen in unserem Nachtquartier, einer umgebauten alten Mühle.

Und der Wind schreit: (hat uns für die Nacht nicht mehr interessiert!)


Bilderbuch am Ruhetag 4 – Kaunas

Ruhetag mit Stadtspaziergang in Kaunas

Anders als in Vilnius macht Kaunas den Eindruck, dass im historischen Zentrum auch Einheimische wohnen. Trotz einer Überdosis nationalem Patos in Gebäuden und Denkmälern genießen wir den gut dreistündigen Stadtspaziergang mit Ramute, die uns ihre Stadt und ihr Land souverän und routiniert erklärt.

Ein Ruhetag, wie wir ihn nach der gestrigen harten Etappe gut gebrauchen können. Ab morgen dann vier teilweise recht anspruchsvolle Etappen bis nach Riga. Wir sind gespannt.

Hier das obligatorische Bilderbuch vom Ruhetag.

Vier Jahreszeiten und ein Testosteronproblem

127 km von Vilnius nach Kaunas, starker Gegenwind und beim Wetter fast alles dabei

Vor einem Jahr, kurz bevor ich mit meiner Familie, dem Tandem und dem Kinderanhänger auf Erkundung nach Polen geradelt bin, haben mich viele Freunde, vor allem Polen, gewarnt: Die Polen würden wie die Henker fahren und seien die rücksichtslosesten weltweit.

Schon bei der Erkundung konnte ich diesen Eindruck nicht bestätigen. Nach zwei Wochen Radfahren in Polen stellen wir nun unisono fest: Polen ist, was das Verhalten der Autofahrer angeht, fast ideal zum Radfahren. Vielleicht liegt es ja daran, dass die rücksichtslosen Zeitgenossen sich auf die gemeinsame Vergangenheit beider Länder besonnen haben und alle nach Litauen gezogen sind.

Wie auch immer: Litauische Autofahrer haben ein Problem. Das sind einerseits wir, die wir ihnen als Radfahrer Platz wegnehmen, selbst wenn die Straße sechs Spuren hat. Andererseits liegt das Problem aber tiefer. Man sagt ja, dass autofahrende Männer andere Unzulänglichkeiten mit rasanter Fahrweise und großen Autos kompensieren. Wenn das stimmt, sind litauische Männer wohl unterhalb der Gürtellinie recht spärlich bestückt. Imponiergehabe, wohin man schaut, quietschende Reifen beim An- und Um-die-Kurve-Fahren und nie – wirklich nie! – auch nur einen Millimeter für einen Radfahrer ausweichen. Einfach so tun, als sei er nicht da, dann wird schon alles gut. Oder gleich so, wie ich auf der Einfahrt nach Kaunas erfahren musste: Dem vorfahrtsberechtigten Radfahrer in die Augen schauen und dann im letzten Moment mit einem zynischen Grinsen im Gesicht losfahren, so dass dieser eine Notbremsung machen muss.

Nein, ein Radfahrland ist Litauen nicht, da helfen auch breite Radwege in Kaunas Innenstadt nichts.

Dabei hatten wir durchaus einen schönen Tag mit Wetter aus allen Jahreszeiten. Von frühlingshaftem Vögelzwitschern über sommerlicher Ankunft in Kaunas, herbstlicher Endzeitstimmung und winterlichen Regengüssen war alles dabei. Sechs Kilometer brachten wir unser Begleitfahrzeug auf Feldwegen zur Verzweiflung und weitere fünf Kilometer sind wir entspannt durch den Wald geradelt, auf einem nicht asphaltierten, aber höchst angenehm zu fahrenden Waldweg.

Eine anstrengende, aber landschaftlich wunderschöne Tour mit allen Höhen und Tiefen. Vielleicht ist Litauen ja doch ein Radfahrland. Dafür müssten aber die Litauer von ihren westlichen Nachbarn, den Polen, lernen.


Bilderbuch am Ruhetag 3 – Vilnius

10 km Stadtrundfahrt mit dem Rad durch Vilnius

Heute nur ein bedingter Ruhetag, da wir uns für die Stadtbesichtigung auf unsere Räder schwingen. Hat Spaß gemacht, obwohl seit heute Berlin den Titel der radunfreundlichsten Stadt der Reise los ist. Da hilft auch ein spontanes Treffen mit dem Bürgermeister von Vilnius nicht, der erst gar nicht nachfragt, wie wir seine Stadt finden. „Ziemlich interessant“, wäre die Antwort gewesen, aber für Radfahrer nicht wirklich ein Paradies. Auch dank Warnwestenpflicht und Bürgersteigfahrerlaubnis. Selbst Uziopio, die Künstlerrepublik jenseits der Vilna (den Fluss, den die Polen aber anders als die Litauer nennen, aber das ist sowieso eine lange Geschichte, mit den Polen, den Litauern, den Deutschen und den Russen, die hier tatsächlich mal friedlich aber ziemlich ohne Berührungspunkte nebeneinander lebten. Einig waren sie nur in ihrem Hass auf die Juden der Stadt, die einst eine stolze Gemeinde in den Hunderttausenden waren und die wechselnden Besatzer und Herren kaum überlebt haben.)

Auf jeden Fall ein sehr interessanter Tag, der in einem Altstadtbiergarten endet, mit Wildbret und Bier.

Und einer Menge Fotos für die Galerie!

Jubel, Trubel, Heiterkeit

28 km von Trakia nach Vilnius, Sonne, kaum Wind und Verkehr, mit einer Bergprüfung am Ende

Wir sind in einer Zeitschleife gefangen. Ludmilla, die natürlich so wahrscheinlich nicht heißt, ist auf der Frühstückstation und hat wohl unter Breschnew gelernt. Käse. Wurst. Gurke. Auf dem Teller. Frühstück! Nachfragen werden mit einem genervten Augenrollen beschieden. Der Kunde ist König. Und der König ist tot. Wäre irgendwo am Ural ok, aber nicht in einem Dreisterne-Hotel für 60 Euro das Zimmer in einem EU-Land.

OK, genug gemeckert.

Weil es uns eigentlich gut geht. Trakai liegt fast schon schmerzhaft malerisch auf einer Halbinsel, hat zwei ziemlich amtliche und interessante Kirchen (1x katholisch, 1x orthodox) und ein noch spannenderes Wasserschloss, über fast das gesamte 20. Jahrhundert hinweg restauriert und heute absoluter Touristenmagnet. Was uns besonders auffällt, weil wir seit Berlin eigentlich kaum Touristen getroffen hatten. Heute also Sonntagsausflug für alle und besonders im Wasserschloss und der angeschlossenen Gastronomie.

Das Radfahren ist dann die leichteste Übung des Tages: knapp 28 recht flache Kilometer bis nach Vilnius, mit einer Bergprüfung kurz vor der Fußgängerzone und damit vor dem Hotel, die eigentlich nur Stefan gute Laune ins Gesicht zaubert (Ok, ich sehe das als neutral).

Dann rollen wir durch das Tor der Morgenröte in die Altstadt von Vilnius ein und nehmen unser Quartier in einem ehemaligen Kameliter-Kloster.

Und freuen uns auf den morgigen Ruhetag!