China

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Kilometerschruppen

Tag 147 der Weltreise: 86 km von Jinzhong nach Pingyao auf flacher Strecke bei sonnigem Wetter.

Gestern hatte ich von der Kohle berichtet, heute geht’s wieder um Kohle. Diesmal aber tatsächlich um den ehemaligen Reichtum der Stadt Pingyao. Hier war ab dem 14. Jahrhundert zu Zeiten der Ming- und Qing-Dynastie das Finanzzentrum Chinas angesiedelt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden hier die ersten Privatbanken Chinas gegründet und die Bankiersfamilien Pingyaos waren unermesslich reich. Das ist lange vorbei. Seit Shanghai Anfang des 20. Jahrhunderts in der chinesischen Finanzwelt den Ton angab versank Pingyao in einen Dornröschenschlaf und wurde erst in den 90er Jahren durch den Tourismus und die Aufnahme ins UNESCO Weltkulturerbe 1997 wiedererweckt.

Aber erstmal wieder zurück auf Anfang. Unsere Etappe beschränkte sich heute mehr oder weniger auf das Überbrücken von Kilometern. Etwas mehr als die erste Hälfte der Tour fuhren wir auf einer großangelegten vierspurigen Landstraße. Eine Abwechslung beim Radeln bot ein Straßenmarkt, der sich am Straßenrand entlang zog. Kurze Zeit später kehrten wir in ein Nudelrestaurant an der Strecke ein und oh Wunder, erregten wieder jede Menge Aufsehen. Ohne Fotoshooting läuft ja inzwischen kaum ein Essen mehr ab. Auch unterwegs auf dem Rad kommt es manchmal zu den spannendsten Fotoshootings. Karin wurde zum Beispiel von einem Fahrzeug ausgebremst und eine Frau sprang heraus, nur um ein Selfie mit ihr zu machen.

Nachdem wir auf eine etwas kleinere und ruhigere Nebenstraße abgebogen waren kamen wir noch durch den Ort Qixian, der eine kleine aber völlig intakte Altstadt hat. Rund vierzig Kilometer weiter erreichten wir dann Pingyao. Kaum ist man im Altstadtbereich von Pingyao, umfängt einen der Trubel. An Radfahren war nicht mehr zu denken, wir mussten die Räder durch die Menschenmassen schieben. Heute ist Sonntag der wichtigste Familientag. Alle gehen shoppen oder machen Ausflüge. Ich hoffe morgen, wenn wir unsere Besichtigungsrunde machen, ist nicht mehr ganz so viel Trubel.

Eine Oase der Ruhe hingegen ist unser Hotel, eine ehemalige alte Familienresidenz mit mehreren kleinen Höfen. Wir wohnen im hinteren Hof und daher dringt der Lärm der Straßen nicht bis hier her. Zum Wohlfühlen trägt natürlich auch der klassische chinesische Stil der gesamten Hotelanlage bei. Man kann sich ein bisschen wie ein Mitglied einer der feudalen Familien des 19. Jahrhunderts fühlen.


Jede Menge Kohle

Am 147. Tag der Weltreise fuhren wir 99 km über Berg und Tal bei sonnigem Wetter.

Jede Menge Kohle. Überall. Gemeint ist leider nicht der Renminbi, sondern richtige Kohle. Sie wird hier überall abgebaut und auf LKWs abtransportiert. Sie hängt hier in der Luft, der Kohlestaub setzt sich auf alles ab. Die Kohle ist quasi überall. Viele Pflanzen sehen gespenstig schwarz aus, wir nach einer Weile Radfahren auch.

Der erste Teil unserer Etappe ist wieder stark frequentiert mit Kohlelastern. Erst als wir lange später auf eine andere Straße abbiegen wird es ruhiger. Nur noch vereinzelt LKWs. In einem kleinen Ort kehren wir ein und essen Nudelsuppe oder gebratene Nudeln. Das ideale Radler-Mittagessen. Natürlich sind wir auch in diesem Restaurant wieder die Attraktion. Ein alter Mann, der wegen der vielen fehlenden Zähne kaum zu verstehen ist, redet immer lauter weil er denkt, dass wir ihn nichtverstehen weil wir etwas schwerhörig sind. Half aber leider nicht.

Die Restlichen 30 km bestehen aus zwei weiteren Anstiegen und einer relativ langen Abfahrt. Das sind immer meine Lieblingsabschnitte. Ein paar Kilometer vor dem Ziel schlachteten wir noch eine Melone, gespendet von Gerhard oder Karin, jeder von ihnen hatte eine Melone gekauft und eine davon aßen wir. Sehr erfrischend nach einer langen staubigen Etappe! Die letzten Kilometer führten uns dann durch die Vorstadt bis ins Zentrum, wo unser Hotel liegt. Zu Abend gab es heute Feuertopf, damit wir schon mal wissen was uns in Chongqing erwartet.


Wie von einem anderen Stern

146. Reisetag. 71 km überwiegend bergauf, bei anfangs schönem Wetter und gegen Ende leichter Regen.

Im Hotel war heute morgen großes Spektakel. Ein Fernsehsender bereitete den Dreh einer Show vor. Jede Menge Komparsen und Tanzgruppen tummelten sich vor dem Hotel. Für unser tägliches Gruppenfoto schleppte Martin gleich zwei verkleidete Komparsen ab damit sie unser Gruppenfoto ein wenig aufpeppen.

Als wir dann losfuhren, reihten wir uns in die Kolonne der Kohle LKWs ein, die sich am Hotel vorbeischoben. Die ersten 20 km waren nicht einfach, denn die vielen LKWs wirbelten jede Menge Staub auf und die Straße war in einem bemitleidenswerten Zustand. Wir bemitleideten uns auch ein wenig. Nach ca. 20 km kam dann die ersehnte Abzweigung auf eine schöne und einsame Landstraße. Die war nicht nur besser in Schuss, man konnte auch die motorisierten Fahrzeuge an einer Hand ablesen. Erst als wir wieder eine größere Ortschaft erreicht hatten und zu Mittag gegessen hatten, nahm der Verkehr wieder spürbar zu. Leider hatte sich in der Zeit in der wir unsere Nudeln schlürften der Himmel zugezogen und es begann zu tröpfeln. Wir hörten sogar Donnergrollen in der Ferne. Einige Zeit flohen wir vor dem Regen, aber dann holte er uns schließlich doch ein. Oder wir ihn, da waren wir uns nicht ganz einig. Einige Kilometer vor unserem Ziel hörte der Regen dann aber wieder auf und wir waren wieder trocken als wir im Hotel ankamen.

Auf der Suche nach einem Restaurant schlenderten wir am Abend durch die Stadt in der Nähe des Hotels. Es ist erstaunlich, wie viel Aufmerksamkeit wir hier in der Gegend auf uns ziehen. Die Leute bleiben ständig stehen um uns anzustarren als seien wir von einem anderen Stern, machen mehr oder weniger heimlich Fotos von uns oder von sich mit uns…. Und sobald sie merken da spricht ja einer Chinesisch, ist es vorbei mit der Schüchternheit. Dann bestürmen sie einen mit allerlei Fragen und wollen natürlich noch mehr Fotos machen. Viele Autofahrer fahren plötzlich im Schritttempo neben uns her und machen aus dem Fenster Fotos von uns. Es ist schon lustig immer wieder so im Mittelpunkt zu stehen aber nicht, dass wir noch Starallüren bekommen.


Rollen lassen

145. Reisetag. 120 km überwiegend bergab, dann nochmal 15 km Anstieg, eine Abfahrt und die letzten 8 km hügelig. Das Wetter und die Landschaft hätten schöner kaum sein können.

Frischer als erwartet ging unsere Tour los. Einige von uns waren kurz vor dem Hotel um die Temperatur zu checken, aber wenn man auf dem Rad sitzt und hauptsächlich bergab fährt, wird es einem doch kälter als man erwartet. Und das trotz Sonnenschein. Aber in den Bergen ist das keine Garantie für wohlige Wärme. Aber dennoch es rollte wie von selbst und wir kamen ausgezeichnet voran. Ein wenig unangenehm waren auf einer Strecke von etwa 30 km die vielen Kohlelaster, die dicht an dicht an uns vorbei brausten. Mehrfach fuhren wir an Restaurants vorbei und wir waren alle der Ansicht, dass es zum einen noch zu früh sei zum Essen und man außerdem noch nicht genug geleistet habe. Stetiges bergab fahren ist ja keine große Heldentat es rollt halt einfach. So kehrten wir erst nach rund 80 km um halb eins in einem Trucker-Restaurant ein. Die Wahl des Restaurants war nicht so besonders glücklich, aber wir waren zuvor kilometerweit durch unbesiedeltes Gebiet gefahren und dachten, wir sollten besser die Gelegenheit ergreifen. Das war auch gut so, denn später kam auch tatsächlich sehr lange keine Essensgelegenheit mehr.

Nach dem Mittagessen begann dann unser Anstieg. Wir schraubten uns fast 500 Höhenmeter auf rund 13 km hoch durch wunderschöne Gebirgslandschaft und ohne jeglichen Verkehr. Leider wurden wir um den Genuss einer rasanten Abfahrt gebracht, denn die Straße war so zerbröckelt, dass man sie nur mit größter Vorsicht hinabfahren konnte. Wieder unten im Tal ging es in einem stetigen Auf und Ab nach Liangjiazhai, wo wir in einem Hotelressort mit heißen Quellen wohnten. Bei unserer Ankunft verursachten wir eine solchen Auflauf, dass es ewig dauerte bis wir unsere Räder geparkt und abgeschlossen hatten und im Hotel eingecheckt hatten. Die vielen Besucher der heißen Quellen waren anscheinend überwiegend lokale Bevölkerung, die noch nie zuvor Ausländer gesehen hatten. Leider war es für die heißen Quellen zu spät, aber vielleicht war das besser so. Die chinesischen Besucher wären wahrscheinlich vor Schreck alle ertrunken.


Ein Regentag mit Buddhas am „Fünf-Terrassen-Berg“ (Wutai Shan)

Bilderbuch vom Ruhetag am 144. Reisetag in Taihuai am „Fünf-Terrassen-Berg“ (Wutai Shan), regnerisch und trüb, 17-20°C

Ein wenig Erholung nach dem anstrengenden Radeltag zuvor hatte die Nacht gebracht, in der wir wohl alle besonders tief und fest geschlafen hatten. Wie gut, daß wieder Ruhetag ist, was aber nicht heißt, daß wir vorm Mittag nicht aus den Hotelbetten kämen.
Im komfortablen Yun Feng Hotel gibt es offiziell bis 8.30 Uhr Frühstück, also sitzen wir schon vor 8 Uhr alle am großen runden Tisch im Restaurant und da wir nun eh schon wach sind, brechen wir 9.15 Uhr gemeinsam zur Tempelexkursion auf. Alle vorhandenen können wir aus Zeitgründen leider nicht besuchen, denn von den ehemals über 200 Tempelanlagen und Klöstern gibt es heute immerhin noch 47 aktive!

Wir sind in der kleinen Stadt Taihuai, die aus dem gleichnamigen Dorf enstanden ist. Das Dorf wurde 2008–13 abgebrochen und verlegt, um die innere Welterbestätte (der Tempelanlagen) von Siedlungen frei zu machen. So entstand eine Art Nationalpark. Den entschädigten Bewohnern wurden 23 km entfernt neue Häuser zur Verfügung gestellt.
Heute wohnen hier ca. 11.000 Menschen.

https://en.wikipedia.org/wiki/Taihuai zählt als wichtigste Anlagen diese auf: Jinge Temple, Mimi Temple, Xiantong Temple, Tayuan Temple, Wanfo Pavilion, Luohou Temple, Yuanzhao Temple, Guangzong Temple, Pusading, Cifu Temple, Shuxiang Temple, Longquan Temple, Zhenhai Temple, Nanshan Temple, Bishan Temple, Shouning Temple, Guangren Temple, Puhua Temple, Santa Temple, Qifu Temple, Guanghua Temple, Fanxian Temple, Jifu Temple, Pushou Temple, Jixiang Temple, Wuye Temple und Mingyue Chi.
Eine weitere Liste findet ihr hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_St%C3%A4tten_des_Wutai_Shan (Liste von Stätten des Wutai Shan)

Ich gestehe, ich stecke da nicht so tief in der Thematik drin, interessiere mich eher aus kulturhistorischen Gründen dafür und bin auf „Nachschlagewerke“ angewiesen, wie z.B. diese, in denen und über die ihr viele weitere Informationen bekommt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wutai_Shan
https://wikitravel.org/en/Wutaishan_National_Park

Kurz zusammengefaßt:

Der Wutai Shan (五臺山 / 五台山, Wǔtái Shān, wörtlich „Fünf-Terrassen-Berg“), historisch auch Qingliang Shan (清凉山, Qīngliáng Shān, wörtlich „Frischer Kühler Berg“), auch „Fünf-Finger-Berg“ genannt, ist also ein Gebirge in Nordchina.

Er ist von großer Bedeutung für den Buddhismus und gilt als einer der vier heiligen Berge des Buddhismus. Im Juni 2009 wurde der Wutai Shan in die Liste des Weltkulturerbes (World Heritage List) der UNESCO aufgenommen.

Der Wutai-Shan-Gebirgszug gilt als das wichtigste der vier heiligen Gebirge des chinesischen Buddhismus.

Die Klöster am Wutai Shan waren so bedeutend, dass man Darstellungen von ihnen auf Fresken in über 1600 Kilometern Entfernung in Dunhuang fand. Eine Vielzahl der Klöster ist dem tibetischen Buddhismus (Lamaismus) zuzuordnen. Hauptmerkmal dafür sind die Stupas als Gegenpart zu den Pagoden der Buddhisten.
Der 13. Dalai Lama (Thubten Gyatsho) verbrachte 1909 auf seiner Reise nach Peking (Beijing) mehr als ein halbes Jahr am Wutai Shan.

Der Wutai Shan mit seinen fünf höchsten Gipfeln gilt bei vielen Buddhisten als Residenz des Bodhisattva Manjushri. Buddha Shakyamuni soll nach der Überlieferung von Indien aus gelbes Licht zum Berg Wutai Shan ausgestrahlt haben, woraufhin sich dort der Bodhisattva Manjushri, der Herr der Weisheit, manifestierte. Dies geschah, um in der Zukunft die Menschen in China für die Lehren des Buddhismus zu gewinnen. Manjushri soll in Folge die Verbreitung der buddhistischen Lehre in China bewirkt haben.

Ob die vielen vielen Besucher/innen hier das auch alles wissen? Familien- und Großgruppenweise ziehen sie durch die Anlagen.
Geduldig wartend oder ungeduldig drängelnd verneigen sie sich dann vor den Tempeln und schicken ihre Bitten an die Götter. Einige halten dazu brennende Blumenkerzen oder gannze Bündel von Räucherstäbchen in den Händen.

Den anderen und auch mir genügen heute zwei der wichtigsten Tempelanlagen: Tayuan Si und Nanshan Si.

Der Tayuan Si ist etwa 4 km vom Hotel entfernt und wir zwängten uns zu acht in ein kleines Bus-„Taxi“ mit 6 Sitzplätzen. Der umtriebige Fahrer achtete aber darauf, 8 x je 5 Yuan Fahrgeld zu kassieren (der Linienbus kostet nur 2 pro Nase …).

Der Tayuan ist schon von Weitem an der 56,4 m hohem weißen Dabai Pagoda / Dagoba (Stupa), Da Baita, zu erkennen, an deren Seite sich noch eine kleinere erhebt. In der Klosterbibliothek auf der Nordseite werden viele alte und wertvolle buddhistische Schriften in chinesischer, mongolischer und tibetischer Schrift aufbewahrt.

Der Nanshan-Tempel, hoch auf dem Berg, ist zu Fuß in 10 Minuten vom Hotel aus erreichbar. Er gehört mit frühester Bauzeit in der Yuan-Dynastie zu den größeren Klosteranlagen im Inneren Wutai Shan. In drei Teile gegliedert erstreckt sie sich über sieben Terrassen. Die drei tiefstgelegenen werden Jile Si („Tempel der Höchsten Erbauung“) genannt; die mittlere Terrasse heißt „Halle der Güte und Tugend“ und die oberen drei tragen den Namen „Das Land behütender Tempel“.

Was hab ich sonst noch gelernt?
1. Wenn man(n) auch nicht chinesisch kann, einige Hinweistafeln und Schilder geben dennoch wichtige Hinweise für die Bewältigung des Alltags.
2. Zur Grundausstattung eines Mönchs gehört hier neben der traditionellen Kleidung unbedingt ein Smartphone. (Einer las davon sogar seinen Gebetstext ab!) – Religion trifft Moderne.

Regentempelbilderbuch auf:


Dem Himmel entgegen

143. Reisetag. 108 km über zwei anstrengende Pässe und wieder hinab ins Tal nach Taihuai. Bis zum zweiten Pass schien die Sonne, dann wurde es ziemlich kalt.

Eigentlich wollten wir so früh los wie möglich, denn die Etappe heute würde hart werden. Ein wenig ausgebremst in unserem Eifer wurden wir bereits vom Hotel, denn das Frühstück eröffnete erst um 07:00 Uhr und auf das Frühstücksbuffet wollten wir nicht verzichten. Man braucht ja schließlich eine ordentliche Grundlage für eine solche Etappe.

Diese Etappe war dominiert von zwei Pässen die es in sich hatten. Zum ersten Pass führte ein etwa 20 km langer Anstieg über einen Pass von 1550 Metern Höhe. Wir fuhren anschließend eine rasante Abfahrt hinab in ein Kleinstädchen wo wir Mittag aßen. Von dort ging es wieder gnadenlos bergauf und zwar etwa 30 km lang auf eine Höhe von rund 2500 Metern. Die Steigung nahm anscheinend überhaupt kein Ende und ich fragte mich wo dieses permanente Bergauf noch hinführen würde. Für die Strapazen wurden wir aber durch eine wunderschöne Berglandschaft entlohnt. Auf dem Pass sammelten wir uns und machten uns an die 16 km lange Abfahrt. Hier oben und auch während der Abfahrt wurde es verdammt kalt und wir waren alle bis auf die Knochen durchgefroren als wir im Hotel ankamen.

Der Ort Taihuai liegt inmitten des berühmten Wutaishan des bedeutendsten der 4 heiligen Berge des Buddhismus. Wegen seiner 5 Gipfel wird er auch fünf Finger Berg genannt. Seit fast 2000 Jahren kommen schon nachweislich Pilger hier her, sogar so mancher Kaiser war darunter. Auch aus vielen anderen buddhistisch geprägten Ländern kommen Pilger und machen dem Berg ihre Aufwartung. Der Wutaishan wird auch das „kühle Gebirge“ genannt, denn hier herrschen selbst im Sommer durchschnittlich 9°C. Das bekamen wir heute während der Abfahrt durchaus zu spüren. Morgen werden wir uns dann die Tempel des Wutaishan vorknöpfen.


Tendenziell bergab

142. Reisetag. Von Datong nach Yingxian, 84 km bei sonnigem Wetter und etwa 28°C plus einem zusätzlichen 6 km-Schlenker zur hölzernen Pagode von Yingxian

Die Tour begann für mich als neuen Reiseleiter der nächsten Wochen gleich mit einigen Prüfungen. Kaum dass wir losgefahren waren, hatten wir schon den ersten Platten. Da sich unser Begleitfahrzeug auf einer anderen Route aus der Stadt schlängelte, hatten wir ein kleines Ersatzteile- und Werkzeug-Problem. Schließlich konnte Gerhard aber einen Flicken hervorzaubern und wir flickten den Platten. Es dauerte nicht lange und wir hatten den nächsten. Wieder gelang es Gerhard aus den Tiefen seiner Satteltasche noch einen Ersatzschlauch hervorzubringen. Und wir waren noch nicht einmal aus der Stadt heraus. Der dritte Plattfuß konnte uns dann eigentlich nicht mehr schocken. Nur wird der Eine oder Andere morgen eventuell Muskelkater haben wegen des Aufpumpens mit allzu kleinen Luftpumpen.

Die Fahrt verlief insgesamt sehr angenehm, Steigungen waren im Grunde keine vorhanden und die Strecke ging, wie Volker immer gerne zu sagen pflegt, tendenziell bergab. Für mich die perfekte Etappe um mich einzuradeln. Die ersten Kilometer legten wir noch auf einer vierspurigen Landstraße zurück auf der die Autos aber stets in gebührendem Abstand an uns vorbei fuhren und wie in China üblich, die „Vorsicht, ich überhole jetzt“-Hupe betätigten. Später bogen wir auf eine wenig befahrene kleine Nebenstraße ab. Häufig säumten Alleen unseren Weg was das Radeln ganz angenehm machte.

Mittag machten wir in einem winzigen Dorf in dem von etwa drei Häusern eines ein winziges Restaurant war. Es gab nur einen Tisch an dem nicht alle von uns Platz hatten, deshalb mussten drei von uns auf im Nachbarraum auf dem Bettofen, dem Kang, der Familie sitzen und an einem etwa 30 cm hohen Tisch essen. Das war mal eine sehr spezielle und intime Erfahrung. Die Betreiberfamilien hatte noch nie zuvor ausländische Gäste und war entsprechend aufgeregt und neugierig. Nach gefühlt 1000 Fragen und einigen gemeinsamen Fotos, ließ man uns wieder fahren. Am späten Nachmittag erreichten wir dann unseren Zielort Yingxian.

Die Hauptsehenswürdigkeit von Yingxian ist die berühmte Sakyamuni-Pagode im Fogong-Tempel. Da wir angst hatten, dass die Pagode geschlossen sein würde wenn wir erst ins Hotel fahren und dann wieder zurück kämen, fuhren wir direkt dort vorbei. Diese recht beeindruckende Pagode wurde unter den Kitanen (Liao-Dynastie), einem Reitervolk aus dem hohen Norden, das diesen Teil Chinas seinerzeit erobert hatte im Jahre 1056 erbaut. Sie ist die älteste und größte hölzerne Pagode weltweit. Sie hat eine Höhe von über 67 m und einen Durchmesser am Sockel von rund 30 Metern. Von außen sind nur 5 Stockwerke sichtbar, aber eigentlich sind es mit den Zwischengeschossen 9 Stockwerke. Es wurden etwa 3000 Tonnen Rotkiefernholz verbaut. Die Bauweise ist so ausgeklügelt, dass die Pagode in ihrer über 900-jährigen Geschichte bereits mehrere Erdbeben überstanden hat, während die Häuser in der Umgebung fast sämtlich einstürzten. Selbst mehrere heftige Blitzeinschläge hat sie schadlos überstanden. Leider darf man nicht mehr die Pagode besteigen, aber eindrucksvoll ist sie dennoch.


In der früheren Hauptstadt und heutigen „Großen Einheit“

Bilderbuch von den Ruhetagen am 140. und 141. Reisetag in Datong, sommerlich und sonnig um die 30°C

Was ist schöner, relaxen in einem Jurtencamp zwischen den grünen Hügeln der mongolischen Grassteppe oder in einer Millionenstadt im Norden Chinas?
Unsere Reisegruppe ist da ganz verschiedener Meinung und klar ist auch, daß jede Umgebung ihre Reize, Vor- und Nachteile hat.
Landschaftlich ist eine Stadt voller Hochhäuser und endlosen Autostaus (Hupkonzert inklusive) nur Zweiter, beim Übernachtungskomfort und beim Frühstücksbuffet klar Erster. Auch bezüglich Wäschewaschen, Reparaturservices, WLAN-Versorgung (pro Zimmer ein eigener Accesspoint!) und sonstigen Sehenswürdigkeiten liegt die Großstadt nach Punkten vorn.

Wir „wohnen“ seit gestern im komfortablen Yungang Meigao Hotel.

Datong (chinesisch 大同市 = Pinyin Dàtóng shì) ist eine bezirksfreie Stadt mit etwa 1,4 Millionen Einwohnern im unmittelbaren Stadtgebiet und weiteren 2 Millionen Einwohnern in den umliegenden Kreisen. Sie liegt etwa 300 Kilometer westlich von Peking und breitet sich auf über 14.000 Quadratkilometern aus.

Von https://de.wikipedia.org/wiki/Datong (Simon hatte auch schon zum 139. Reisetag dahin verwiesen) weiß ich u.a., daß die Stadt als Píngchéng (平城) während der Han-Dynastie gegründet wurde und während der Nördlichen Wei-Dynastie fast hundert Jahre lang (398 bis 494) sogar Hauptstadt war. Bereits 1048 wurde sie in Datong (= Große Einheit) umbenannt.

Bei unserem sonnabendnachmittäglichen Stadtbummel sehen und erfahren wir viel wissenswertes und interessantes. Simon weiß wirklich viel über die Geschichte Chinas und Andreas, der Simon als Reiseleiter ablöst, ist ja auch schon dabei. Weiteres ergänzen wir individuell am Sonntag, denn der ursprünglich geplante Busausflug zu den Yungang-Grotten war schließlich durch unseren kleinen Umweg bei der Fahrt nach Datong zu Gunsten eines weiteren freien Tages nicht mehr notwendig.

Wir sehen uns also an, was aus dem „Altstadtprojekt“ der Stadt geworden ist und bekommen einen Eindruck von dem, was Wikipedia u.a. so beschreibt:
“ … Aus vorwiegend touristisch-kommerziellen Gründen wurde ab 2008 ein Stadtumbau der Innenstadt im Stil der Ming-Dynastie durchgeführt. Das 6 Milliarden Euro teure Projekt sollte besonders die finanzkräftige chinesische Mittelschicht ansprechen. Die Rekonstruktion ist nach westlichen Presseberichten nur eine ungefähre. 40.000 ärmere Bewohner der Altstadt werden abgesiedelt, im neuen alten Zentrum, das mit einer 2009 bis 2012 errichteten monumentalen Stadtmauer abgegrenzt wurde, entstehen Luxuswohnungen. Die Gentrifizierung mit ihrer historisierenden Kulissenarchitektur ist bereits weit vorangeschritten. Gemäß dem Dokumentarfilm „The Chinese Mayor“ … ist dieses Altstadtprojekt jedoch gescheitert. Der dieses Projekt vorantreibende Bürgermeister wurde nach 5 Jahren im Amt überraschend als Bürgermeister in eine 300 km weit entfernte andere Stadt versetzt. Er hinterließ – gemäß den Aussagen im o.g. Film – Schulden in Höhe einiger Milliarden Dollar und eine Vielzahl halbfertiger Projekte, die sein Nachfolger nicht mehr weiterführte.“

Der Kontrast zwischen „Abbruchgebiet“ und Neubau nach historischem Vorbild direkt daneben beeindruckt und bedrückt uns gleichzeitig.

Unzählbar viele Händler bieten an den Straßenrändern Obst, Gemüse und Waren aller Art an, darunter auch „Spendengeldscheine“ und sogar papierne „Spendenautos“. Ob die Götter und die Lieben im Jenseits wirklich was damit anfangen können?

Selbstverständlich schauen wir uns die Neun-Drachen-Wand, sowie das Huayan Kloster an, das fast alle am Sonntag sogar noch ein zweites Mal besuchen. Übrigens: Besucher über 60 haben dort freien Eintritt (wie auch schon bei den Yungang-Grotten) und sparen hier bare 65 Yuan (ca. 8 €uronen)!

Die Abendessen genießen wir gemeinsam in kleinen Restaurants „um die Ecke“ mit vielen verschieden Gemüse- sowie Fleischgerichten auf der gläsernen Drehplatte. Llllecker! Die Schlemmerei kostete uns gestern beispielsweise für alle (9) zusammen etwa 300 Yuan! Heute war es deutlich teurer: 340 für acht.
Ja, so preiswert ißt man(n) hier „beim Chinesen“! 😉

Daton-Bilderbuch auf:



Als Extrabilderbuchzugabe noch weitere Fotos vom Besuch der Yungang-Grotten (Wolkengrat Felsenhöhlen):

… 5000 6000 7000 8000 9000 10000 11000

Zweite kleine statistische Anmerkung am Ruhetag

Am 26. Mai, das war der Ruhetag in Alabuğa (Jelabuga) am 56. Reisetag, hatte ich zuletzt unter „1000 … 2000 … 3000 … 4000“ statistisches notiert.
Heute eine kurze Fortschreibung nach weiteren 85 Reistagen, also am 141.
Ich stütze mich wieder auf meine Track-Aufzeichnungen des „Mini GPS“. Jede(r) andere hat davon also mehr oder weniger abweichende Zahlen.

„Das müssen doch mehr als 1500 Kilometer gewesen sein, die ich jetzt mit euch unterwegs war“, überlegte Simon gestern beim Abschied.
Aber sicher! Er übernahm „uns“ zwischen Altanbulag und Darkhan am 25. Juli, vor 24 Tagen. Da waren wir knapp überm Reisekilometer 9500. Er hat uns also ca. 2000 Kilometer begleitet und wir hatten eine super Zeit miteinander. Nochmals vielen Dank!

Wir sind jetzt aktuell bei Reisekilometer 11.435. Darin sind auch die 198 Bus-km vom Transfer zum und vom Hustain-Nationalpark in der Mongolei enthalten.

Karin K. ist seit dem 29. Juli ab Ulaanbaatar (ca. Km 9800) dabei, steuert also auch schon die 2000er Marke an. Sven stieg etwa bei Km 8600 in Irkutsk ein und ist kurz vor den 3000. Karin L. & Martin radeln nun schon fast 2 Monate (seit Nowosibirsk, etwa Km 6650) mit und werden hinter Datong 5000 km hinter sich haben. Gerhard hat den imaginären Strich für Km 8000 auch schon gesehen. Am 12. Mai bei seinem Start in Moskau stand der Gesamtreisekilometerzähler noch bei ca. 3000.
Die „Seit-1. April-Berlin-Durchradler“ Karin B., Stefan und ich strampeln ab morgen auf die Zwölf vor den drei Nullen zu. Karin B. feierte ja in Zamyn-Üüd ihren 10000. echt geradelten Kilometer, also abzüglich der zwischendurch im Begleitbus gesessenen. Ich habe in Datong den 11000. km geschafft, die 435 km „Buskilometer“ (schlappe 3,8% – pfff …) rausgerechnet.
Uneinholbarer Spitzenreiter ist nach wie vor Stefan mit quasi „Reisekilometer = Radelkilometer“, der sogar den zwangsweise bei den Grenzübergängen im Bus abgessenen Kilometern (ich schätze mal so 4-5) als „leider nicht geradelt“ nachtrauert.

Übrigens, bei Stadtrundgängen habe ich inzwischen auch insgesamt 142 offiziell gelatschte Kilometer addiert, die individuell durch die Etappenorte spazierten gar nicht mitgerechnet!

Weiter gehts! Wir sind gespannt auf jeden nächsten Kilometer und freuen uns darauf, bald weitere Mitradler/innen begrüßen zu können.

Über die Große Mauer nach Datong

138.-139. Reisetag (16. und 17. August 2018), von Jining über Fengzhen nach Datong, 80 km/66 km

Am 138. Reisetag (16.08.2018) zog es uns vormittags durch dicht besiedelte Ortschaften auf Nebenstraßen nach Fengzhen, einer kleinen Stadt an der südlichen Grenze der Inneren Mongolei. Wir folgten einer neuen Eisenbahn-Hochtrasse während das Leben (und Sterben: denn wir wir kamen an vielen Gräbern vorbei) in den Ortschaften etwas aus der Zeit gefallen schien. Nach einer Mittagspause, in der uns ein sehr freundlicher Tankwart unterhielt, ging es über Hügel unserem Ziel entgegen. Nach einem köstlichen und unverschämt preiswerten Abendessen flanierten wir noch über den örtlichen Rummel, welcher Veranstaltungen wie den Hamburger Dom bezüglich der Lautstärke mühelos in den Schatten stellen konnte.

Am 139. Reisetag (17.08.2018) verzögerte sich unsere Abfahrt aufgrund eines Kohlezugs, der vor unserer Nase minutenlang hin und her rangierte. Nur wenige Meter hinter dem schmutzigen Kraftwerk, zu dem die Gleise führten, überquerten wir die Grenze zur Provinz Shanxi (nicht zu verwechseln mit der Provinz Shanxi/Shaanxi). Auf der Grenze steht ein Stück der Großen Mauer, welches als Lehmwall mit einigen Türmen deutlich zu erkennen ist, jedoch nicht touristisch erschlossen oder gepflegt ist. Lediglich ein Schild weist den Damm als Teil der Mauer aus und doch mussten wir bei jedem Schritt an die harte Arbeit denken, die dieses Bauwerk über viele Jahrhunderte hinweg erforderte. Mit dem Übertritt nach Shanxi wurde die Landschaft hügeliger und wir spürten, dass der Verkehr zunahm und die Straßen schlechter wurden. Nach dem wunderschönen Wetter der Vortage drohten uns Wolken, die uns aber bis zu unserem nächsten Kultur-Stop verschonen sollten: Den Nachmittag verbrachten wir an den Buddha-Höhlen in Yungang, wo wir uns in Gesellschaft zahlreicher chinesischer Touristen befanden. Um die seit Jahrhunderten Wind und Wetter ausgesetzten Höhlen ist in den letzten Jahren ein weitläufiger Park und ein neues Museum entstanden, aber dem Gefühl, das die lange Geschichte des Ortes ausstrahlte, tat dies keinen Abbruch. Die Stadteinfahrt in die Millionenstadt Datong gestaltete sich unter dem Eindruck des Kulturprogramms und angesichts des ständigen Gefälles auch bei Nieselregen als relativ einfach. Lediglich in der „Altstadt“ hatten wir mit gnadenlosen Barrieren zu kämpfen, welche die pseudo-historisch verkitschte Fußgängerzone vor Gefährten aller Art schützen sollen (siehe diesen Artikel bei The Guardian). Am Hotel empfing uns bereits Andreas mit warmer Herzlichkeit und kühlem Bier. Er wird die Gruppe bis Chongqing übernehmen. Zusammen aßen wir in einem Grillrestaurant und freuen uns auf die Vorzüge der Großstadt, die uns für die kommenden zwei Tage begleiten.


Strecke 16.08.2018 (138. Reisetag):

Strecke 17.08.2018 (139. Reisetag):