Die Theorie vom „Garmin-Träck-Fehler“, Sorgen vor den Höhenmetern und eine einmalig schöne Berg- und Tal-Landschaft

Anmerkung zu „Leibo – Zhaojue: 125.9km (+2139m, -1281m) am 189. Radweltreisetag“

Schon gestern beim Abendessen schwirrten die Streckeninfornationen der bevorstehenden „Horroretappe“ durch den Raum.
Zwischenfrage: Immer noch Radreise (laut CBB) oder doch schon eher eine Sportveranstaltung, z.B. ein Radrennen mit Bergwertung(en)?
Heute morgen vor der Abfahrt kochte die Info-Gerüchteküche immer noch.
Das wird ein hammerharter Radeltag über 125 Kilometer und mit heftig viel Höhenmetern. Aber wieviel genau und ab wann es richtg hinauf geht … Ein GPX-Track und sooo viele Fragen und noch mehr Mutmaßungen.

Der Reihe nach:
Laut CBB-Track-Vorgabe für den 6.10.2018 Leibo-Zhaojue werden 124.5 Fahr-km und +5159m, -4335m ausgewiesen.

Klingt utopisch, nicht? Der Himalaya ist ja garantiert nicht in der Nähe. 😉
Warum sind da eigentlich keine Geschwindigkeitsaufzeichnungen?
Haben wir es hier etwa mit dem bislang unentdeckten oder bisher ignorierten „Garmin-Träck-Fehler“ zu tun?
Daß es bis auf über 2140 m aufwärts geht, war schon erkennbar, aber wirklich erst nach ca. 42 gefahrenen Kilometern. Hm.

Dort fand sich neben der Schule des Ortes eine nette Nudelküche zur Stärkung (Kohlehydrate!) und der Ort der Entscheidung. Wer nimmt den Bus bis auf weiteres und wer radelt einfach weiter.
Isabelle hat über den Tag berichtet. Siehe unten.

Ich hab den Track auf dem GPSMAP64s verfolgt und hatte meinen Spaß damit. Die Richtung zum Ziel Zhaojue war im Prinzip stets eineindeutig, OK. Interessanterweise verlief der Track aber längere Zeit direkt in der Mitte des Flusses links unten (tief unten!) neben der Straße. Ich geh‘ mal davon aus, daß CBB den Weg vorher erprobt hatte und wir nicht die „Testpiloten“ waren, ob man(n) da überhaupt lang fahren kann. War also damals der Trail-Tester oder die Testerin hier womöglich einige Kilometer komfortablerweise mit dem Floß abseits der Straße unterwegs? Oder – bösartige Unterstellung meinerseits – ist der Track in Berlin an PC und Maus-Pad erzeugt worden und blöderweise mitten ins Flußtal verrutscht? Dieser Track tat sich darum insbesondere in den Angaben für’s Höhenprofil extrem schwer.
In dubio pro reo (lat. „Im Zweifel für den Angeklagten“ [https://de.wikipedia.org/wiki/In_dubio_pro_reo]).
Der Trail-Tester oder die Testerin hatte mit dem Navi evtl. wirklich Satellitenempfangsprobleme und zeichnete nur ungenaue Angaben auf. In dieser Schluchtenwelt jederzeit denkbar und zeitweilig am „Navi“ sogar sichtbar, wenn die nötige Satellitenzahl minutenlang unterschritten wurde.
Die Fotobeispiele mit den Profilangaben im Garmin und der Sicht „ins Gelände“ beweisen das für mich. Der „Berg“ im Track war in Wirklichkeit der links oder rechts der Straße.



Insider kennen die endlose Diskussion über die Genauigkeitsunterschiede zwischen Barometrischer Höhenmessung und GPS-basierter Höhenmessung [mehr dazu u. a. hier https://www.bergfreunde.de/basislager/hoehenmessung-mit-gps-oder-barometer/#]

„Um jedoch eine Angabe über die aktuelle Höhe zu erhalten, benötigt der Empfänger dazu das Signal von mindestens 4 Satelliten. Die Genauigkeit dieser geodätischen Triangulation der eigenen Position hängt zudem maßgeblich von der Qualität des Signals ab. Stehen viele Satelliten zur Verfügung, so erhält man ein gutes Signal, da sich der Empfänger die besten, also stärksten Signale raussuchen kann. Empfängt man jedoch lediglich genau vier Satelliten, so kann es sein, dass die Angaben über Position und Höhe sehr stark von den tatsächlichen Werten abweichen.

Das liegt daran, dass sich das GPS-Signal physikalisch ähnlich wie Licht verhält. Wolken schwächen das Signal ab, tiefe Schluchten können den Empfänger sogar komplett isolieren. Auch ein dichter Wald kann das Signal schwächen. Ebenso kann das Signal an Wänden reflektiert werden. Derartige Einflüsse stören das Ergebnis der Positions- und Höhenbestimmung mitunter so stark, dass unterschiedliche Laufzeiten vom Signalgeber zum Empfänger entstehen. Unter Umständen führt dies zu tatsächlichen Positionsabweichungen von bis zu 100 Metern.“
Aha! Ja. Wir radelten definitiv durch gigantische, beeindruckenden Schluchten.

Zurück zur CBB-Track-Vorgabe für Leibo-Zhaojue: 124.5 Fahr-km und +5159m, -4335m
Ergebnis am Tagesende laut Track-Aufzeichnung des GPSMAP64s: Leibo – Zhaojue.gpx: 125.9km, +2139m, -1281m
Auch nicht grad wenig, oder?
Mein Mini GPS maß:
Max Elevation: 2,140 m
Min Elevation: 458 m
3,294 kcal

Die Sorgen am Mittag vor den Höhenmetern waren mit Sicherheit berechtigt und jede(r) im Bus hat sich was gutes getan, nicht diesen Trail da hinauf zu radeln. Jede(r), die/der es trotzdem tat, hatte ein einmaliges Fahrerlebnis durch eine einmalige schöne Berg- und Tal-Landschaft sowie durch hochinteressante Orte mit kurzen Begegnungnen mit den Bewohner/Innen.
Hey, wir sind im Land der Yi (s.a [https://de.wikipedia.org/wiki/Yi_(Volk)], wie bereits im Yibin-Bilderbuch empfohlen).

Fazit: Laßt euch nicht von gpx-Track-Prognosen verunsichern. Schaut lieber selbst direkt nach indem ihr dahin radelt, auch wenn’s weh tut.
Ich merk‘ es besonders in den Waden u.a. beim Treppensteigen … 😉

Kommentarlinks für GPS-Höhenmeter-Erfahrungsberichte willkommen!


Glück im Unglück

Ein Tag voller Ereignisse! 

Zum Frühstück wurden wir von einer strahlenden Chefin mit hochgetürmter Dauerwelle empfangen, die uns stetig lächelnd heißes Wasser reichte, und anschließend noch ein paar Fotos mit uns schoss. Gestärkt von gebratenem Gemüse, einigen süßen Mantou, fluffigen Kuchenquadraten und/oder etwas Selbstmitgebrachtem machten wir uns nach unserem allmorgendlichen Gruppenfoto auf zur langen Abfahrt, die heute eine 125km lange Etappe einleiten sollte. Unglücklicherweise begann diese mit einem kleinen Schrecken, als Hartmut in einer der steilen aus der Stadt herausführenden Kurven auf dem feuchten Asphalt ausrutschte und böse stürzte. Wenige Minuten später aber, als Xiao Lei und ich mit ihm ins nächstgelegene Krankenhaus fuhren, konnte er schon wieder scherzen und meinte, er habe das alles nur gemacht, damit ich mich noch einen Tag ausruhen könne. (Danke dir Hartmut, sehr lieb gemeint!) Gott sei Dank stellte sich nach einigen Röntgenaufnahmen, für die wir extra noch die zuvor scheinbar nie benutzte Schutzkleidung aus dem Schreibtisch des Röntgenarztes hervorkramten, alles als „halb so wild“ heraus und der Leiboer Arzt verschrieb ihm lediglich einige Tage Ruhe (und ein paar Schmerzmittel).

Katharina sauste währenddessen mit dem Rest der Gruppe weiter vom ohnehin viel zu kalten Berg hinunter, für den einige sich noch mit Leggings vom Straßenmarkt und anderen warmen Kleidern hatten eindecken müssen, und traf sich knapp vor der Hälfte der Strecke mit allen zum Mittagessen. Hier teilte sich die Gruppe, da manche sich und ihren Gelenken nach den endlos langen Serpentinen des Vortages knapp 35km weiteren Anstieg ersparen und diesen Teil der Strecke lieber im Begleitfahrzeug vorüberbringen wollten. Durch gewaltige Schluchten ging es voran. Unten toste und brauste der Fluss, der sich über Jahrmillionen durch all die Gesteinsschichten bis nach unten gefressen hatte.

Immer und immer wieder lagen Kühe am Rand, standen Ziegen ungerührt der vorbeifahrenden Autos mitten auf der Straße. Je weiter wir uns in die Berge hervorarbeiteten, im Fahrzeug wie auch auf dem Rad, umso mehr traditionelle Kleider konnten wir auf den belebten Dorfmarktplätzen und neben den kleinen Häuschen sehen, die wir passierten. Einmal stieg unsere Besatzung aus, um einige Angehörige der Yi-Minderheit, in deren Land wir uns nun befinden, zu fotografieren. Allerdings stellte sich dann heraus, dass diese erst aufgrund eines weniger erfreulichen Erlebnisses zusammengekommen waren: Gegenüber fand gerade eine Beerdigung statt. Ups, dachten wir uns… Die Trauergäste versammeln sich vor dem Haus und werden mit einem Mal von weißen Paparazzi überfallen! Plötzlich sahen wir lauter Fahrzeuge, die aus den Kurven gefallen und den Hang hinunter oder gar in den Fluss gestürzt waren und gleich noch eine Beerdigung! Das beeindruckte unsere Gäste an Bord aber kaum, sodass sie uns verließen und die letzten 40km noch selbst hinauffuhren. Nach und nach kamen so alle wohlbehalten, wenn auch ganz schön erschöpft, in Zhaojue an. Mit einer kleinen Dattel-Goji-Schnaps-Verköstigung wärmten wir uns zum Abend dann schließlich noch genüsslich den Magen.