Laos hat viele Gesichter

232. Weltreisetag, 60 km von Kasi nach Vang Vieng, tropisch heiß & abwärts

Landschaftlich bleiben wir den letzten Tagen treu. Verwitterte Karstformationen, ich bin fast geneigt sie malerisch zu nennen, von mehreren hundert Metern Höhe säumen unsere Straße gen Süden. Farbtupfer bilden die Reisbauern die zahlreich auf ihren Feldern die Ernte einbringen. Oft nehmen wir sie nur schemenhaft wahr da sich die Reisegeschwindigkeit aufgrund des anspruchslosen Reliefs erhöht hat. Nur die zahlreichen schlechten Straßenverhältnisse, größtenteils bedingt durch den intensiven und nervigen schwer beladenen LKW-Verkehr, bremsen uns gelegentlich aus.

Vang Vieng, einer der Schmelztiegel der Backpacker Touristen in Laos, kündigte sich lange vorher an … Langnasen auf Mopeds, Fahrrädern, Elefanten, eingepfercht in Busse beladen mit Kajaks oder bewehrt mit riesigen Gummireifen für das River Tubbing (sprich im ‚Autoreifen‘ den Fluss hinabtreiben), bestimmen zunehmend das Straßenbild. Vang Vieng lebt vom Tourismus, und letztendlich sind auch wir ein Teil davon, reflektieren wir beim gemeinsamen Abendessen. Erneut wird uns bewusst wie intensiv wir die Möglichkeiten und Freiheiten haben, im Gegensatz zu ’normal‘ reisenden Touristen, dieses Land erleben zu können. In Laos spielt das Leben größtenteils in einem eng bemessenen Raum zwischen Haus und Straße und sobald wir anhalten entwickelt sich ein Gespür für die bereiste Region und für das was die Menschen hier anscheinend wirklich bewegt, ein Gefühl das den meisten Touristen denen wir immer wieder begegnen, vielleicht leider enthalten bleibt.

Die Quintessenz des Tages? Fahrt mehr Rad! Weit und ausdauernd.


Ein Privileg der älteren Generation

Dass ich alle paar Jahr einmal eine Kreuzfahrt mache, darf man bei Fahrradreisen eigentlich gar nicht erwähnen. Das ist ja pervers, meint der Reiseleiter. Da strömen tausende von Leuten vom Schiff und besetzten eine ganze Stadt. Stell dir vor, wie die Umwelt durch diese Schiffe belastet wird. Ich hätte ihn noch gerne gefragt, wie oft er pro Jahr ins Flugzeug steigt, doch ich bin ein friedlicher Mensch und ließ es dabei.

Kreuzfahrer und Radfahrer
Was haben denn Kreuzfahrer und Radfahrer gemeinsam. Reisen ist heute zu einem Privileg der älteren Generation geworden. Diese Generation besitzt Geld und kann sich auch mal eine längere Reise leisten. Normalerweise sind Reisen von zwei bis drei Woche gefragt. Doch wer bucht heute eine Reise von mehr als 4 Wochen? Bei unserer Weltreise ist der Altersdurchschnitt deutlich über 60 Jahre. Der älteste Teilnehmer war 72 Jahre alt und einer der gut trainiertesten in der Gruppe. Für die aktive Bevölkerung ist es schwierig eine solche Reise zu buchen. Sie müssen das gesamte Ferienguthaben von 1 oder 2 Jahren zusammenlegen. Für Pensionierte ist es einfacher.

China ist großzügig zu älteren Leuten
China ist gegenüber Rentnern gut gesinnt. Besucht man einen Tempel, so kostet der Eintritt ab 60 Jahren 50% und ab 70 ist alles gratis. Bei den hohen Eintrittsgebühren zückt man gerne den Ausweis und bekennt sich zum alten Eisen. In China haben wir kaum Touristen gesehen. Wir haben uns Abseits der großen Touristenströme bewegt. In Laos ist das anders. Egal wo wir anhalten, wir sehen ab und zu die gleichen Leute.

In Luang Prabang haben wir verschiedene Tempelanlagen besucht. Es kommt ein größere Gruppe älterer Touristen und bleibt vor einem Tempel stehen. Der Reiseleiter erklärt spannend die Geschichte, ich lausche interessiert zu. Nun ist genug, er will zum Mittagessen. Da fragt einer: „Können sie noch etwas zum Buddhismus erzählen?“. Wollen die jetzt zum Mittagessen oder wollen Sie noch zwei Stunden hier stehen frage ich mich.

Dann fragt er wiederholt, ob noch jemand zur Toilette muss. Die Frage ist nicht unberechtigt, weil ältere Herren häufiger das Örtchen aufsuchen müssen.

Bei Radfahrern ist das anders. Setzt man sich morgens aufs Rad, bleibt das kleine Geschäft den ganzen Tag aus.

Am nächsten Tag verzichte ich auf das Mittagessen und fahre gleich den Berg hoch. Oben angekommen warte ich vor einem Restaurant eine Stunde und beobachte das Geschehen. Da stehen etwa 10 kleine Häuschen mit je einer WC-Schüssel. Ich will dort meine Hände waschen. Etwas Entsprechendes fehlt, vermutlich ist das nur in Europa notwendig.

Im 10-Minuten-Takt fahren Busse mit Touristen vor, steigen kurz aus, genießen die schöne Aussicht und machen das, was im Moment notwendig ist. Einige bemerken mich und wollen natürlich wissen, woher ich komme und wohin ich fahre. Wau, toll meinen sie. Es Bestände noch die Möglichkeit sich uns anzuschließen sage ich. Sie winken ab und steigen müde in den Bus ein.

Wir sind schon privilegiert, dass wir eine solche Reise machen können und nicht den ganzen Tag busfahren müssen.

Und das in unserem hohen Alter 😂

Eine Weltreise beginnt zu Hause

Wenn man sich für eine Teiletappe einer Weltreise von 167 Tagen entscheidet, steht man unweigerlich vor der Frage, was nehme ich mit auf diese lange Reise. Gewisse Rahmenbedingungen sind durch die Fluggesellschaft gegeben. Nach Xi’an waren 23 Kilo erlaubt, zuzüglich Handgepäck von 5 Kilo. Ganz schön wenig, ging es mir durch den Kopf.

Bei dieser Reise fährt ein Begleitfahrzueg mit und transportiert das Gepäck, von daher konnte ich mich auf die 23 Kilo konzentrieren.

Ich packe den Koffer
Es soll ja Ehepaare geben, wo die Frau den Koffer packt. Bei uns ist das gar nicht so, meine Frau weigert sich durchs Band so was zu tun, darum muß ich es selber machen.

Extrem wichtig dabei ist, dass man nichts vergisst. Bei meiner letzten Fahrradtour durch Indien habe ich die Socken vergessen. Vermutlich ist es einfacher in der Schweiz trotz Burkaverbot eine Burka zu kaufen als in Indien ein Paar Socken. So blieb mir nichts anderes übrig, als die Socken jeden Tag auszuwaschen. Nach 4 Wochen sahen sie aus wie indisches Toilettenpapier, absolut durchsichtig.

Ab in den Süden
Ein letzter Wettercheck im Internet bestätigt, Xi’an 35 Grad. Da wir Richtung Süden fahren, soll es ja statistisch gesehen heißer werde. Ich lasse alle warmen Kleider zu Hause und stell mich auf einen heißen Sommer ein. Übersehen habe ich die hohen Berge in China und da war es ziemlich kalt.

Wie ein Papagei
Ich packe nun alle Fahrradleibchen und Fahrradhosen ein, welche ich mir in den vergangenen Jahren zum Vatertag, Geburtstag oder zu Weihnachten geschenkt habe. Ich war diesbezüglich sehr großzügig zu mir und es ist was zusammengekommen. Insgesamt 12 Leibchen, 8 Fahrradhosen 8 Paar Socken usw. Ich liebe es, wie ein farbiger Papagei durch die Welt zu radeln. Die Reisetasche ist voll, ich stelle das Gepäck auf die Waage, es sind 23 Kilo. Als Anfänger in dieser Szene wurde ich rasch durch meine Mitradler belehrt. Man kann die Kleider auch abends auswaschen und morgens wieder anziehen, dann genügen 2 Leibchen empfiehlt man mir. Andere Vorschläge haben mich nicht überzeugt, verbrennt man täglich mehr als 3000 Kalorien, bleibt einiges in der Kleidung hängen, ich will ja beim Radeln keine Duftwolke hinter mir herziehen und meine Mitradler vergrauen.

Sponsoren und Werbung
Viele Mitradler tragen noch irgendwelche Werbung auf den Trikots z. B. für Fahrradschaltsysteme oder längst vergangene Radtouren. Dadurch ist morgens immer gleich ein Gesprächsthema da und es wird uns nie langweilig.

So oder so, ich wechsle die Wäsche bei dieser Hitze bis dreimal täglich. Spannenderweise fällt mein merkwürdiges Verhalten den meisten Frauen auf. „Morgens hast du doch grün getragen und jetzt bist du gelb gekleidet“, meint eine Mitradlerin.

Unterschied Frau und Mann
Frauen sind generell aufmerksamer und modebewusster als Männer.

Zieht eine Frau nach 20 Ehejahren wieder einmal einen Minirock abends an, meint der Mann: „Schatz kannst du mir ein Bier holen und den Fernseher anstellen. In 5 Minuten beginnt die Sportschau.“ Männer jedoch kaufen nur neue Kleider wenn die Knöpfe nicht mehr zugehen. Oder wenn die Arbeitskollegin meint: „Schönes Hemd, gibt es das auch noch in deiner Größe?“

Helm
Dann ist noch das schwierige Thema Helm. Die Teilnehmer dieser Weltreise sind sehr diszipliniert und tragen alle einen Helm. Die Einen haben einen modernen, farbigen Helm, andere tragen einen Ausrangierten und werden ihn am Ende der Reise entsorgen. Die Reiseleiter erkennt man daran, dass sie keinen Helm tragen. Ich habe einmal dieses heikle Thema angeschnitten, es gab einen richtigen Adrenalinschub und 100 Beispiele, warum Helmtragen schlecht ist. In Zukunft lasse ich das Thema ruhen. Die ganze Sache erinnert mich etwas an die Gurtenpflicht beim Auto. Was lief da im Vorfeld ab. Hartmut ist vor einigen Wochen gestürzt und mit dem Helm auf dem Asphalt aufgeschlagen. Er meint dazu: „Lieber einen gespaltenen Helm als einen gespaltenen Schädel.“

Wie weiter?
So oder so, ich werde weiterhin als farbiger Papagei mit Helm durch die Gegend fahren. Im Hotel bleibt mir nichts anderes übrig, als weiterhin meine große Tasche, meinen Rucksack und meine Lenkertasche von Hotel zu Hotel zu schleppen und das in den verbleibenden 90 Tagen.